Tausen­de folgen dem Aufruf von Corona-Leugnern, in Kassel gegen die staat­li­chen Maßnah­men zu demons­trie­ren. Die Polizei kann sie kaum aufhalten.

KASSEL (dpa) — Mehr als 20.000 Menschen haben nach Polizei­schät­zung am Samstag in Kassel gegen die Corona-Eindäm­mungs­maß­nah­men demons­triert. Dabei wurden massiv die gericht­lich bestä­tig­ten Aufla­gen der Stadt missachtet.

Eigen­lich hatte die Stadt nur 6000 Teilneh­mer auf einem Doppel­platz in der Periphe­rie zugelas­sen. Viele Teilneh­mer hielten sich nicht an die Aufla­ge, Mund- und Nasen­schutz zu tragen. Während eines illega­len Demons­tra­ti­ons­zu­ges durch die Innen­stadt kam es am Mittag zu gewalt­tä­ti­gen Ausein­an­der­set­zun­gen mit Gegen­de­mons­tran­ten und mit der Polizei.

Mehre­re Beamte seien angegrif­fen worden, erklär­te ein Polizei­spre­cher. Auch Journa­lis­ten wurden angegan­gen und beschimpft. Die Polizis­ten setzten den Angaben zufol­ge Schlag­stö­cke und Pfeffer­spray ebenso ein wie den Wasser­wer­fer. Mehre­re Menschen seien festge­nom­men worden.

Am Nachmit­tag ging es dann etwas fried­li­cher zu: Die Demons­tran­ten auf dem zentra­len Fried­richs­platz waren bunt gemischt: Famili­en, Querden­ker, Selbst­stän­di­ge, Verschwö­rungs­theo­re­ti­ker, Hippies und Impfgeg­ner. Wer genau zu welchem Lager gehör­te, war nur zu erahnen: Regen­bo­gen-Fahnen wehten neben Flaggen verschie­dens­ter Länder, «Merkel muss weg»-Transparente standen neben «Gegen-Rassismus»-Schildern. So riefen ein paar offen­sicht­li­che Gegen­de­mons­tran­ten «Nazis raus» — und das Lager der Demons­tran­ten stimm­te mit ein. Masken trugen wenige und auch auf den Abstand achte­te kaum jemand.

Die Polizei war nur an wenigen Orten mit Wasser­wer­fern und Einsatz­kräf­ten präsent und setzte offen­bar auf Deeska­la­ti­on. Selten versuch­te sie die Regeln durch­zu­set­zen, bei den nicht geneh­mig­ten Umzügen um den Stadt­kern hielt sie sich zurück, bevor am Nachmit­tag dann viele Demons­tran­ten abwanderten.

Die Polizei schätz­te die Zahl der Teilneh­mer auf rund 20.000 im gesam­ten Innen­stadt­be­reich. An dem vom Hessi­schen Verwal­tungs­ge­richts­hof geneh­mig­ten Kundge­bungs­ort fanden sich zunächst nur wenige Menschen ein. Später waren aber auch dort in etwa die zugelas­se­nen 6000 Teilneh­mer vor Ort, um gegen die Corona-Politik Deutsch­lands zu demonstrieren.

Für Empörung in den sozia­len Medien sorgte ein Video, auf dem zu sehen war, wie Polizis­ten eine Fahrrad­sper­re von Gegen­de­mons­tran­ten abräum­ten. Die Polizei äußer­te sich dazu nicht.

Die Ordnungs­hü­ter waren mit einem Großauf­ge­bot vor Ort. Die hessi­schen Kräfte erhiel­ten Unter­stüt­zung aus Nordrhein-Westfa­len, Thürin­gen und Rhein­land-Pfalz. Auch die Bundes­po­li­zei, Wasser­wer­fer und ein Hubschrau­ber waren im Einsatz. Zu der Demons­tra­ti­on hatten Veran­stal­ter unter dem Motto «Freie Bürger Kassel — Grund­rech­te und Demokra­tie» aufge­ru­fen und bis zu 17.500 Teilneh­mer angekündigt.

Demons­triert werden durfte laut Beschluss des Hessi­schen Verwal­tungs­ge­richts­hofs (VGH) vom Freitag nur auf dem Messe­ge­län­de Schwa­nen­wie­se mit bis zu 5000 Teilneh­mern und dem angren­zen­den Platz der Deutschen Einheit mit maximal 1000 Menschen. Es galten weite­re Aufla­gen wie das Tragen einer medizi­ni­schen Maske als auch ein Mindest­ab­stand von 1,5 Metern zwischen den einzel­nen Teilnehmern.

Die nordhes­si­sche Stadt hatte die Versamm­lun­gen wegen der zuletzt steigen­den Zahl von Corona-Infek­tio­nen zunächst verbo­ten. Es sei außer­dem davon auszu­ge­hen, dass vor allem Mitglie­der der sogenann­ten Querden­ker-Szene kämen, weshalb nach Erfah­run­gen in Kassel und anders­wo nicht auszu­schlie­ßen sei, dass coronabe­ding­te Aufla­gen missach­tet würden, hatte die Stadt argumentiert.