BERLIN (dpa) — Werden SPD, Grüne und FDP Koali­ti­ons­ver­hand­lun­gen aufneh­men? Bis Freitag wollen die poten­zi­el­len Partner eine Entschei­dungs­grund­la­ge ausar­bei­ten. Steht die «Stunde der Wahrheit» bevor?

Die Gesprä­che über die Bildung einer Ampel-Koali­ti­on gehen in eine erste entschei­den­de Phase. SPD, Grüne und FDP wollen ihre Sondie­run­gen an diesem Mittwoch in kleine­rem Kreis fortsetzen.

Ziel ist es, sich bis Freitag auf eine Entschei­dungs­grund­la­ge für Koali­ti­ons­ver­hand­lun­gen zu einigen, die das Ergeb­nis der bishe­ri­gen Verhand­lun­gen zusam­men­fasst, wie FDP-General­se­kre­tär Volker Wissing sagte. Dieses Papier wollen die Unter­händ­ler der Partei­en dann ihren Gremi­en vorle­gen und eine Empfeh­lung für das weite­re Vorge­hen aussprechen.

Scholz unter­wegs in Washington

Nach den Sondie­rungs­run­den am Montag und Diens­tag sollen die General­se­kre­tä­re von SPD und FDP sowie der Bundes­ge­schäfts­füh­rer der Grünen das bisher Verhan­del­te zu Papier bringen. Hinter­grund ist auch, dass der SPD-Kanzler­kan­di­dat Olaf Scholz als amtie­ren­der Bundes­fi­nanz­mi­nis­ter an diesem Mittwoch und Donners­tag beim Treffen der G20-Finanz­mi­nis­ter in Washing­ton dabei ist.

Es stünden «zwei sehr entschei­den­de Tage» bevor, «vor denen wir, glaube ich, alle Respekt haben, auf die wir uns auch freuen», sagte der SPD-General­se­kre­tär Lars Kling­beil am Diens­tag. Es gehe «ganz viel auch um harte Entschei­dun­gen». Der Grünen-Bundes­ge­schäfts­füh­rer Micha­el Kellner sagte, nun müssten 14 Stunden Debat­te allei­ne der letzten andert­halb Verhand­lungs­ta­ge verschrift­licht werden. Wissing erklär­te, die «Stunde der Wahrheit» stehe bevor.

Canna­bis-Legali­sie­rung steht zur Debatte

Der SPD-Gesund­heits­exper­te Karl Lauter­bach sprach sich unter­des­sen dafür aus, in einem mögli­chen Koali­ti­ons­ver­trag mit Grünen und FDP eine Legali­sie­rung von Canna­bis festzu­schrei­ben. In einem Inter­view der «Rheini­schen Post» plädier­te er dafür, eine kontrol­lier­te Abgabe an Erwach­se­ne zu erlau­ben, um dem Handel von mit Heroin versetz­tem Canna­bis einen Riegel vorzuschieben.

Jahre­lang habe er eine Legali­sie­rung abgelehnt. «Mittler­wei­le komme ich als Arzt aber zu einem anderen Schluss», sagte Lauter­bach. «Immer häufi­ger wird dem illegal verkauf­ten Straßen­can­na­bis neuar­ti­ges Heroin beigemischt, das sich rauchen lässt. Damit werden Canna­bis-Konsu­men­ten schnell in eine Heroin-Abhän­gig­keit getrie­ben.» Dieses Phäno­men sei neu und verän­de­re die Lage. «Ich bin deswe­gen dafür, dass wir in einem mögli­chen Koali­ti­ons­ver­trag mit Grünen und FDP einen Passus zur legalen und kontrol­lier­ten Abgabe von Canna­bis an Erwach­se­ne formulieren.»

Der FDP-Nachwuchs plädier­te für eine noch weiter­ge­hen­de Reform. «Statt den kleins­ten gemein­sa­men Nenner braucht es nun große Refor­men, die weit über die Legali­sie­rung von Canna­bis hinaus­ge­hen», sagte der Chef der Jungen Libera­len, Jens Teutri­ne, der «Rheini­schen Post». «Die Prohi­bi­ti­on, Krimi­na­li­sie­rung und Stigma­ti­sie­rung von Canna­bis ist geschei­tert.» Nur eine vollstän­di­ge Legali­sie­rung würde notwen­di­ge Quali­täts­stan­dards und Jugend­schutz sicherstellen.

Polizei warnt vor Legalisierung

FDP und Grüne sind für eine Legali­sie­rung von Canna­bis und einen «Verkauf in lizen­zier­ten Fachge­schäf­ten». Die SPD hinge­gen befür­wor­tet eine «regulier­te Abgabe» an Erwach­se­ne zunächst in Modell­pro­jek­ten, die von Präven­ti­ons- und Beratungs­an­ge­bo­ten beglei­tet werden.

Vertre­ter von Polizei­ge­werk­schaf­ten warnen vor einer Legali­sie­rung. Sie argumen­tie­ren unter anderem, bei Canna­bis hande­le es sich um eine oft verharm­los­te Droge, die gerade bei Jugend­li­chen zu erheb­li­chen Gesund­heits­pro­ble­men und sozia­len Konflik­ten führen könne.