MÜNCHEN (dpa) — In München beginnt der Ausnah­me­zu­stand. Das Oktober­fest hat nach zwei Jahren Corona-Zwangs­pau­se begon­nen. Millio­nen Gäste aus aller Welt werden erwar­tet — und mehr Corona-Infektionen.

Ozapft is: In München hat nach zwei Jahren Corona-Zwangs­pau­se das Oktober­fest begon­nen. Oberbür­ger­meis­ter Dieter Reiter (SPD) zapfte am Samstag das erste Fass Bier mit drei Schlä­gen an — die Jahre zuvor hatte er nur zwei gebraucht. Die erste Maß reich­te Reiter dem bayeri­schen Minis­ter­prä­si­den­ten Markus Söder (CSU), der tradi­tio­nell in der Anzapf­bo­xe dabei ist. Böller­schüs­se verkün­de­ten den Start des 187. Oktober­fes­tes, Reiter und Söder stießen auf eine fried­li­che Wiesn an.

Schon im Morgen­grau­en hatten Tausen­de Besucher in der Kälte und im Niesel­re­gen vor der Festwie­se ausge­harrt und «vorge­glüht». Als das Gelän­de öffne­te, stürm­ten die Massen in Richtung Bierzel­te. «Es ist das Feeling wie früher», sagte Helga Geier, die gebrann­te Mandeln verkauft. Für Maxi (27), Mirko (31) und Sebas­ti­an (28) hat es gereicht, zwei Stunden vor Anstich im Paula­ner-Zelt zu sein. Sie saßen ganz vorne bei der Band. «Schon cool» sei es, dass die Wiesn nach zwei Jahren Pause wieder stattfinde.

Auch wenn ohne Aufla­gen gefei­ert werden kann — die Corona-Gefahr ist nicht gebannt. Die Behör­den mahnten Besucher, bei Erkäl­tungs­sym­pto­men einen Test zu machen und zum Schutz anderer nicht krank zum Fest zu kommen. Medizi­ner rechnen nach der Wiesn — wie nach anderen Volks­fes­ten — mit einer Corona-Welle.

Lauter­bach ruft zu Vorsicht auf

«Wahrschein­lich wird die Zahl der Infek­tio­nen steigen, das ist die Erfah­rung der bishe­ri­gen Feste», sagte Söder dem «Münch­ner Merkur». «Gleich­zei­tig messen wir aber zum Glück nirgends eine übermä­ßi­ge Belas­tung der Kranken­häu­ser. Das spricht dafür, dass wir bei Corona in einer neuen Phase sind.»

Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ter Karl-Lauter­bach rief zum Auftakt des Oktober­fes­tes zur Vorsicht auf. «Ich möchte kein Spiel­ver­der­ber sein: Aber wer die Wiesn besucht, sollte trotz­dem aufpas­sen. Vorer­krank­ten ist ein Besuch auf jeden Fall abzura­ten. Und alle anderen sollten sich vor einem Zeltbe­such aus Rücksicht auf andere testen lassen», sagte der SPD-Politi­ker am Samstag der Deutschen Presse-Agentur. Dass das Riesen­volks­fest wieder statt­fin­de, sei vertret­bar. «Die Impfbe­reit­schaft, das Verständ­nis für die Maßnah­men, die Vorsicht der Bevöl­ke­rung machen es möglich.»

Sechs Millio­nen Besucher kamen vor der Pande­mie regel­mä­ßig zum wohl größten Volks­fest der Welt. Ob der Andrang auch dieses Jahr so groß sein wird wie früher, ist offen. Manche rechnen mit mehr Gästen — andere eher mit weniger. Beden­ken wegen Corona, aber auch Geldsor­gen könnten der Grund sein. Allein der Preis für die Maß Bier stieg seit 2019 um knapp 16 Prozent. Die Maß kostet nun zwischen 12,60 Euro und 13,80 Euro.

Feiern in Krisenzeiten

Trotz Pande­mie, Infla­ti­on, Ukrai­ne-Krieg, Energie­kri­se und schlech­ten Wetters: Die Feier­lau­ne schien groß. Schon frühmor­gens waren Menschen in Dirndln und Leder­ho­sen Richtung Festge­län­de unter­wegs. Bei Tempe­ra­tu­ren um die neun Grad bilde­ten sich an den noch geschlos­se­nen Eingän­gen zum Festge­län­de lange Schlan­gen. So manch einer stand hier seit 5 Uhr morgens. Hunder­te säumten zudem die Straßen in der Münch­ner Innen­stadt, als am Vormit­tag die Wirte mit festlich geschmück­ten Wagen und Braue­rei­ge­span­nen zum Festge­län­de auf die There­si­en­wie­se fuhren.

Rund 600 Polizis­tin­nen und Polizis­ten sorgen während der zwei Festwo­chen bis zum 3. Oktober für Sicher­heit. Sie werden von unifor­mier­ten Polizei­be­am­ten aus Frank­reich und Itali­en sowie Taschen­dieb-Fahndern aus mehre­ren Ländern unter­stützt. An den Eingän­gen werden die Festgäs­te stich­pro­ben­ar­tig kontrol­liert. Wie in frühe­ren Jahren gilt ein Verbot für größe­re Taschen und Rucksäcke.

Tierwohl-Aktivis­ten protestieren

Bei der Eröff­nung des Oktober­fes­tes haben Tierwohl-Aktivis­ten nach Polizei­an­ga­ben versucht, den Einzug der Wiesn-Wirte in München zu stören. Sieben Menschen wollten sich demnach auf die Straße setzen, auf der die Wirte tradi­tio­nell mit den Braue­rei-Rössern aufs Festge­län­de fahren, sagte eine Polizei­spre­che­rin am Samstag. Die Aktivis­ten seien zur Seite getra­gen und hinter eine Absper­rung gebracht worden. Es habe keine großen Behin­de­run­gen gegeben. Die Gruppe «Animal Rebel­li­on» erklär­te, das «unreflek­tier­te Zelebrie­ren längst überhol­ter Tradi­tio­nen» trage dazu bei, «schäd­li­che Ernäh­rungs­ge­wohn­hei­ten aufrecht zu erhal­ten und die Zerstö­rung und Gewalt dahin­ter zu bagatellisieren».