SCHARM EL SCHEICH (dpa) — Seit drei Jahrzehn­ten fordern ärmere Staaten Geld für Klima­schä­den. Nun hat die Weltge­mein­schaft einen Topf dafür beschlos­sen. Beim Eindäm­men der Klima­kri­se gibt es jedoch viel Frust.

Es ist ein Durch­bruch nach jahrzehn­te­lan­gen Debat­ten: Die Weltkli­ma­kon­fe­renz hat sich erstmals auf einen gemein­sa­men Geldtopf zum Ausgleich von Klima­schä­den in ärmeren Ländern geeinigt.

In ihrer Abschluss­erklä­rung bekräf­tig­ten die rund 200 Staaten am frühen Sonntag­mor­gen außer­dem ihre frühe­re Entschei­dung, schritt­wei­se aus der Kohle auszu­stei­gen. Ein Abschied von Öl und Gas wird aber nicht erwähnt. Damit bleibt die Erklä­rung hinter den Forde­run­gen vieler Staaten, Klima­ak­ti­vis­ten und Exper­ten zurück, die ein Ende der Abhän­gig­keit von schmut­zi­gen Energie­trä­gern als zwingend betrachten.

Der neue Ausgleichs­fonds soll unabwend­ba­re Folgen der Erder­hit­zung abfedern — etwa immer häufi­ge­re Dürren, Überschwem­mun­gen und Stürme, aber auch der steigen­de Meeres­spie­gel und Wüsten­bil­dung. Die Frage hatte sich als größter Streit­punkt durch die zweiwö­chi­ge Konfe­renz in Scharm el Scheich gezogen, die um mehr als 36 Stunden verlän­gert wurde.

In dem Beschluss werden keine Summen für den neuen Fonds genannt und auch nicht, wer genau einzah­len soll. Dies soll später geklärt werden. Begüns­tigt werden sollen Entwick­lungs­län­der, die beson­ders gefähr­det sind.

Klima­schutz­plä­ne müssen bis Ende 2023 nachge­bes­sert werden

In der Abschluss­erklä­rung werden die Staaten außer­dem aufge­for­dert, ihre größten­teils unzuläng­li­chen Klima­schutz­plä­ne bis spätes­tens zur nächs­ten Klima­kon­fe­renz nachzu­bes­sern. Diese findet Ende 2023 in den Verei­nig­ten Arabi­schen Emira­ten statt. Die Nachbes­se­run­gen bleiben freiwil­lig, eine Verpflich­tung gibt es nicht.

Die Konfe­renz, zu der etwa 34.000 Teilneh­mer ans Rote Meer gereist sind, war am Freitag­abend in die Verlän­ge­rung gegan­gen. In der Nacht zum Samstag war nach schlep­pen­den und teils chaoti­schen Abläu­fen in Verhand­lungs­krei­sen Beunru­hi­gung ausge­bro­chen. Nach zähen Beratun­gen folgte am frühen Sonntag­mor­gen schließ­lich der Durchbruch.

Die USA hatten den neuen Ausgleichs­fonds zunächst blockiert, während die als G77 bekann­te Gruppe aus mehr als 130 Entwick­lungs­län­dern zusam­men mit China Druck aufbau­te. Die Europäi­sche Union schwenk­te nach anfäng­li­cher Zurück­hal­tung schließ­lich um.

Baerbock: «Neues Kapitel in der Klimapolitik»

UN-General­se­kre­tär António Guter­res nannte den neuen Fonds für Klima­schä­den einen wichti­gen Schritt in Richtung Gerech­tig­keit. «Sicher­lich ist das nicht ausrei­chend, aber es ist eine dringend notwen­di­ges Signal, um verlo­ren gegan­ge­nes Vertrau­en wieder aufzu­bau­en.» Außen­mi­nis­te­rin Annale­na Baerbock (Grüne) erklär­te: «Damit schla­gen wir ein neues Kapitel in der Klima­po­li­tik auf.»

Umstrit­ten bei dem Thema ist unter anderem die Rolle Chinas. Das Land, das beim Ausstoß klima­schäd­li­cher Emissio­nen den ersten Platz belegt, will im inter­na­tio­na­len Klima­schutz weiter als Entwick­lungs­land behan­delt werden. So wurde es vor 30 Jahren im Kyoto-Proto­koll festge­legt. Westli­che Staaten wollen das Land wegen seiner Wirtschafts­kraft und der Rolle als größter Verur­sa­cher von Treib­haus­ga­sen aber nicht länger als Empfän­ger­land einstu­fen. Chinas Unter­händ­ler Xie Zhenhua sagte, Entwick­lungs­län­der sollten das Geld erhal­ten, räumte «verletz­li­chen Staaten» aber Vorrang ein.

Kritik an Eindäm­mung der Erderwärmung

Bei der drängen­den Eindäm­mung der Erder­wär­mung stellen Umwelt­or­ga­ni­sa­tio­nen der Konfe­renz ein ungenü­gen­des Zeugnis aus. Das «depri­mie­ren­de Ergeb­nis» gehe darin nicht über die Klima­kon­fe­renz im vergan­ge­nen Jahr hinaus, kriti­sier­te Klima-Exper­te Jan Kowal­zig von Oxfam. Es sei nicht einmal gelun­gen, einen klaren Fokus auf den Ausbau erneu­er­ba­rer Energien zu legen — was insbe­son­de­re am Wider­stand Saudi-Arabi­ens gelegen habe.

Baerbock beklag­te: «Dass aufgrund der Blocka­de von einigen großen Emitten­ten und ölpro­du­zie­ren­den Staaten überfäl­li­ge Schrit­te zur Minde­rung und zum Ausstieg aus fossi­len Energien verhin­dert wurden, ist mehr als frustrie­rend.» Auch EU-Vizekom­mis­sar Frans Timmer­mans kriti­sier­te die Abschluss­erklä­rung sei «nicht genug als Schritt voran für die Menschen und den Planeten».

2015 hatte die Weltge­mein­schaft in Paris verein­bart, die Erwär­mung möglichst auf 1,5 Grad zu begren­zen, im Vergleich zur vorin­dus­tri­el­len Zeit. Die Welt hat sich nun schon um gut 1,1 Grad erwärmt, Deutsch­land noch stärker. Ein Überschrei­ten der 1,5‑Grad-Marke erhöht nach Warnun­gen der Wissen­schaft deutlich das Risiko, sogenann­te Kippele­men­te im Klima­sys­tem und damit unkon­trol­lier­ba­re Ketten­re­ak­tio­nen auszulösen.

Der geschäfts­füh­ren­de Vorstand von Green­peace Deutsch­land, Martin Kaiser, lobte den Beschluss zu Ausgleichs­zah­lun­gen, mahnte aber an: «Nun müssen die Verur­sa­cher der Klima­kri­se zu ihrer Verant­wor­tung stehen und den neuen Hilfs­topf ordent­lich befül­len.» Gerächt habe sich aller­dings, dass die Indus­trie­staa­ten den Entwick­lungs­län­dern seit Jahren die zusag­ten Hilfs­zah­lun­gen schul­dig geblie­ben sind.

Eigent­lich sollten Letzte­re mit 100 Milli­ar­den US-Dollar jährlich unter­stützt werden. Dass dies nicht passiert sei, habe verständ­li­ches Misstrau­en ausge­löst, so Kaiser. «Hätten insbe­son­de­re die USA ihre Rechnung bezahlt, wären die G7 in einer besse­ren Verhand­lungs­po­si­ti­on gewesen, auch China und andere Schwel­len­län­der schon jetzt zur Einzah­lung in den Fonds zu verpflich­ten. Am Ende dieser Klima­kon­fe­renz klebt somit ein kleines Pflas­ter auf einer riesi­gen klaffen­den Wunde.»

Von L. Schwe­des, J. Sadek, M. Herzog und T. Holtz, dpa