BERLIN/BONN (dpa) — Die Ampel­ko­ali­ti­on muss rasch eine Lösung im Streit um die AKW-Laufzei­ten finden. Die Grünen setzen der Kompro­miss­be­reit­schaft enge Grenzen, während die FDP vor Stopp­schil­dern warnt.

Im Koali­ti­ons­streit über die weite­re Nutzung von Atomkraft­wer­ken haben die Grünen ihrem Bundes­wirt­schafts­mi­nis­ter Robert Habeck den Rücken gestärkt. Die Delegier­ten des Partei­ta­ges beschlos­sen am Freitag­abend in Bonn mit klarer Mehrheit, die beiden süddeut­schen Atomkraft­wer­ke Isar 2 und Neckar­west­heim 2 bis zum 15. April in einer Reser­ve zu halten und bei Bedarf weiter für die Strom­erzeu­gung nutzen zu können. Das dritte noch verblei­ben­de AKW Emsland hinge­gen soll zum 1. Januar 2023 endgül­tig abgeschal­tet werden. Finanz­mi­nis­ter Chris­ti­an Lindner warnte unter­des­sen vor roten Linien.

Die Ampel-Koali­ti­on aus SPD, Grünen und FDP strei­tet seit Wochen über den Umgang mit der Atomener­gie. Die FDP-Forde­rung nach einem länge­ren Weiter­be­trieb lehnen die Grünen ab und machten dies auf dem Partei­tag deutlich. Die Zeit für eine Lösung drängt. Bundes­kanz­ler Olaf Scholz hatte am Freitag eine rasche Verstän­di­gung in Aussicht gestellt. «Die ganz konkre­te prakti­sche Frage werden wir ganz schnell, zeitnah bis zur nächs­ten Woche lösen», sagte der SPD-Politi­ker. Zuvor hatte SPD-Chef Lars Kling­beil deutlich gemacht, er erwar­te, dass das Thema von Scholz, Habeck und Lindner noch im Laufe der Woche abgeräumt wird.

Lindner: «Horizont erweitern»

Ein deutlich länge­rer Betrieb von AKW wäre mit der Beschaf­fung neuer Brenn­ele­men­te verbun­den, das lehnten die Grünen ab. «Bündnis 90/Die Grünen werden im Bundes­tag keiner gesetz­li­chen Regelung zustim­men, mit der neue Brenn­ele­men­te, noch dafür notwen­di­ges neues angerei­cher­tes Uran beschafft werden sollen», heißt es im beschlos­se­nen Antrag.

FDP-Chef Lindner beton­te hinge­gen am Freitag im Inter­view mit dem Fernseh­sen­der Welt, er erwar­te von allen Betei­lig­ten, dass sie keine roten Linien zeich­ne­ten, «sondern den Horizont erwei­tern». «Ich kann für mich nur sagen: Wenn es darum geht, Schaden von unserem Land abzuwen­den, die ruinös hohen Energie­prei­se zu reduzie­ren, Black­outs zu verhin­dern — dann gibt es für mich keine roten Linien», beton­te Lindner. «Hier geht es nicht um Partei­po­li­tik.» Er fügte hinzu: «Ich bin über meinen finanz­po­li­ti­schen Schat­ten schon Milli­ar­den Mal gesprun­gen.» Am morgen bekräf­tig­te Lindner seine Aussa­gen via Twitter.

Habeck sagte, Atomkraft­wer­ke könnten im kommen­den Winter einen wenn auch begrenz­ten Beitrag zur Siche­rung der deutschen Strom­ver­sor­gung leisten. «Als Minis­ter, der am Ende für die Versor­gungs­si­cher­heit zustän­dig ist», bat er um Zustim­mung. Die Delegier­ten des Grünen-Partei­ta­ges bekräf­tig­ten dann jene Linie, die führen­de Grüne wie die beiden Partei­chefs Ricar­da Lang und Omid Nouri­pour in den vergan­ge­nen Tagen in der Ausein­an­der­set­zung mit der FDP vertre­ten hatten. Lang hatte den Einkauf neuer Brenn­stä­be noch kurz vor dem Partei­tag im Gespräch mit dem «Spiegel» als «rote Linie» bezeich­net. Die Partei­spit­ze hatte kurz vor dem Beginn des Partei­ta­ges betont, das erwar­te­te Ergeb­nis der Abstim­mung zu diesem Thema sei für die anste­hen­den Gesprä­che mit SPD und FDP bindend.