BERLIN (dpa) — Die Zahlen zur Corona-Lage sehen zur Zeit richtig gut aus. Bleibt zu hoffen, dass das auch so bleibt. Denn es gibt Risiken. Viele Länder kehren zum Regel­un­ter­richt mit voller Klassen­stär­ke zurück.

Die Corona-Zahlen in Deutsch­land sehen von Tag zu Tag besser aus — auch wenn es weiter­hin Unwäg­bar­kei­ten mit Blick auf Virus-Varian­ten und Locke­run­gen gibt.

Das Robert Koch-Insti­tut gab die bundes­wei­te 7‑Tage-Inzidenz am Sonntag mit 35,2 an (Vortag: 37,5; Vorwo­che: 64,5). Das ist der niedrigs­te Wert seit Mitte Oktober. Mittler­wei­le sind alle Bundes­län­der in Deutsch­land unter den politisch bedeut­sa­men Inzidenz-Wert von 50 gerutscht. Auf den Inten­siv­sta­tio­nen lagen laut DIVI-Inten­siv­re­gis­ter zuletzt so wenige Corona-Patien­ten wie seit Anfang Novem­ber nicht mehr.

Aus den RKI-Zahlen von Sonntag geht hervor, dass nun auch Thürin­gen als letztes Bundes­land die 50er-Marke unter­schrit­ten hat. Die dorti­ge 7‑Tage-Inzidenz lag demnach zuletzt bei 47,5. Beson­ders gut ist die Entwick­lung in den Bundes­län­dern Mecklen­burg-Vorpom­mern (14,7), Schles­wig Holstein (17,9), Branden­burg (20,0), Hamburg (22,4) und Nieder­sach­sen (23,1). Aller­dings ist denkbar, dass die Inziden­zen etwas zu niedrig ausfal­len, weil über Pfings­ten weniger getes­tet wurde. Der bundes­wei­te Sieben-Tage-R-Wert lag zuletzt mit 0,75 deutlich unter 1 — das bedeu­tet sinken­de Fallzahlen.

Der Rückgang wird von Exper­ten unter anderem mit Immun­schutz durch Impfun­gen und überstan­de­ne Infek­tio­nen, höheren Tempe­ra­tu­ren und Schnell­tests bei Schule, Arbeit und Freizeit in Verbin­dung gebracht. Aller­dings ist nicht auszu­schlie­ßen, dass aggres­si­ve Virus-Varian­ten die Situa­ti­on in Deutsch­land nochmal brenz­li­ger machen. Breitet sich die Varian­te aus Indien auch hierzu­lan­de aus — ähnlich wie das in Großbri­tan­ni­en bereits geschieht? Das ist bislang kaum vorherzusagen.

Unter­des­sen kehren immer mehr Bundes­län­der zum Regel­be­trieb in den Schulen zurück. Dazu zählt auch das bevöl­ke­rungs­reichs­te Land Nordrhein-Westfa­len, wo die Schulen an diesem Montag flächen­de­ckend wieder mit Präsenz­un­ter­richt starten. Voraus­set­zung ist, dass die Zahl der Neuin­fek­tio­nen pro 100.000 Einwoh­ner binnen sieben Tagen unter 100 liegt. Dies war am Freitag in allen Kommu­nen der Fall. Die Masken- und Testpflicht gilt aber weiter­hin. Auch Länder wie Nieder­sach­sen, das Saarland oder Hamburg kehren zu Wochen­be­ginn weitge­hend zum Normal­be­trieb mit ganzen Klassen zurück.

In mehre­ren Bundes­län­dern sind weite­re Locke­run­gen vorge­se­hen, sobald die Sieben-Tage-Inzidenz in einer Region über mehre­re Tage hinweg unter 50 liegt. In den Landkrei­sen und kreis­frei­en Städten in Bayern entfällt beispiels­wei­se bei einem stabi­len Wert von unter 50 bei Sport­ver­an­stal­tun­gen, in Theater­vor­stel­lun­gen, Freibä­dern oder Fitness­stu­di­os die Pflicht zur Vorla­ge eines negati­ven Corona-Tests. Nach den Pfingst­fe­ri­en Anfang Juni kommt es bei einer Inzidenz unter 50 auch in den bayeri­schen Schulen zu weite­ren Lockerungen.

