BERLIN (dpa) — Die Schau­spie­ler-Satire auf die Corona-Maßnah­men schlägt weiter Wellen. Während manche der Betei­lig­ten sich erneut äußern, verschwin­den einige der Videos. Die Kritik an der Aktion hält an.

Die Inter­net­ak­ti­on #alles­dicht­ma­chen ist nach Ansicht von Kriti­kern mit Blick auf die öffent­li­che Meinungs­bil­dung problematisch.

Der Präsi­dent der Deutschen Filmaka­de­mie, Schau­spie­ler Ulrich Matthes, sagte der dpa am Samstag, er habe sich sehr gewun­dert über die Unter­stel­lung in den meisten der Videos, es gäbe keinen Diskurs darüber, ob die Maßnah­men in der Pande­mie berech­tigt seien. «Dieser Diskurs wird seit einem Jahr medial geführt. Der wird im Bundes­tag geführt, den führen die Stamm­ti­sche, den führen wir perma­nent alle», sagte Matthes. «Und die Kolle­gin­nen und Kolle­gen bekla­gen mittels dieser vermeint­li­chen Satire, dass dieser Diskurs nicht statt­fän­de und geben damit — und das ist meine Haupt­kri­tik — indirekt Schüt­zen­hil­fe für die Querden­ker­sze­ne und die AfD.»

Ähnlich äußer­te sich der Daten- und Politik­wis­sen­schaft­ler Josef Holnbur­ger. «Leider bedie­nen viele der Promi­nen­ten hämisch Narra­ti­ve, welche Bestand­teil vieler Verschwö­rungs­er­zäh­lun­gen sind», sagte er der dpa. «Etwa vermeint­lich gleich­ge­schal­te­te Medien oder ein Kritik­ver­bot an der Regie­rung. Es wundert mich deshalb nicht, dass der Applaus aus dieser Szene beson­ders laut ist.»

Unter dem Motto #alles­dicht­ma­chen hatten Dutzen­de Film- und Fernseh­schau­spie­ler mit ironisch-satiri­schen Clips die Corona-Politik der Bundes­re­gie­rung kommen­tiert. Die Videos waren am Donners­tag­abend veröf­fent­licht worden und thema­ti­sier­ten etwa die politi­sche Entschei­dungs­fin­dung, die öffent­li­che Diskus­si­on oder die Kontakt­be­schrän­kun­gen in der Pandemie.

Am Samstag wurde auf der Seite allesdichtmachen.de ein State­ment veröf­fent­licht. «Die Gruppe hat keinen «Kopf» und keine gemein­sa­me Stimme», hieß es darin. «Das Projekt ist kollek­tiv entstan­den, die Gruppe ist divers, die Meinun­gen gehen auch hier auseinander.»

Nach hefti­ger Kritik und teils Zustim­mung aus dem rechten Lager hatten sich im Laufe des Freitags einige Teilneh­mer von ihren Beiträ­gen distan­ziert. Die Schau­spie­le­rin Ulrike Folkerts etwa bezeich­ne­te ihre Betei­li­gung als Fehler. «Die Videos, die entstan­den sind, wurden falsch verstan­den, sind vielleicht falsch zu verste­hen», schrieb die «Tatort»-Kommissarin am Abend auf Insta­gram. «Ich habe einen Fehler gemacht, ich war naiv genug zu glauben, mit meinen Kollegen*innen ein gewinn­brin­gen­des Gespräch in Gang zu bringen. Das Gegen­teil ist passiert.» Es tue ihr leid, «Menschen verletzt und vor den Kopf gesto­ßen zu haben».

Schau­spie­ler Jan Josef Liefers äußer­te sich nachdenk­lich über das gewähl­te Mittel. «Ich finde auch den Punkt inter­es­sant, dass vielleicht Ironie wirklich ein ungeeig­ne­tes Mittel ist», sagte er am Freitag­abend in der Radio Bremen-Talkshow «3nach9». Er sehe aber derzeit eine Lücke: «Es gibt nicht nur auf der Seite der Erkrank­ten Trauer und Leid, sondern auch auf der Seite derer, die unter diesen Maßnah­men inzwi­schen nun wirklich anfan­gen zu leiden, die sehe ich nicht so richtig vertreten.»

Im State­ment auf der Seite hieß es: «Wir leugnen auch nicht Corona oder stellen in Abrede, dass von der Krank­heit Gefahr ausgeht und Menschen daran sterben. Vielmehr geht es uns um die Corona-Politik, ihre Kommu­ni­ka­ti­on und den öffent­li­chen Diskurs, der gerade geführt wird.» Man übe Kritik mit den Mitteln von Satire und Ironie. «Wenn man uns dafür auf massivs­te Art und Weise beschimpft und bedroht, ist das ein Zeichen, dass hier etwas ins Ungleich­ge­wicht geraten ist.»

Doch nach Ansicht des Daten- und Politik­wis­sen­schaft­lers Holnbur­ger trägt die Aktion nicht zu einer konstruk­ti­ven Debat­te bei. «Die vor allem polemisch darge­stell­te Kritik seitens der #alles­dicht­ma­chen-Aktion wird den öffent­li­chen Diskurs nicht versach­li­chen, sondern verschär­fen», sagte er. «Verschwö­rungs­ideo­lo­gi­sche Narra­ti­ve drohen durch solche Aktio­nen hoffä­hig gemacht zu werden.»

Solche Narra­ti­ve «schädi­gen unsere demokra­ti­sche Debat­te enorm», so Holnbur­ger weiter: «es gab viel Diskus­si­on und es gab auch sehr viele Meinungs­ver­schie­den­hei­ten über Maßnah­men. Zuletzt war und ist das am Beispiel der nächt­li­chen Ausgangs­sper­re beson­ders sichtbar.»

Samstag­mit­tag waren auf der Seite und auf Youtube mehr als ein Dutzend der Videos nicht mehr zu sehen.

Kritik an der Aktion fand während­des­sen auch in der nachge­ahm­ten URL allesdichtmachen.com Ausdruck. Die Seite hat eine andere Endung als die Origi­nal-Homepage — und führt direkt zur Doku aus der Berli­ner Chari­té mit dem Titel «Stati­on 43 — Sterben». Yannick Haan, Vorsit­zen­der der SPD Berlin-Mitte, gab sich auf Twitter als Urheber der umgelei­te­ten Domain zu erken­nen. Auf die Doku hatte zuvor auch Satiri­ker Jan Böhmer­mann verwiesen.