BERLIN (dpa) — Die Ampel-Koali­ti­on will Canna­bis in Deutsch­land legali­sie­ren. Die Vorbe­rei­tun­gen für das Gesetz­ge­bungs­ver­fah­ren laufen. Exper­ten des Bundes­ta­ges sehen aber juris­ti­sche Probleme.

Die von der Koali­ti­on geplan­te Canna­bis-Legali­sie­rung verstößt nach Einschät­zung von Exper­ten und Exper­tin­nen des Bundes­tags gegen EU-Recht. In einer Analy­se für den CSU-Gesund­heits­po­li­ti­ker Stephan Pilsin­ger, die dem Redak­ti­ons­netz­werk Deutsch­land (RND/Montag) und der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, nennt der Wissen­schaft­li­che Dienst europäi­sche Verträ­ge, an die Deutsch­land gebun­den sei und die einer Legali­sie­rung entgegenstünden.

Im Koali­ti­ons­ver­trag ist verein­bart, eine «kontrol­lier­te Abgabe von Canna­bis an Erwach­se­ne zu Genuss­zwe­cken in lizen­zier­ten Geschäf­ten» einzu­füh­ren. Derzeit laufen die Vorbe­rei­tun­gen für das Gesetz­ge­bungs­ver­fah­ren. Der Bundes­dro­gen­be­auf­trag­te, Burkhard Blienert (SPD), hatte einen Gesetz­ent­wurf für Ende dieses oder Anfang nächs­ten Jahres angekün­digt. Mitglie­der des Gesund­heits­aus­schus­ses des Bundes­ta­ges sind momen­tan in den USA und Kanada unter­wegs, um sich über die dort zum Teil bereits erfolg­te Legali­sie­rung zu informieren.

EU-Rahmen­be­schluss gibt Richt­li­ni­en vor

Der Wissen­schaft­li­che Dienst verweist auf den sogenann­ten EU-Rahmen­be­schluss von 2004, der vorschrei­be, dass jeder Mitglieds­staat unter anderem das Herstel­len, Anbie­ten, Verkau­fen, Liefern sowie Ein- und Ausfüh­ren von Drogen unter Strafe stellen müsse — wenn diese vorsätz­li­chen Handlun­gen ohne entspre­chen­de Berech­ti­gung vorge­nom­men wurden. Zudem müsse das vorsätz­li­che, unberech­tig­te Anbau­en unter anderem der Canna­bis­pflan­ze unter Strafe gestellt werden. Gleiches gelte für den Besitz oder den Kauf von Drogen. Unter den Begriff Drogen falle laut einem Überein­kom­men von 1971 auch Canna­bis. Die Mitglieds­staa­ten sollten gegen die genann­ten Straf­ta­ten «mit wirksa­men, verhält­nis­mä­ßi­gen und abschre­cken­den straf­recht­li­chen Sanktio­nen» vorgehen.

Der Wissen­schaft­li­che Dienst verweist zudem auf das sogenann­te Schen­gen-Proto­koll. Darin hätten sich die Vertrags­län­der, unter anderem Deutsch­land, verpflich­tet, «die unerlaub­te Ausfuhr von Betäu­bungs­mit­teln aller Art einschließ­lich Canna­bis-Produk­ten sowie den Verkauf, die Verschaf­fung und die Abgabe dieser Mittel mit verwal­tungs­recht­li­chen und straf­recht­li­chen Mitteln zu unterbinden».

In einer weite­ren Ausar­bei­tung weisen die Exper­ten des Wissen­schaft­li­chen Diens­tes darauf hin, dass die Nieder­lan­de nicht als Vorbild für Deutsch­land dienen könnten. So gelte dort nach wie vor das «Opium­ge­setz», das Anbau, Verkauf und Besitz von Canna­bis unter Strafe stelle. Aller­dings sei Besitz und Verkauf kleine­rer Mengen «de facto entkri­mi­na­li­siert». «In sämtli­chen Fällen, in denen ein Konsu­ment mit Drogen aufge­grif­fen wird, werden diese — auch wenn die Menge im darge­stell­ten Toleranz­be­reich liegt — von der Polizei konfis­ziert.» Der Verkauf von Canna­bis sei «formal­recht­lich illegal», werde aber im Rahmen der Toleranz­gren­ze nicht verfolgt. Anbau und Erwerb größe­rer Canna­bis-Mengen seien weiter­hin vollstän­dig kriminalisiert.

Exper­te: Legali­sie­rung von Canna­bis wäre nicht legal

Pilsin­ger sagte der dpa, die Ausar­bei­tun­gen zeigten, dass die im Koali­ti­ons­ver­trag vorge­se­he­ne Legali­sie­rung von Canna­bis nicht legal wäre. Canna­bis einfach zu dulden, wie es in den Nieder­lan­den gehand­habt werde, könne und dürfe für Deutsch­land keine Option sein. Der Jugend­schutz müsse ebenso wie das Zurück­drän­gen und die Bekämp­fung des Schwarz­markts in Deutsch­land «obers­te Priori­tät» haben, sagte Pilsinger.

Ein Sprecher des Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­te­ri­ums sagte am Montag: «Wir prüfen die Analy­se des Wissen­schaft­li­chen Diens­tes und bezie­hen sie selbst­ver­ständ­lich in unsere Überle­gung mit ein. Die neuen Canna­bis-Regeln müssen natür­lich rechts­si­cher sein. Für die Legali­sie­rung suchen wir derzeit eine Lösung, die auch mit inter­na­tio­na­lem Recht verein­bar ist.»