BERLIN (dpa) — Es ist ein gigan­ti­sches neues Hilfs­pa­ket — der Kanzler nennt die staat­li­che Stützung der Energie­ver­sor­gung und die vorge­se­he­nen Preis­brem­sen einen «Doppel­wumms».

Es ist ein gigan­ti­sches neues Hilfs­pa­ket: Bis zu 200 Milli­ar­den Euro will die Bundes­re­gie­rung ausge­ben, um Verbrau­cher und Unter­neh­men vor hohen Energie­prei­sen wegen des Ukrai­ne-Kriegs zu schüt­zen. Die Preise für Gas und Strom sollen gedeckelt werden, die umstrit­te­ne Gasum­la­ge für alle Gaskun­den ist vom Tisch.

Die angeschla­ge­nen Gaslie­fe­ran­ten sollen statt­des­sen mit anderen Mitteln geret­tet werden. Kanzler Olaf Scholz sprach von einem «Doppel­wumms» — und erinner­te damit an die Staats­hil­fen in der Corona-Krise, die damals mit «Wumms» aus der Krise führen sollten.

«Die Preise müssen runter», beton­te der SPD-Politi­ker, der bei der Presse­kon­fe­renz wegen einer Corona-Infek­ti­on per Video aus seiner Dienst­woh­nung im Kanzler­amt zugeschal­tet war. Dafür werde die Bundes­re­gie­rung alles tun. Das gewal­ti­ge Paket solle dazu beitra­gen, dass Rentne­rin­nen und Rentner, Famili­en, Handwerks­be­trie­be und Indus­trie die hohen Rechnun­gen bezah­len könnten. Es gehe darum, als «starke und robus­te Volks­wirt­schaft diese Zeit zu bestehen», sagte Wirtschafts­mi­nis­ter Robert Habeck. Mit den 200 Milli­ar­den solle der «Angriff von Russland, von Putins Regime, auf unsere Volks­wirt­schaft» abgewehrt werden.

Finanz­mi­nis­ter Chris­ti­an Lindner sprach von einem «Energie­krieg um Wohlstand und Freiheit». Scholz stell­te klar, dass er spätes­tens seit den Beschä­di­gun­gen an den Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee auf abseh­ba­re Zeit kein Gas aus Russland mehr erwarte.

Damit die Preise nun nicht völlig hemmungs­los steigen, sind folgen­de Maßnah­men geplant — viele Details sind aller­dings noch offen:

Gaspreis­brem­se einführen

Mindes­tens für einen Teil des Verbrauchs sollen die Gasprei­se so gedeckelt werden, dass priva­te Haushal­te und Unter­neh­men nicht überfor­dert sind. Was das genau bedeu­tet, ist aber noch völlig offen. Eine Kommis­si­on soll bis Mitte Oktober Vorschlä­ge machen.

Der Bundes­re­gie­rung ist wichtig, dass trotz­dem ein Anreiz zum Gasspa­ren bleibt. Die Wirtschafts­wei­se Veroni­ka Grimm, die die Kommis­si­on leitet, sagte der «FAZ»: «Anrei­ze, Gas zu sparen, müssen obers­te Priori­tät haben. Wenn eine Gasman­gel­la­ge eintritt, dann haben alle verlo­ren, ob mit oder ohne Gaspreis­brem­se.» Auch die Verbrau­cher­zen­tra­len riefen dazu auf, ungeach­tet der Preis­brem­se Gas zu sparen.

Strom­prei­se begrenzen

Auch der Strom­preis für einen bestimm­ten Basis­ver­brauch soll gedeckelt werden — Details sind auch hier noch offen. Fest steht nur, dass dieser Preis­de­ckel über eine Abschöp­fung hoher Gewin­ne von Strom­kon­zer­nen bezahlt werden soll. Denn Anbie­ter von Ökostrom zum Beispiel können wegen der hohen Gasprei­se derzeit auch für ihren Strom ungewöhn­lich viel Geld verlan­gen. Bis das System funktio­niert, soll das staat­li­che Hilfs­pa­ket einspringen.

Gasum­la­ge kippen — Gasim­por­teu­re anders retten

Die umstrit­te­ne Gasum­la­ge von 2,4 Cent pro Kilowatt­stun­de für alle Gaskun­den wird laut Scholz nicht mehr gebraucht. Die Verord­nung wird zurück­ge­zo­gen, bereits gezahl­tes Geld soll laut Habeck zurück­ge­zahlt werden.

