MÜNCHEN (dpa) — Zum Auftakt seines Steuer­hin­ter­zie­hungs-Prozes­ses hatte Alfons Schuh­beck noch geschwie­gen — und seine Anwäl­te sagen lassen, er könne auch selbst Opfer gewor­den sein. Nun folgt die Wende.

Alfons Schuh­beck ist in seinem Element. «Die bayeri­sche Küche ist eigent­lich eine Festtags­kü­che», sagt er, um das Vorur­teil auszu­räu­men, der Bayer koche generell viel zu fettig.

Er schwärmt von der heilen­den Kraft der Gewür­ze, von Kurku­ma-Kapseln und Karda­mom («Regt den Gehirn­stoff­wech­sel an»). Von Knoblauch erzählt er auch. Dass dieser in Verbin­dung mit Ingwer am besten funktio­nie­re, habe man in Asien schon vor Tausen­den Jahren gewusst.

Er könne «jetzt stunden­lang über Gewür­ze» sprechen, sagt der 73-Jähri­ge. «Aber das ist vielleicht der falsche Zeitpunkt.»

Vielleicht ist er das, ja. Denn Schuh­beck sagt das alles am Mittwoch im sogenann­ten Ingwer-Verfah­ren vor dem Landge­richt München I, wo er wegen Steuer­hin­ter­zie­hung in Millio­nen­hö­he angeklagt ist. Vorher hat er zugege­ben, dass das, was die Staats­an­walt­schaft ihm vorwirft, zumin­dest zu einem großen Teil zutrifft.

Unter­neh­me­risch gescheitert

«Ich habe einiges falsch gemacht», sagt er. «Ich habe mir, meinen Freun­den und Bekann­ten und auch meinen Vertei­di­gern bis zuletzt etwas vorge­macht, weil ich nicht wahrha­ben wollte, dass ich unter­neh­me­risch geschei­tert bin.» Das sei ihm beson­ders klar gewor­den, «als ich diesen Saal erstmals betrat».

Vor knapp einer Woche war das. Damals hatten seine Vertei­di­ger zum Prozess­auf­takt noch gesagt, sie sähen in den Vorwür­fen gegen ihren Mandan­ten «Zweifel und Ungereimt­hei­ten». «Mögli­cher­wei­se stellt sich hierbei am Ende des Verfah­rens heraus, dass Herr Schuh­beck nicht Täter, sondern selbst Opfer ist, weil nicht nur der Fiskus, sondern zuvor­derst er betro­gen wurde.»

Ein paar Tage danach nun die Wende: In seinem Restau­rant «Orlan­do» habe er «die Möglich­keit zur Umsatz­re­duk­ti­on immer wieder benutzt» und dadurch Gelder aus der Kasse entnom­men, gibt Schuh­beck zu. Die Angaben seines ehema­li­gen IT-Fachmanns, der seinen Chef zu Prozess­be­ginn in der vergan­ge­nen Woche schwer belas­tet hatte, seien «im Großen und Ganzen richtig». «Schnell, schnell, zack-zack und weg», beschreibt Schuh­beck das Löschen von Umsät­zen am Computer.

Er beruft sich auf Erinnerungslücken

Die Staats­an­walt­schaft wirft dem 73-Jähri­gen vor, unter anderem mithil­fe dieses Compu­ter­pro­gramms Einnah­men am Finanz­amt vorbei­ge­schleust zu haben. Insge­samt geht es um mehr als 2,3 Millio­nen Euro an Steuern, die Schuh­beck so zwischen 2009 und 2016 im «Orlan­do» und den «Südti­ro­ler Stuben» hinter­zo­gen haben soll.

Für dieses zweite Restau­rant, in dem er laut Staats­an­walt­schaft ebenfalls Geld aus der Kasse genom­men haben soll, übernimmt Schuh­beck «Verant­wor­tung» — ohne konkret einzu­räu­men, dass er auch dort Bargeld hat verschwin­den lassen. Der Gastro­nom beruft sich immer wieder auf Erinne­rungs­lü­cken: «Ich kann mich nicht an Einzel­hei­ten erinnern.» Zwar habe er dort keine Kassen manipu­liert. Ob er am Compu­ter etwas manipu­liert habe, wisse er aber nicht mehr. Es habe dort außer­dem immer wieder techni­sche Proble­me und Schwie­rig­kei­ten bei der Übertra­gung gegeben.

1200 Rechnungs­num­mern sollen aller­dings allein dort verschwun­den sein, wie die Behör­den Schuh­beck vorwer­fen. «Das spricht jetzt nicht dafür, dass andau­ernd das Kabel geknickt war», sagt die Vorsit­zen­de Richte­rin Andrea Wagner.

Nach diesem Geständ­nis dürfte es vor Gericht nicht mehr um die Frage gehen, ob Schuh­beck wegen Steuer­hin­ter­zie­hung verur­teilt wird — sondern darum, wie hoch die Summe ist, die ihm nachge­wie­sen werden kann. Denn nach einem Urteil des Bundes­ge­richts­ho­fes (BGH) aus dem Jahr 2012 droht ab einer Summe von einer Milli­on Euro an hinter­zo­ge­ner Steuer eine Haftstra­fe ohne Bewährung.

Schuh­beck gibt sich am Mittwoch als leiden­schaft­li­cher Koch, der keine Ahnung von Buchhal­tung hat: «Ich darf Sie bitten, mir zu glauben, dass ich mit Leib und Seele Koch und Gastro­nom bin, aber kein guter Kaufmann», sagt er. «Ich kann die Kasse nicht einmal bedienen.»

Wenn die Vorwür­fe der Staats­an­walt­schaft stimmen, hat Schuh­beck wohl mehre­re Millio­nen Euro verschwin­den lassen. Wo das ganze Geld geblie­ben sei, könne er sich nicht erklä­ren, sagte Schuh­beck. Er habe «vor allem finan­zi­el­le Löcher gestopft und meine Kinder in ihrer Ausbil­dung unter­stützt». Er habe seinen vier Kindern das Studi­um ermög­li­chen wollen, das er selbst nicht habe absol­vie­ren können. 

«Ich habe das Geld nicht für ein Luxus­le­ben (…) verprasst», so Schuh­beck. «Ich spiele auch nicht.» Auch «andere Laster» habe er nicht. «Ich habe keine auslän­di­schen Konten oder sonst irgend­wo etwas vergra­ben.» Antiqui­tä­ten habe er gekauft, räumt der Gastro­nom ein. Die seien aber heute nicht so viel wert wie erhofft. «Wenn ich es ungesche­hen machen könnte, würde ich es sofort tun», betont Schuh­beck. «Ich stehe vor den Trümmern meines Lebenswerkes.»

Von Britta Schul­te­jans, dpa