YANQING (dpa) — Ski-Ass Kira Weidle will die Olympia-Medail­le — und schei­tert knapp. Der Berg bekommt ihre Enttäu­schung zu spüren. Auch Speed-Domina­to­rin Sofia Goggia ist geschla­gen. Gold holt die Weltmeisterin.

Ihr lauter Frust-Schrei hallte durch die Zielein­fahrt am Xiaohai­tuo Mountain. Die deutsche Alpin-Hoffnung Kira Weidle versteck­te ihre Enttäu­schung über die verpass­te Abfahrts-Medail­le bei den Olympi­schen Winter­spie­len nicht.

Statt der erhoff­ten grünen Eins leuch­te­te auf der Anzei­ge­ta­fel im Zielraum die rote Vier auf. «Es ist so bitter. Die Enttäu­schung ist erstmal groß», sagte die 25-Jähri­ge nach ihrem geplatz­ten Traum und kämpf­te mit den Tränen. Gerade mal 14 Hunderts­tel­se­kun­den fehlten beim Sieg der Schwei­ze­rin Corin­ne Suter zur Medail­le. Ihr Mittel, um Frust abzubau­en? «Der Berg muss heute einfach mal einen Schrei aushalten.»

Weltmeis­te­rin auch Olympiasiegerin

Den Olympia­sieg in der Königs­dis­zi­plin holte sich Weltmeis­te­rin Suter mit 0,16 Sekun­den Vorsprung vor der angeschla­ge­nen Speed-Domina­to­rin Sofia Goggia. Dass die Italie­ne­rin wenige Wochen nach ihrem Sturz im Super‑G von Corti­na d’Ampez­zo und der daraus resul­tie­ren­den Kniever­let­zung überhaupt in China starten konnte, grenz­te an ein Wunder. «Unglaub­lich» fand das auch die Ameri­ka­ne­rin Mikae­la Shiffrin, die 18. wurde. Dritte wurde Goggi­as Lands­frau Nadia Delago.

Dabei schie­nen die Chancen auf einen Podest-Platz für Weidle selten so groß zu sein. Goggia war angeschla­gen, in Breezy Johnson aus den USA fehlte eine weite­re Favori­tin verlet­zungs­be­dingt. Auch die Form der Deutschen sprach durch­aus für sie: erst der zweite Platz zuletzt beim Weltcup in Zauchen­see, dann die starken Trainings­leis­tun­gen auf der Olympia-Piste. «Aber Training ist Training. Rennen ist Rennen», hatte Weidle noch am Vortag gesagt. Sie sollte Recht behalten.

Schon in der ersten langen Links­kur­ve am Steil­hang von Yanqing, eine der Schlüs­sel­stel­len, ließ die gebür­ti­ge Stutt­gar­te­rin wichti­ge Zeit liegen. «Das habe ich heute nicht gut erwischt. Es hat halt leider nicht perfekt funktio­niert», resümier­te Weidle, die dennoch über die techni­schen Abschnit­te der Strecke hinweg auf Podest­kurs geblie­ben war. Erst nach der letzten Zwischen­zeit vergrö­ßer­te sich der Rückstand schlag­ar­tig. Am Ende betrug er 0,71 Sekun­den auf Suter.

Enormer Druck auf Weidle

Der Druck auf Deutsch­lands beste Abfah­re­rin war wie schon die ganze Saison über immens. Seit WM-Silber vor einem Jahr waren die eigenen Erwar­tun­gen gestie­gen — und die der Fans, Trainer und Sponso­ren. «Alle Augen sind auf mich gerich­tet, denn es gibt niemand anderen im deutschen Team», hatte Weidle ihre One-Woman-Show beschrie­ben. Nicht immer konnte sie diese Erwar­tun­gen erfül­len. Auch beim Saison-Höhepunkt nicht. Wenn auch nur denkbar knapp.

Den Alpinen des Deutschen Skiver­ban­des droht damit wie schon bei den Spielen 2018 in Pyeongchang eine Nullrun­de. Bereits Lena Dürr hatte im Slalom eine Medail­le knapp verpasst. «Ein Stück von mir ist für die Lena heute mitge­fah­ren und dass es dann auch nochmal der vierte Platz wird, ist schon extrem hart», sagte Weidle. Die Hoffnun­gen des DSV ruhen nun vor allem auf Linus Straßer, der im Slalom am Mittwoch zu den Favori­ten zählt.

Von Jordan Raza und Chris­toph Lother, dpa