KUALA LUMPUR (dpa) — Das Verschwin­den von Malay­si­an-Airlines-Flug 370 ist eines der größten Rätsel der Luftfahrt­ge­schich­te. Auch wenn die Suche beendet ist, bauen Exper­ten Puzzle­tei­le zusam­men — und es gibt neue Theorien.

Fast 3000 Tage sind vergan­gen, seit Flug MH370 auf dem Weg von Malay­sia nach China mitten in der Nacht plötz­lich von den Radar­schir­men verschwand. Acht Jahre mit wilden Speku­la­tio­nen, indes ohne konkre­te Antworten.

Angehö­ri­ge und Freun­de der 239 Menschen an Bord warten weiter darauf, Klarheit über dieses düste­re Kapitel der Luftfahrt­ge­schich­te zu erhal­ten und Abschied von ihren Lieben zu nehmen. Bislang vergeb­lich. Vor dem Jahres­tag am Diens­tag gibt es immer­hin neue Thesen. Die Theorien, die in einem Buch und einem kürzlich von Sky News Austra­lia ausge­strahl­ten Dokumen­tar­film aufge­stellt werden, haben eines gemein: Sie sind verstörend.

Ein Rückblick

Die Boeing 777 der Malay­si­an Airlines ist unter­wegs von Kuala Lumpur nach Peking. Am 8. März 2014, um 1.21 Uhr, verschwin­det sie von den Radar­schir­men. Warum, das bleibt ein Rätsel. Die letzten Worte vom erfah­re­nen Kapitän Zaharie Ahmad Shah aus dem Cockpit: «Good night, Malay­si­an Three Seven Zero.» Sieben Stunden lang empfängt ein Satel­lit dann noch sogenann­te Ping-Signa­le von der Maschi­ne. Etwa solan­ge dauert es, bis der Tank leer gewesen wäre.

An Küsten entlang des Indischen Ozeans werden später einige Trümmer­tei­le des Flugzeugs angeschwemmt. Vom Rumpf des Flugzeugs, den Insas­sen und dem Flugre­kor­der fehlt aber jede Spur. Malay­sia, China und Austra­li­en starten eine zwei Jahre lange Unter­was­ser­su­che, die im Januar 2017 ergeb­nis­los abgebro­chen wird. Eine Suchak­ti­on der US-Firma «Ocean Infini­ty» bringt ebenfalls keine Ergeb­nis­se. Vermu­tet wird aber weiter­hin, dass die Boeing ins Meer gestürzt ist und jetzt irgend­wo in großer Tiefe auf Grund liegt.

Diver­se Theorien

Im Inter­net kursie­ren seit Jahren die verschie­dens­ten Erklär­ver­su­che für das Myste­ri­um MH370. Speku­liert wird etwa über eine Entfüh­rung, den Suizid eines Piloten, einen Brand mit gifti­gen Gasen an Bord, der alle bewusst­los machte. Hartnä­ckig hält sich auch das Gerücht, die Maschi­ne könne absicht­lich oder aus Verse­hen von Militärs abgeschos­sen worden sein. Belege in allen Fällen: Fehlanzeige.

Ein Buch der franzö­si­schen Journa­lis­tin Florence de Changy bringt nun das US-Militär und ein Spiona­ge­ge­rät ins Spiel. Im Januar erschien ihr fesseln­der Bericht «Verschwun­den — Was geschah wirklich mit Flug MH370?» bei Ullstein auch auf Deutsch. Für die Recher­chen reiste die Asien-Pazifik-Korre­spon­den­tin der Zeitung «Le Monde» nach China und auf die Maledi­ven und sprach unter anderem mit Angehö­ri­gen, Augen­zeu­gen und diplo­ma­ti­schen Kreisen in Malay­sia und den USA.

Ihr Fazit: Eine dritte Partei könnte inter­ve­niert haben — wegen mögli­cher hochwer­ti­ger Spiona­ge­tech­nik ameri­ka­ni­schen Ursprungs in der Fracht der Maschi­ne. «Ein Gerät, das die Chine­sen dringend in ihren Besitz bringen wollten», schreibt sie. Als die USA den Diebstahl bemerkt hätten und heraus­fan­den, dass das wertvol­le Gerät schon auf dem Weg nach Peking war, hätten sie rot gesehen.

Das US-Militär habe die Maschi­ne mögli­cher­wei­se mit Abfang­jä­gern beglei­tet und schließ­lich abgeschos­sen, lautet die Schluss­fol­ge­rung der Autorin. Vermut­lich sei sie nördlich von Vietnam ins Meer gestürzt. Ob es sich dabei um einen «groben Fehler» gehan­delt habe oder einen «letzten verzwei­fel­ten Versuch, zu verhin­dern, dass das Flugzeug und seine beson­de­re Fracht den Chine­sen in die Hände fielen», bleibe offen. Aber auch einen Abschuss durch China «in dieser hochsen­si­blen Region» schlie­ße sie nicht aus.

Dokumen­tar­film

In Austra­li­en wurde derweil Ende Januar der neue Dokumen­tar­film «MH370: The Final Search» von Sky-News-Modera­tor und Inves­ti­ga­tiv-Journa­list Peter Stefa­no­vic präsen­tiert. Darin sagen Luftfahrt­ex­per­ten, dass eine 22-minüti­ge kreis­för­mi­ge Schlei­fe in der Flugbahn der Boeing, die im vergan­ge­nen Jahr entdeckt wurde, der Schlüs­sel zur Lösung des Rätsels sein könnte.

Es habe keinen Grund für Kapitän Shah gegeben, vor der Küste von Sumatra zu kreisen — es sei denn, es habe in dieser Zeit «mögli­che Verhand­lun­gen» zwischen ihm und jemand anderem gegeben, sagt der Luftfahrt­au­tor und ehema­li­ge Pilot Mike Glynn in der Doku. «Meine Theorie war immer, dass der Kapitän verant­wort­lich ist.» Glynn glaubt, dass der Pilot aus Wut über eine Verur­tei­lung des malay­si­schen Opposi­ti­ons­füh­rers Anwar Ibrahim am Tag zuvor, mit dem er entfernt verwandt gewesen sein soll, den Crash verur­sacht haben könnte. Andere Exper­ten stellen dieses Motiv jedoch in Frage.

Peter Stefa­no­vic ist derweil überzeugt, dass dank der neuen Erkennt­nis­se und moder­ner Techno­lo­gien der Suchbe­reich auf wenige Hundert Quadrat­ki­lo­me­ter Ozean einge­grenzt werden kann. «Glauben Sie, dass MH370 jemals gefun­den wird?», fragt ein Modera­tor von Sky News Austra­lia Stefa­no­vic in einem Inter­view. «Ich glaube schon», antwor­tet er. «Aber was es dafür braucht sind Geld, Inter­es­se und den Willen der malay­si­schen Regie­rung.» Diese habe immer betont, wenn es «neue und glaub­haf­te Infor­ma­tio­nen» gebe, werde sie die Suche wieder aufneh­men. Stefa­no­vic meint, dass dieser Punkt nun gekom­men ist.

Von Carola Frent­zen, dpa