SEEFELD (dpa) — Bei bestem Wetter starten Joachim Löw und sein Team in den Tiroler Alpen in die EM-Vorbe­rei­tung. Die Rückkeh­rer Müller und Hummels sollen schnell ein Führungs-Vakuum schließen.

Joachim Löw zeigte sich beim Eintref­fen der promi­nen­ten Rückkeh­rer entspannt vor dem Teamho­tel, Thomas Müller beglück­te DFB-Direk­tor Oliver Bierhoff gleich wieder mit seinen berüch­tig­ten Sprüchen.

Der 100-malige Natio­nal­spie­ler Müller und sein Kumpel Mats Hummels führten sich am Freitag nach zweiein­halb Jahren Pause so ein, «als ob sie nie wegge­we­sen wären», berich­te­te Bierhoff in Seefeld. Er habe den Eindruck, dass sie «als absolu­te Vorbil­der vornweg­mar­schie­ren, ihre Persön­lich­keit und Quali­tät einbrin­gen» wollen. Zu welcher Art Aufhei­te­rung Müller gleich nach der Ankunft beigetra­gen hatte, verriet Bierhoff nicht.

Hummels schnel­ler als Müller

Die Rio-Weltmeis­ter Müller und Hummels wurden vom DFB-Fahrdienst zum Teamquar­tier gebracht. Der lässig in weißen Shorts ins Quartier schlen­dern­de Hummels war dabei einige Minuten schnel­ler als der von Kapitän und Bayern-Kolle­ge Manuel Neuer beglei­te­te Müller. Gute-Laune-Typ Müller lächel­te unter seiner FFP2-Maske in der Tiroler Mittags­son­ne und winkte kurz in Richtung der Kameras und Fotogra­fen. «Beide haben eine tolle Saison gespielt, beide sind große Persön­lich­kei­ten», sagte Bierhoff und schloss für die EM ab 11. Juni seine Erwar­tung an, gemein­sam «tolle Erfol­ge» zu feiern.

Den Roten Teppich hatte der Bundes­trai­ner den von ihm 2019 aussor­tier­ten Natio­nal­spie­lern schon zuvor verbal ausge­rollt: «Diese Spieler bedeu­ten mir viel.» Auf 1200 Meter Höhe will Löw bei seiner letzten Missi­on als obers­ter deutscher Fußball­leh­rer mit Müller und Hummels die Hierar­chie im Team neu ausrich­ten und die entschei­den­den Grund­la­gen für eine erfolg­rei­che EM legen. «Das Trainings­la­ger ist ein wichti­ger Schlüs­sel für das Turnier», sagte der 61-Jähri­ge, der nach dem paneu­ro­päi­schen Kräfte­mes­sen nach insge­samt 17 Jahren beim DFB und davon 15 Jahren als Bundes­trai­ner abtritt.

«Haben eine hohe Qualität»

Schon am Abend des Ankunfts­ta­ges war in den Tiroler Alpen das erste Training hinter insge­samt 2,5 Kilome­ter langen Absperr­zäu­nen angesetzt. Die Sicher­heits­vor­keh­run­gen sind durch die Corona-Pande­mie nochmals ausge­wei­tet worden. «Jetzt steht Arbeit im Vorder­grund, die Dinge absolut konzen­triert anzuge­hen», erklär­te Bierhoff, der bei den 20 zunächst angereis­ten Spielern eine gute Stimmung gespürt hat. «Wir haben eine hohe Quali­tät, hervor­ra­gen­de Charak­te­re» — die Grund­la­ge für ein besse­res Turnier als zuletzt die WM 2018 in Russland.

Müller (31) und Hummels (32) nehmen in Löws Plänen sofort wieder einen heraus­ge­ho­be­nen Platz ein. «Es ist klar, dass man von ihnen gewis­se Dinge erwar­tet. Wir machen es aus sport­li­cher Überzeu­gung, dass sie der Mannschaft helfen können mit ihrer Erfah­rung», sagte der Bundes­trai­ner. Beide Profis können und sollen ein Führungs-Vakuum schlie­ßen, das sich zuletzt nicht nur bei den Länder­spiel-Blama­gen gegen Spani­en (0:6) und Nordma­ze­do­ni­en (1:2) aufge­tan hatte.

