MÜNCHEN (dpa) — Die Weiße Rose ist zum Inbegriff für mutigen Wider­stand gewor­den. Vieles, wofür sie gekämpft haben, ist für viele heute selbst­ver­ständ­lich. Die Geschwis­ter Scholl bezahl­ten ihren Mut mit dem Leben.

Thomas Mann war vom Wider­stand der Weißen Rose gegen das Nazi-Regime beein­druckt. «Brave, herrli­che junge Leute! Ihr sollt nicht umsonst gestor­ben, sollt nicht verges­sen sein», sagte der Litera­tur­no­bel­preis­trä­ger am 27. Juni 1943 im briti­schen Radio­sen­der BBC.

Rund vier Monate zuvor, am 22. Febru­ar, waren die Studen­ten Hans und Sophie Scholl sowie Chris­toph Probst in München hinge­rich­tet worden. Am Mittwoch (22. Febru­ar) jährt sich ihr Tod zum 80. Mal. Ihr Tod war erst der Auftakt. Bis 1945 wurden vier weite­re Mitglie­der der Gruppe ermor­det, viele andere aus dem Umfeld kamen in Haft.

Die Weiße Rose ging aus einem Freun­des­kreis hervor. Hans Scholl und Alexan­der Schmo­rell kannten sich vom Medizin­stu­di­um — und teilten ihre Ableh­nung des NS-Regimes. Auch Gleich­ge­sinn­te wie Willi Graf, Chris­toph Probst, Sophie Scholl und der Musik­wis­sen­schaft­ler und Profes­sor Kurt Huber schlos­sen sich an.

Im Sommer 1942 erschie­nen die ersten Flugblät­ter, die die Schand­ta­ten der Macht­ha­ber anpran­ger­ten. «Wer von uns ahnt das Ausmaß der Schmach, die über uns und unsere Kinder kommen wird, wenn einst der Schlei­er von unseren Augen gefal­len ist und die grauen­volls­ten und jegli­ches Maß überschrei­ten­den Verbre­chen ans Tages­licht treten?», heißt es darin.

Flugblatt, das zum Tag der Abrech­nung aufruft

Insge­samt sechs Flugblät­ter wurden veröf­fent­licht, in denen auch zum Sturz der Natio­nal­so­zia­lis­ten aufge­ru­fen wurde. Auch der Kriegs­wahn, die Unter­drü­ckung oder der Mord an den Juden wurden in den Schrif­ten angepran­gert. «Warum verhält sich das deutsche Volk angesichts all dieser scheuß­lichs­ten menschen­un­wür­digs­ten Verbre­chen so apathisch», heißt es bereits im zweiten Flugblatt von 1942. Die Tatsa­che werde als solche hinge­nom­men. «Und wieder schläft das deutsche Volk in seinem stump­fen, blöden Schlaf weiter und gibt diesen faschis­ti­schen Verbre­chern Mut und Gelegen­heit, weiter­zu­wü­ten — und diese tun es.»

Am 18. Febru­ar 1943 dann ein schick­sal­haf­ter Tag. Gegen 11.00 Uhr legen die Geschwis­ter Scholl in der Ludwig-Maximi­li­ans-Univer­si­tät (LMU) in München das sechs­te Flugblatt aus, das zum Tag der Abrech­nung aufruft: «Im Namen der ganzen deutschen Jugend fordern wir von dem Staat Adolf Hitlers die persön­li­che Freiheit, das kostbars­te Gut des Deutschen zurück, um das er uns in der erbärm­lichs­ten Weise betro­gen hat.» Doch ein Hausmeis­ter beobach­tet die Geschwis­ter und schlägt Alarm — wenig später werden beide festge­nom­men, zwei Tage später auch Chris­toph Probst.

Nur vier Tage später am 22. Febru­ar fällt der Präsi­dent des Volks­ge­richts­hofs Roland Freis­ler sein Urteil, das der Henker Johann Reich­hart wenig später auch vollstreckt. «Es lebe die Freiheit», ruft Hans Scholl, bevor er im Gefäng­nis Stadel­heim den Kopf unter das Fallbeil legt. Seine Schwes­ter Sophie und Probst sterben auf die gleiche Art.

Auch Willi Graf, Alexan­der Schmo­rell und Kurt Huber wurden später ermor­det, ebenso wie Hans Leipelt. Er hatte mit einer Freun­din nach dem Tod von Probst und der Geschwis­ter Scholl das verhäng­nis­vol­le sechs­te Flugblatt mehrfach abgetippt, verse­hen mit dem Hinweis: «und ihr Geist lebt trotz­dem weiter!».

In der Tat ist die Erinne­rung an die Weiße Rose bis heute leben­dig — und gilt vielen gar als Symbol für den deutschen Wider­stand gegen die Nazis. Doch was ist ihr Vermächt­nis? Für den Sprach­wis­sen­schaft­ler Wolfgang Huber ist es vor allem ein Umstand: «Dass die ganze Justiz von einem einzi­gen Gedan­ken durch­drun­gen ist, nämlich der Würde des Menschen». Sein Vater war jener Profes­sor Kurt Huber, der wegen seines Engage­ments hinge­rich­tet wurde. So hätte sich sein Vater das ungefähr vorge­stellt, glaubt Huber. «Jedes Recht wird plötz­lich Unrecht in unserer Verfas­sung, wenn es gegen die Menschen­wür­de geht.»

Ähnlich formu­lier­te es Bundes­prä­si­dent Frank-Walter Stein­mei­er in seiner Gedächt­nis­vor­le­sung Anfang Febru­ar an der LMU, wo eine Denkstät­te über das Wirken der Weißen Rose aufklärt. «Frieden, Freiheit, die Würde jedes Menschen und die Verant­wor­tung jedes Einzel­nen — diese Werte leite­ten die Weiße Rose», würdig­te Stein­mei­er. Sie sind heute das Funda­ment unserer freiheit­li­chen Demokratie.»

Von Cordu­la Dieck­mann, dpa