HANNOVER (dpa) — Ein Jahr nach dem Desas­ter bei der Bundes­tags­wahl hält CDU-Chef Merz auf dem Partei­tag in Hanno­ver eine Motiva­ti­ons­re­de an seine Partei. Die umstrit­te­ne Frauen­quo­te erwähnt er zunächst mit keinem Wort.

CDU-Chef Fried­rich Merz hat mit schar­fen Angrif­fen auf die Ampel-Koali­ti­on von Kanzler Olaf Scholz (SPD) versucht, seine Partei auf einen harten Opposi­ti­ons­kurs einzu­stim­men. Ein Jahr nach dem Desas­ter der Union bei der Bundes­tags­wahl rief er die Delegier­ten beim CDU-Partei­tag in Hanno­ver auf, gemein­sam daran zu arbei­ten, wieder «die bestim­men­de politi­sche Kraft unseres Landes» zu werden. «Zeigen wir diesen Führungs­an­spruch.» Mit Blick auf CSU-Chef Markus Söder, der am Samstag zu einem Grußwort erwar­tet wird, sagte Merz: «Wir haben die Strei­te­rei­en von CDU und CSU hinter uns gelassen.»

Die CDU war bei der Bundes­tags­wahl 2021 mit dem histo­risch schlech­tes­ten Unions­er­geb­nis von 24,1 Prozent nach 16 Jahren Regie­rungs­zeit von Kanzle­rin Angela Merkel (CDU) in die Opposi­ti­on gestürzt.

Auf die mit Spannung erwar­te­te Abstim­mung über eine Frauen­quo­te am Abend ging Merz in seiner Rede nicht direkt ein. Er sagte nur: «Die Beschäf­ti­gung mit uns selbst ist notwen­dig. Aber die Beschäf­ti­gung mit der Lage der Menschen, mit der Lage der Betrie­be in Deutsch­land ist notwen­di­ger.» Dies dürfte von den Delegier­ten als Hinweis auf die Quoten­de­bat­te verstan­den worden sein. Merz drohte ein erster Dämpfer in seiner gut sieben­mo­na­ti­gen Amtszeit, falls sein Kompro­miss­vor­schlag keine Mehrheit bekom­men sollte: eine Befris­tung der Frauen­quo­te bis Ende 2029.

Wüst unter­streicht Unter­stüt­zung zur Parteireform

Nordrhein-Westfa­lens Minis­ter­prä­si­dent und CDU-Landes­chef Hendrik Wüst machte seine Unter­stüt­zung der Pläne zur Partei­re­form deutlich. «Ja, auch die Quote, damit es ausge­spro­chen ist.» Darüber solle zügig disku­tiert und abgestimmt werden. Vor allem solle der Partei­tag aber an Themen arbei­ten, die den Menschen wirklich auf den Nägeln brennen.

Hart ging Merz die Bundes­re­gie­rung wegen deren Umgangs mit der Energie­kri­se an. «Gerade in einer solchen Zeit, in der Führung, klarer Kurs und Handeln gefor­dert ist, leistet sich unser Land eine der wohl schwächs­ten Bundes­re­gie­run­gen aller Zeiten», sagte er. Mit Blick auf aktuel­le Umfra­ge­wer­te beton­te Merz: «Wir sind zurück auf Platz eins unter den deutschen Parteien.»

Merz wies auf die CDU-Erfol­ge bei den Landtags­wah­len in Schles­wig-Holstein und Nordrhein-Westfa­len hin. Wenn vom Partei­tag die richti­gen Signa­le ausgin­gen, könne dies dazu beitra­gen, auch die Wahl in Nieder­sach­sen am 9. Oktober mit CDU-Spitzen­kan­di­dat Bernd Althus­mann zu gewin­nen. So könne 2022 «eines der erfolg­reichs­ten Jahre unserer Partei­ge­schich­te» werden.

Merz: «Stoppen Sie dieses rot-grün-gelbe Narrenschiff»

Merz verlang­te von Scholz eine Kurskor­rek­tur in der Energie­po­li­tik. «Stoppen Sie dieses rot-grün-gelbe Narren­schiff auf diesem Kurs, auf dem Sie sind», rief er unter dem Jubel der Delegier­ten. Beson­ders scharf attackier­te er Bundes­wirt­schafts­mi­nis­ter Robert Habeck (Grüne). Nur mit Kinder­bü­chern und Philo­so­phie könne man die Proble­me des Landes nicht lösen, ätzte er in Richtung Habeck und zitier­te den Titel des von Habeck verfass­ten Buches «Kleine Helden, große Abenteu­er». Merz fuhr fort: «Wir sind nicht Buller­bü. Wir sind die viert­größ­te Indus­trie­na­ti­on der Welt, die es sich nicht leisten kann, ein Trainee-Programm für Bundes­wirt­schafts­mi­nis­ter aufzusetzen.»

Vorwür­fe aus der Ampel, die Union sei mit ihrer Politik der vergan­ge­nen 16 Jahre allei­ne verant­wort­lich für die Abhän­gig­keit Deutsch­lands von russi­schem Gas, wies Merz scharf zurück. Sich derart abhän­gig gemacht zu haben sei «eine große politi­sche Dummheit» und naiv gewesen. Dies müsse nun korri­giert werden. «Aber ich werde es nicht zulas­sen, dass der Eindruck erweckt wird in Deutsch­land, dass dies allein 16 Jahre CDU und CSU gewesen sind.» 20 von 24 der vergan­ge­nen Jahre hätten Sozial­de­mo­kra­ten in Deutsch­land mitre­giert. «Sie tragen mindes­tens genau­so diesel­be Verant­wor­tung für diese Dummheit und für diese Naivi­tät und für diese Fehler.»

Merz kriti­sier­te erneut Zöger­lich­keit der SPD bei der Liefe­rung schwe­rer Waffen an die Ukrai­ne. «Mit FDP und Grünen zusam­men hätte ich eine Export­ge­neh­mi­gung für 100 Marder-Panzer an die Ukrai­ne erteilt», sagte er. «Damit klar ist, dass wir alles tun, was in unseren Möglich­kei­ten steht, um diesem Land zu helfen.»

Der CDU-Chef warnte vor Antise­mi­tis­mus von der politi­schen Linken. «Antise­mi­tis­mus wird nicht dadurch besser, dass er von links kommt», sagte er. «Von beiden Seiten aus müssen wir uns in diesem Lande dagegen wehren, was da hier gerade passiert, und klarstel­len, dass dies auf null Toleranz stößt in Deutsch­land.» Merz, der auch Unions­frak­ti­ons­chef im Bundes­tag ist, zog eine schar­fe Trenn­li­nie zwischen CDU und AfD. «Niemals und an keiner Stelle» werde es eine Zusam­men­ar­beit von CDU und CSU mit der AfD geben, sagte er — «im Bund nicht, in den Ländern nicht, in Europa nicht».

Von Jörg Blank, Sascha Meyer und Chris­to­pher Weckwerth, dpa