Viel Zeit hat er nicht, um Müller (100 Länder­spie­le) und Hummels (70 Einsät­ze) wieder zu integrie­ren. Am kommen­den Mittwoch gibt es beim Test in Innsbruck gegen Dänemark höchst­wahr­schein­lich das Länder­spiel-Comeback beider Leitfi­gu­ren. Sie können dabei einen Start­vor­teil nutzen: Während andere wichti­ge EM-Spieler erst einmal in Seefeld fehlen, sind der Münch­ner Müller und der Dortmun­der Hummels zusam­men mit einem großen Bayern-Block von Anfang an bei den Trainings­ein­hei­ten dabei. «Das hilft», bemerk­te Bierhoff.

Kroos-Ankunft offen

Bei Real-Madrid-Star Kroos ist offen, wann er nach seiner Corona-Infek­ti­on nach Öster­reich anrei­sen kann. «Wir warten täglich darauf, das die Ergeb­nis­se negativ sind», berich­te­te Bierhoff. In «ein, zwei Tage» erwar­te er Kroos in Seefeld. Teamarzt Tim Meyer berich­te­te von einem «leich­ten Verlauf» der Corona-Erkran­kung bei Kroos. Trotz­dem müsse man den 31-Jähri­gen dann vorsich­tig und schritt­wei­se wieder auf körper­li­ches Topni­veau bringen, sagte der Medizi­ner. Bayern-Profi Leon Goretz­ka wartet nach einem Muskel­fa­ser­riss noch auf seine Rückkehr auf den Platz.

Ilkay Gündo­gan auf der einen sowie Timo Werner, Antonio Rüdiger und Kai Havertz auf der anderen Seite stehen sich am Samstag in Porto zunächst beim Champi­ons-League-Finale zwischen Manches­ter City und dem FC Chelsea gegen­über. «Kopfzer­bre­chen» berei­tet Bierhoff, dass die vier Spieler bei einer Einrei­se aus dem Virus­mu­tan­ten­ge­biet England nach Deutsch­land 14 Tage in Quaran­tä­ne müssten. Für den Stand­ort Seefeld haben die öster­rei­chi­schen Behör­den dem DFB eine Ausnah­me­re­ge­lung gewährt. Jetzt muss Bierhoff die optima­le Lösung finden, am 7. Juni steht in Düssel­dorf die EM-General­pro­be gegen Lettland auf dem Programm.

Zu einem der Schwer­punk­te des Trainings­la­gers hat der Bundes­trai­ner neben den takti­schen Brenn­punk­ten «defen­si­ve Ordnung und offen­si­ve Möglich­kei­ten» sowie «schwer­punkt­mä­ßig» auch Standard­si­tua­tio­nen das Thema Teambil­dung erklärt. Anders als bei der Vorbe­rei­tung auf die krachend geschei­ter­te WM-Missi­on 2018, die von Teamkon­flik­ten wie den Fotos von Mesut Özil sowie Gündo­gan mit dem türki­schen Staats­prä­si­den­ten Recep Tayyip Erdogan überschat­tet worden war, soll in Seefeld harmo­nisch gearbei­tet werden. «Wir müssen das Bewusst­sein haben, dass wir voll bei der Sache sind», forder­te Bierhoff.

Denn ein Wunsch vereint Löw und seine Spieler. Den formu­lier­te Bayern-Profi Leroy Sané in der ARD zum Vorbe­rei­tungs­start: «Ich will die Zeit genie­ßen, aber im Endef­fekt will ich mit dem ganz großen Traum wieder nach Hause kommen und den Titel gewinnen.» 

Von Jens Mende und Klaus Bergmann, dpa