In hessi­schen Landkrei­sen gilt bei einem Wert unter 50 die zweite Öffnungs­stu­fe des Landes: Dann können sich wieder mehr Menschen im priva­ten Kreis treffen. Cafés und Restau­rants dürfen Gäste — unter Aufla­gen — auch drinnen empfan­gen, und Schüler aller Jahrgangs­stu­fen können zum Unter­richt zurück in die Klassen­räu­me, aller­dings mit Corona-Tests.

Trotz der guten Entwick­lung gilt es aber, weiter auf der Hut zu sein. «Ich glaube schon, dass es noch eine Welle geben kann. Aber sie mag kleiner ausfal­len. Und das Gesund­heits­sys­tem würde deutlich weniger belas­tet sein als in der dritten Welle», sagte Thors­ten Lehr, ein Saarbrü­cker Exper­te für Corona-Progno­sen, der Deutschen Presse-Agentur. Ob und wie stark die Zahlen noch mal hochge­hen könnten, hänge von mehre­ren Fakto­ren ab.

Zum einen von den Locke­run­gen: «Da ist die Frage: Haben wir ganz schnell wieder ganz viele Kontak­te?» Punkt zwei: Der Reise­ver­kehr werde auch zu weite­ren Fallzah­len führen. «Was passiert, wenn alle zurück­kom­men und natür­lich auch Infek­tio­nen mitbrin­gen?» Man dürfe nicht verges­sen, dass die nicht-geimpf­te Bevöl­ke­rung «ein großer Infek­ti­ons­pool» sei. Und dann gebe es noch «eine gewis­se Gefahr», dass im Herbst die Impfbe­reit­schaft sinke.

Im Moment überstei­ge die Impfbe­reit­schaft das Impfan­ge­bot noch bei weiten. «Das wird sich aber irgend­wann drehen», sagte Lehr. Wenn die Inzidenz so weit absin­ke, werde die Gefahr einer mögli­chen Infek­ti­on nicht mehr so stark wahrge­nom­men. Und wenn dann gleich­zei­tig auch für Nicht-Geimpf­te die Norma­li­tät zurück­keh­re, gebe es weniger Gründe, sich impfen zu lassen. Bislang haben mehr als 40 Prozent der Menschen in Deutsch­land eine erste Impfdo­sis erhal­ten. Aus Sicht von Lehr von der Univer­si­tät des Saarlan­des ist Deutsch­land insge­samt «auf einem sehr, sehr guten Weg»: Die Inziden­zen, die Todes­zah­len und die Patien­ten­zah­len in den Kranken­häu­sern gingen zurück.

Weiter ging am Wochen­en­de die Debat­te über Impfun­gen für ältere Kinder. Die Europäi­sche Arznei­mit­tel­be­hör­de EMA hatte am Freitag grünes Licht für die EU-Zulas­sung des Biontech-Präpa­rats für Kinder von 12 bis 15 Jahren gegeben. Die forma­le Zulas­sung durch die EU-Kommis­si­on steht aber noch aus, ebenso die Entschei­dung der Ständi­gen Impfkom­mis­si­on (Stiko), ob sie für Deutsch­land eine Impfung empfiehlt. Bundes­bil­dungs­mi­nis­te­rin Anja Karlic­zek (CDU) sprach sich dafür aus, dass zumin­dest vorer­krank­ten Kindern bis zum Schul­jah­res­be­ginn ein Impfan­ge­bot unter­brei­tet wird.

SPD-Gesund­heits­exper­te Karl Lauter­bach wies darauf hin, dass Deutsch­land sein Impfziel in der Corona-Krise nur mit einer konse­quen­ten Impfung von Kindern und Jugend­li­chen errei­che. «Unser Impfziel von 80 Prozent schaf­fen wir nicht, ohne auch die 12- bis 18-Jähri­gen zu impfen», sagte Lauter­bach der «Bild am Sonntag». Bei den Jugend­li­chen sei eine Impfquo­te von 65 Prozent anzustreben.

Von Birgit Reichert und Valen­tin Frimmer, dpa