CHEQUERS/WINDSOR (dpa) — Für Merkel dürfte es der letzte Besuch als Bundes­kanz­le­rin bei der Queen sein. Doch bevor sie sich mit Eliza­beth II. trifft, gibt es noch ein paar harte Nüsse mit Premier­mi­nis­ter Johnson zu knacken.

Für die briti­sche Königin Eliza­beth II. hat Angela Merkel die größte Hochach­tung. Das wurde spätes­tens beim G7-Gipfel in Cornwall im Juni klar, als die Kanzle­rin von einer Begeg­nung mit «Her Majes­ty» schwärmte.

Nicht ganz so groß dürfte ihre Bewun­de­rung für den Brexit-Vorkämp­fer und Premier­mi­nis­ter Boris Johnson sein. Mit beiden trifft sich Merkel heute bei einer Reise nach Großbri­tan­ni­en. Mit Johnson gibt es einige konflikt­rei­che Themen zu besprechen.

Beklem­men­de Szenen in Fußballstadien

Erwar­tet wurde, dass die Zuschau­er-Regelun­gen bei den Final­spie­len der Fußball-Europa­meis­ter­schaft in London bei dem Gespräch eine Rolle spielen werden. Merkel hatte sich wegen der in dem Land grassie­ren­den Delta-Varian­te des Corona­vi­rus bereits kritisch dazu geäußert, dass London hohe Zuschau­er­zah­len erlaubt. Die Halbfi­nal­spie­le und das Finale der EM sollen in London ausge­tra­gen werden, dabei sollen jeweils mehr als 60.000 Fans ins Wembley-Stadi­on gelas­sen werden. Was die Folge sein kann, zeigte sich nach dem Spiel Englands gegen Schott­land in der Vorrun­de: Knapp 400 schot­ti­sche Fans wurden nach dem Stadi­on­be­such in London positiv getes­tet. Insge­samt lag die Zahl der infizier­ten Schott­land-Fans, die mit oder ohne Tickets mitge­reist waren, nach dem Spiel bei 1294.

Ärger um Reisebeschränkungen

In Großbri­tan­ni­en sorgte hinge­gen für Verstim­mung, dass sich die Kanzle­rin inner­halb der EU für schär­fe­re Einrei­se­re­geln aus Großbri­tan­ni­en stark machte. In Deutsch­land gilt ein Beför­de­rungs- und Einrei­se­ver­bot aus dem Virus­va­ri­an­ten­ge­biet Großbri­tan­ni­en. Ausge­nom­men ist, wer einen Wohnsitz in Deutsch­land oder die deutsche Staats­bür­ger­schaft hat. Trotz­dem steht dann aber eine 14-tägige Quaran­tä­ne an. In andere EU-Länder können Briten hinge­gen weit einfa­cher einrei­sen. Merkel setzte sich für eine europa­wei­te Regelung ein, schei­ter­te damit aber bislang. Inzwi­schen gibt es Anzei­chen, dass Deutsch­land die Einstu­fung Großbri­tan­ni­ens auch bald wieder zurück­neh­men könnte — die Ausbrei­tung der Delta-Varian­te schrei­tet auch in der Bundes­re­pu­blik immer weiter voran. Abschot­tung macht daher immer weniger Sinn.

Außen- und Sicherheitspolitik

Erst kürzlich einig­ten sich Berlin und London zu einer engeren Abstim­mung bei Außen- und Sicher­heits­the­men. Die Briten wollen sogar Deutsch­lands Wunsch nach einem ständi­gen Sitz im UN-Sicher­heits­rat unter­stüt­zen. Doch was auf bilate­ra­ler Ebene gut zu funktio­nie­ren scheint, ist im Zusam­men­spiel mit der EU immer noch holpe­rig. David McAllis­ter (CDU), Vorsit­zen­der des Auswär­ti­gen Ausschus­ses im Europäi­schen Parla­ment, forder­te im Gespräch mit der «Heilbron­ner Stimme» auch auf EU-Ebene insti­tu­tio­nel­le Partner­schafts­struk­tu­ren beim Thema Außen­po­li­tik und Sicher­heit. Dagegen habe sich London bislang gesperrt, sagte der Europapolitiker.

Dauer­the­ma Nordirland

Aus dem Feld der Brexit-Themen ist auch weiter­hin Nordir­land ein wunder Punkt. London und Brüssel konnten zwar kürzlich eine Eskala­ti­on im sogenann­ten Würst­chen­krieg um Einfuhr­re­geln für gekühl­te Fleisch­pro­duk­te nach Nordir­land abwen­den, doch eine dauer­haf­te Lösung scheint noch in weiter Ferne. Hinter­grund ist, dass die briti­sche Provinz laut Brexit-Abkom­men de facto den Regeln des EU-Binnen­markts folgt. Damit sollen Waren­kon­trol­len an der Grenze zum EU-Mitglied Irland verhin­dert werden. Notwen­dig werden dadurch jedoch Checks, wenn Waren von England, Schott­land oder Wales nach Nordir­land gebracht werden. Das sorgt für Schwie­rig­kei­ten im inner­bri­ti­schen Handel, für die sich beide Seiten gegen­sei­tig verant­wort­lich machen.

Ein weite­res Thema könnte der Klima­wan­del sein. Als Gastge­ber der UN-Klima­kon­fe­renz COP26 im Novem­ber im schot­ti­schen Glasgow ist Johnson bemüht, als treiben­de Kraft hinter den Bemühun­gen zum Klima­schutz dazuste­hen. Mit Angela Merkel dürfte er sich damit weitge­hend einig sein.

Zwei Mal hat die Queen Merkel bereits empfan­gen — in den Jahren 2008 und 2014. Ein Jahr später war die Königin dann zu Besuch in Berlin. Die Reise am Freitag dürfte Merkels Abschieds­be­such als Kanzle­rin in Großbri­tan­ni­en sein — nach 16 Jahren im Amt tritt sie bei der Bundes­tags­wahl im Septem­ber nicht wieder an.

In Quaran­tä­ne müssen sie und ihre Delega­ti­on übrigens bei ihrer Rückkehr nicht: Die deutschen Corona­vi­rus-Einrei­se-Verord­nung sieht unter Paragraf 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 der Verord­nung eine Ausnah­me vor für Perso­nen, die «als Teil von offizi­el­len Delega­tio­nen über das Regie­rungs­ter­mi­nal des Flugha­fens Berlin Branden­burg (…) nach Deutsch­land zurück­rei­sen und sich weniger als 72 Stunden in einem Risiko­ge­biet aufge­hal­ten haben».

Von Jörg Blank und Chris­toph Meyer, dpa