Seit Tausen­den Jahren überque­ren Menschen den Boden­see. Mit Flößen und Holzboo­ten, in Galee­ren und Yachten. Und spätes­tens in der Bronze­zeit auch mit Einbäu­men. Ein Relikt wird nun gebor­gen. Forscher erhof­fen sich nicht nur Kennt­nis­se über die Geschich­te des Ur-Bootes.

KONSTANZ (dpa) — Bei einer Tour mit seinem Stand-up-Paddle-Brett hat ein Mann das bislang ältes­te Boot am Boden­see entdeckt. Rund zweiein­halb Jahre nach dem spekta­ku­lä­ren Fund des mehr als 4500 Jahre alten Einbaums am Seerhein, einem Zufluss des Rheins, wird das prähis­to­ri­sche hölzer­ne Relikt in den kommen­den Wochen gebor­gen. Forscher erhof­fen sich dadurch neue Erkennt­nis­se über die Geschich­te des Ur-Bootes aus der Nähe von Konstanz und vielleicht sogar des Lebens am Gewäs­ser in der Stein­zeit und frühen Bronze­zeit. «Mit dem Einbaum haben wir Gewiss­heit: Die Menschen waren hier. Und sie haben den Boden­see als Wasser­stra­ße und Fische­rei­ge­wäs­ser genutzt», sagte die Unter­was­ser­ar­chäo­lo­gin Julia Goldham­mer am Mittwoch der dpa.

Einbäu­me gehören zu den ältes­ten Wasser­fahr­zeu­gen der Mensch­heit. Sie wurden vor allem an Seeufer­sied­lun­gen genutzt. Der mehr als acht Meter lange Einbaum vom Seerhein stammt nach den Schät­zun­gen der Exper­ten aus der Zeit des 24. bis 23. Jahrhun­derts vor Chris­tus. Aus der enden­den Stein­zeit und dem Beginn der Bronze­zeit sind nach Angaben Goldham­mers aber keine prähis­to­ri­schen Boden­see-Siedlun­gen bekannt, die einst auf Pfählen im Flach­was­ser standen.

Das auch als Ur-Boot bekann­te Relikt vergan­ge­ner Zeiten wird nun vorsich­tig gebor­gen und vom Landes­amt für Denkmal­pfle­ge in jahre­lan­ger Feinar­beit restau­riert und konser­viert. Der Bug des Seerhei­ner Einbaums ist nicht mehr vorhan­den. Sein Rumpf aus Linde ist 8,56 Meter lang und bis zu 81 Zenti­me­ter breit. «Der Einbaum ist damit eines der am vollstän­digs­ten erhal­te­nen prähis­to­ri­schen Wasser­fahr­zeu­ge überhaupt», teilte das baden-württem­ber­gi­sche Wirtschafts­mi­nis­te­ri­um mit. Es sei aber ein Rätsel, warum er an dieser Stelle im See versun­ken sei, sagte Staats­se­kre­tä­rin Katrin Schütz (CDU).

Ebenfalls vor drei Jahren war vor Wasser­burg im bayeri­schen Teil des Boden­sees bereits ein Einbaum aus Eiche gefun­den und gebor­gen worden. Während dieser am Stück aus dem Wasser geholt wurde, ist das laut Minis­te­ri­um am Seerhein nicht möglich. «Das Holz ist hierfür zu fragil und zu weich», sagte der Stutt­gar­ter Regie­rungs­prä­si­dent Wolfgang Reimer (Grüne). Die Unter­was­ser­ar­chäo­lo­gen gehen daher sorgfäl­tig unter anderem mit kleinen Schau­feln vor. «Sie müssen sich das vorstel­len wie einen feuch­ten Butter­keks, der trock­net», sagte Goldham­mer, die als Feucht­bo­den­ar­chäo­lo­gin in Gaien­ho­fen-Hemmen­ho­fen (Kreis Konstanz) forscht. «Der wird dann ganz zerbrechlich.»

Die wie Wannen ausge­höhl­ten Einbäu­me wurden in der Prähis­to­rie vor allem für den Waren­trans­port, zum Fischen und als Fortbe­we­gungs­mit­tel genutzt. «Mit einem Einbaum kam man schnell und unkom­pli­ziert über weite Strecken», erklärt Goldham­mer. «Es gab damals viel mehr Wald und Moor, zudem keine Straßen, da bot sich das Wasser an.»

Goldham­mer und auch ihr Kolle­ge Heiner Schwarz­berg von der Archäo­lo­gi­schen Staats­samm­lung Bayerns gehen von zahlrei­chen weite­ren Einbäu­men im Boden­see aus. «Natür­lich müssen da weite­re Einbäu­me sein, es gab ja Dutzen­de Pfahl­sied­lun­gen», sagt Schwarz­berg. Viele Exempla­re im flachen Uferbe­reich könnten durch Frost oder die Schwan­kun­gen des Seepe­gels bereits zerstört sein. Die Chancen für Funde sind dennoch gut. «Sie werden im Schlick und unter Luftab­schluss konser­viert wie Moorlei­chen», sagt Schwarz­berg, der den Wasser­bur­ger Einbaum unter­sucht. «Deshalb ist der Boden­see auch ideal für Funde, denn dort zerfällt es nicht so schnell.»

Auch aus diesem Grund ist der Boden­see bei Archäo­lo­gen ein sehr geschätz­ter Forschungs­ort. Es sind dort Überres­te von mehr als 70 Pfahl­dör­fern im Wasser und im Moor bekannt, die Jäger und Fischer der Stein- und Bronze­zeit am Gewäs­ser errich­tet hatten. Mehr als 110 Fundstät­ten gehören zum Welterbe der Unesco.