BERLIN/BAMAKO (dpa) — Mit einer Autobom­be wird in Mali eine Patrouil­le deutscher UN-Solda­ten attackiert. Es ist einer der folgen­schwers­ten Angrif­fe auf die Bundes­wehr in dem westafri­ka­ni­schen Krisenstaat.

Ein Selbst­mord­at­ten­tä­ter hat im westafri­ka­ni­schen Mali eine Patrouil­le deutscher UN-Solda­ten angegrif­fen und dabei 13 Menschen verletzt.

Der Angrei­fer zünde­te um 6.28 Ortszeit eine Autobom­be gegen die noch stehen­den Fahrzeu­ge und ihre Besat­zun­gen, wie das Einsatz­füh­rungs­kom­man­do den Obleu­ten im Bundes­tag mitteil­te. Vertei­di­gungs­mi­nis­te­rin Annegret Kramp-Karren­bau­er sagte, von 12 verwun­de­ten Deutschen seien drei schwer verletzt, einer davon wurde noch operiert. Die Bundes­wehr berei­te­te medizi­ni­sche Evaku­ie­rungs­flü­ge («MedEvac») vor. Nach den offizi­el­len Angaben ist auch ein UN-Soldat aus einem weite­ren Land verletzt.

Wagen voll mit Sprengstoff

Nach Angaben einer Spreche­rin der UN-Missi­on vor Ort war der Attacke mit einem Pritschen­wa­gen voll Spreng­stoff ein anderer Anschlag voraus­ge­gan­gen. «Die Solda­ten sicher­ten den Konvoi eines malischen Batail­lons», sagte Minus­ma-Spreche­rin Myriam Dessa­bles der Deutschen Presse-Agentur am Abend. Voran­ge­gan­gen sei am Vortag die Explo­si­on eines Spreng­sat­zes, bei der es aber nur Sachscha­den an einem Fahrzeug gegeben habe.

«Der Anschlag heute macht auf eine sehr drama­ti­sche und schreck­li­che Art und Weise deutlich, dass der Eid, den Solda­tin­nen und Solda­ten der Bundes­wehr schwö­ren, dass sie dieses Land vertei­di­gen, dass sie in den Einsatz gehen, und dass sie zur Not auch bereit sind, ihre Gesund­heit und ihr Leben einzu­set­zen, nicht nur leere Worte sind», sagte die CDU-Politi­ke­rin in Bonn. Aus der Opposi­ti­on wurde schon die Forde­rung nach einem Ende des Einsat­zes laut.

Bundes­prä­si­dent Frank-Walter Stein­mei­er äußer­te sich «erschüt­tert». «In Gedan­ken bin ich auch bei ihren Angehö­ri­gen und Famili­en», so Stein­mei­er. Außen­mi­nis­ter Heiko Maas verur­teil­te die Tat. «Der heuti­ge hinter­häl­ti­ge Anschlag unter­streicht einmal mehr, wie wichtig es ist, dass wir uns den Terro­ris­ten entge­gen­stel­len. Mali und der Sahel müssen vom Fluch des Terro­ris­mus befreit werden», so Maas.

Der Selbst­mord­an­schlag wurde rund 180 Kilome­ter nordöst­lich der Stadt Gao, in deren Nähe die meisten Bundes­wehr­sol­da­ten in Mali statio­niert sind, verübt. Zum Zeitpunkt des Angriffs um 8.28 deutscher Zeit befan­den sich die Solda­ten noch in einer «Nacht­auf­stel­lung», also einer Art schüt­zen­den Wagen­burg, wie aus einer Infor­ma­ti­on des Einsatz­füh­rungs­kom­man­dos an die Obleu­te hervor­ging. «Unter Einsatz ziviler Rettungs­hub­schrau­ber und eines UN-Hubschrau­bers wurden die Verwun­de­ten nach Gao in franzö­si­sche, chine­si­sche und deutsche Sanitäts­ein­rich­tun­gen verbracht», hieß es weiter.

In Mali viele islamis­ti­sche Terrorgruppen

Derzeit sind rund deutsche 900 Solda­ten an der UN-Missi­on Minus­ma betei­ligt. Die Obergren­ze liegt bei 1100 Männern und Frauen aus Deutsch­land. Der Großteil der Bundes­wehr­sol­da­ten ist im Camp Castor am Rande von Gao statio­niert. Der Einsatz soll den Friedens­pro­zess in Mali unter­stüt­zen. In dem Land sind islamis­ti­sche Terror­grup­pen aktiv. 2013 schlug ein massi­ver franzö­si­scher Militär­ein­satz ihren Vormarsch auf die Haupt­stadt Bamako zurück. Auch organi­sier­te Krimi­na­li­tät und grenz­über­grei­fen­der Schmug­gel sind ein Problem in der Region, über die Migra­ti­ons­rou­ten nach Nordafri­ka und weiter Richtung Europa laufen.

Zuletzt gab es in Mali zwei Militär­put­sche. Putschis­ten­füh­rer Assimi Goïta war nach frühe­ren Berich­ten einmal zu einer militä­ri­schen Fortbil­dung in Deutsch­land. Niemand konnte da in die Zukunft schau­en, aber: Es zeigt sich, wie schwer die Suche nach verläss­li­chen Partnern in dem Land ist.

Im Raum stand zuletzt gar die Frage, ob sich Mali nach dem jüngs­ten Putsch gar in Richtung radika­ler Islamis­mus bewegt. Frank­reichs Präsi­dent Emmanu­el Macron kündig­te eine grund­sätz­li­che Neuaus­rich­tung der franzö­si­schen Militär­prä­senz in der Sahel­zo­ne an — und eine Ende des franzö­si­schen Anti-Terror-Einsat­zes «Opera­ti­on Barkha­ne». Bilate­ra­le militä­ri­sche Einsät­ze mit Mali wurden ausge­setzt, um den Druck auf den Krisen­staat und die Putschis­ten zu erhöhen. Frank­reich — das islamis­ti­sche Terro­ris­ten in der Sahel­zo­ne aktiv sucht und angreift — hat immer wieder getöte­te eigene Solda­ten zu beklagen.

Angriff bei Sonnenaufgang

Auch die EU-Ausbil­dungs­mis­si­on EUTM in Mali war schon Ziel von Angrif­fen. Wie im Febru­ar 2019: Um 3 Uhr morgens bebte die Erde. Türen wurden aus der Veran­ke­rung geris­sen, Fenster zerbars­ten, Alarm wurde ausge­löst, wie es damals hieß. Zwei mutmaß­lich islamis­ti­sche Selbst­mord­at­ten­tä­ter waren mit jeweils mehre­ren hundert Kilogramm Spreng­stoff auf den Ladeflä­chen ihrer Pickup-Trucks auf das Haupt­tor «Papa 2» zugerast. Einem gelang es, sich in die Luft zu spren­gen — nur gut 300 Meter vom deutschen Teil des Camps entfernt. