«Wer sich zum Kaffee in der Fußgän­ger­zo­ne trifft, muss nieman­den in sein Wohnzim­mer einla­den»: Mit deutli­chen Worten wenden sich Exper­ten für Aeroso­le — also die Luftge­mi­sche, in denen auch das Corona­vi­rus schwebt — an Politi­ker. Sie haben einen klaren Appell.

BERLIN (dpa) — Führen­de Aerosol­for­scher aus Deutsch­land fordern von der Politik einen Kurswech­sel bei den Maßnah­men zur Eindäm­mung der Corona-Seuche.

«Wenn wir die Pande­mie in den Griff bekom­men wollen, müssen wir die Menschen sensi­bi­li­sie­ren, dass DRINNEN die Gefahr lauert», heißt es in einem Brief an die Bundes­re­gie­rung und an die Landes­re­gie­run­gen, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Es gilt als sicher, dass sich das Corona­vi­rus vor allem über Luft verbreitet.

«Leider werden bis heute wesent­li­che Erkennt­nis­se unserer Forschungs­ar­beit nicht in prakti­sches Handeln übersetzt», kriti­sie­ren die Verfas­ser. In Wohnun­gen, Büros, Klassen­räu­men, Wohnan­la­gen und Betreu­ungs­ein­rich­tun­gen müssten Maßnah­men ergrif­fen werden. In Innen­räu­men finde auch dann eine Anste­ckung statt, wenn man sich nicht direkt mit jeman­dem trifft, sich aber ein Infek­tiö­ser vorher in einem schlecht belüf­te­ten Raum aufge­hal­ten hat, warnen sie. Debat­ten über das Flanie­ren auf Fluss­pro­me­na­den, den Aufent­halt in Biergär­ten, das Joggen oder Radfah­ren seien hinge­gen kontraproduktiv.

Anste­ckun­gen im Freien nur sehr selten

Maßnah­men wie die Masken­pflicht beim Joggen an Alster und Elbe in Hamburg etwa seien eher symbo­li­scher Natur und ließen «keinen nennens­wer­ten Einfluss auf das Infek­ti­ons­ge­sche­hen erwar­ten», schrei­ben die Exper­ten. Sars-CoV-2-Erreger würden fast ausnahms­los in Innen­räu­men übertra­gen. Im Freien sei das äußerst selten, im Promil­le-Bereich. Hierauf sollten die begrenz­ten Ressour­cen nicht verschwen­det werden, heißt es in dem Brief. Auch würden im Freien nie größe­re Gruppen — sogenann­te Cluster — infiziert, wie das in Innen­räu­men etwa in Heimen, Schulen, Veran­stal­tun­gen, Chorpro­ben oder Busfahr­ten zu beobach­ten sei.

Auch die Ausgangs­sper­ren verspre­chen aus Sicht der Wissen­schaft­ler mehr als sie halten können. «Die heimli­chen Treffen in Innen­räu­men werden damit nicht verhin­dert, sondern ledig­lich die Motiva­ti­on erhöht, sich den staat­li­chen Anord­nun­gen noch mehr zu entzie­hen», schrei­ben sie. «In der Fußgän­ger­zo­ne eine Maske zu tragen, um anschlie­ßend im eigenen Wohnzim­mer eine Kaffee­ta­fel ohne Maske zu veran­stal­ten, ist nicht das, was wir als Exper­ten unter Infek­ti­ons­ver­mei­dung verste­hen.» Mit Ausgangs­be­schrän­kun­gen will die Politik verhin­dern, dass sich Menschen zeitwei­se überhaupt treffen.

Aufent­halt in Räumen so kurz wie möglich

Statt­des­sen empfeh­len die Autoren mehre­re Maßnah­men wie Treffen in Innen­räu­men so kurz wie möglich zu gestal­ten, mit häufi­gem Stoß- oder Querlüf­ten Bedin­gun­gen wie im Freien zu schaf­fen, effek­ti­ve Masken in Innen­räu­men zu tragen sowie Raumluft­rei­ni­ger und Filter überall dort zu instal­lie­ren, wo Menschen sich länger in geschlos­se­nen Räumen aufhal­ten müssen — etwa in Pflege­hei­men, Büros und Schulen.

«Die Kombi­na­ti­on dieser Maßnah­men führt zum Erfolg», heißt es weiter. «Wird das entspre­chend kommu­ni­ziert, gewin­nen damit die Menschen in dieser schwe­ren Zeit zugleich ein Stück ihrer Bewegungs­frei­heit zurück.» Zu den Unter­zeich­nern zählen der Präsi­dent der Gesell­schaft für Aerosol­for­schung, Chris­tof Asbach, General­se­kre­tä­rin Birgit Wehner und der frühe­re Präsi­dent der Inter­na­tio­na­len Gesell­schaft für Aeroso­le in der Medizin, Gerhard Scheuch.