Eigent­lich sollte die Umlage dazu dienen, angeschla­ge­ne Gasim­por­teu­re zu stützen, die bisher mit billi­gem Gas aus Russland kalku­liert haben. Diese sollen nun auf Staats­kos­ten stabi­li­siert werden. Für die beson­ders betrof­fe­nen Unter­neh­men Sefe, Uniper und VNG sollen «maßge­schnei­der­te Lösun­gen» entwi­ckelt werden.

«Wir werden die Unter­neh­men, da geht es vor allem um drei, direkt unter­stüt­zen, so dass das nicht zu einer Mehrbe­las­tung der Verbrau­che­rin­nen und Verbrau­cher und vieler anderer Unter­neh­men führt, aber diese Unter­neh­men trotz­dem wirtschaft­lich durch diese Situa­ti­on kommen können und ihre Aufga­be für die Gasver­sor­gung Deutsch­lands auch weiter wahrneh­men können», sagte Scholz.

Mehrwert­steu­er auf Gas und Fernwär­me reduzieren

Dabei bleibt es trotz des Wegfalls der Gasum­la­ge: Die Mehrwert­steu­er auf die Liefe­rung von Gas soll wie geplant vom 1. Oktober an von 19 auf 7 Prozent reduziert werden. Gleiches solle auch für Fernwär­me gelten, sagte Habeck. Die Maßnah­me soll bis zum 31. März 2024 gelten. Die Finanz­mit­tel dafür sind nicht in dem bis zu 200 Milli­ar­den Euro schwe­ren Abwehr­schirm enthal­ten, sondern werden zusätz­lich aus dem norma­len Haushalt gestemmt. Am Freitag soll der Bundes­tag über die tempo­rä­re Steuer­sen­kung entscheiden.

Unter­neh­men helfen

Für Firmen, die nicht ausrei­chend von den Strom- und Gaspreis­de­ckeln profi­tie­ren, soll es Liqui­di­täts- und Eigen­ka­pi­tal­hil­fen geben. Diese sollen zielge­rich­tet darauf ausge­rich­tet werden, wie groß die durch den russi­schen Krieg in der Ukrai­ne verur­sach­te Notla­ge ist, um Mitnah­me­ef­fek­te auszuschließen.

Finan­zie­rung über Sondervermögen

Die 200 Milli­ar­den Euro sollen nicht aus dem regulä­ren Bundes­haus­halt kommen, sondern aus dem sogenann­ten Wirtschafts­sta­bi­li­sie­rungs­fonds (WSF). Dieses Sonder­ver­mö­gen war in der Corona-Krise zur Rettung größe­rer Unter­neh­men gebil­det worden und wird nun wiederbelebt.

Der Bund will es «mit zusätz­li­chen Kredit­er­mäch­ti­gun­gen» in Höhe von 200 Milli­ar­den Euro füttern. Dafür muss der Bundes­tag erneut eine Ausnah­me der Schul­den­brem­se beschlie­ßen. Auch wenn das Geld über die nächs­ten Jahre peu a peu abflie­ßen wird, soll es noch in diesem Jahr bereit­ge­stellt werden. So muss Lindner sein Verspre­chen nicht brechen, im kommen­den Jahr die Schul­den­brem­se wieder einzuhalten.

Der Finanz­mi­nis­ter beton­te, Krisen­aus­ga­ben würden so auch klar von der regulä­ren Haushalts­füh­rung getrennt. Das sende das Signal an die Kapital­märk­te, das Deutsch­land an seiner stabi­li­täts­ori­en­tier­ten Finanz­po­li­tik festhal­te. Außer­dem sei das Paket auch eine «Art Infla­ti­ons­brem­se», indem die Preis­ent­wick­lung gedämpft und das Angebot ausge­baut werde.

Lindner rief die opposi­tio­nel­le Union auf, das milli­ar­den­schwe­re Paket zu unter­stüt­zen. «In einer solchen Situa­ti­on, wie wir sie jetzt haben, erwar­te ich auch, dass die CDU/C­SU-Bundes­tags­frak­ti­on im Prinzip dem Vorge­hen zustimmt», sagte er. Unions­frak­ti­ons­chef Fried­rich Merz zeigte sich kritisch: «Wir haben jetzt ein Preis­schild», sagte er. Man wisse aber nicht, welches Instru­ment damit angeschafft werden solle. Es sei nicht nachzu­voll­zie­hen, wie der Bedarf von 200 Milli­ar­den Euro ermit­telt worden sei. Völlig offen bleibe, wie die Gas- und Strom­preis­brem­se gestal­tet werden solle.

Von There­sa Münch, Helge Toben, Basil Wegener und Sascha Meyer, dpa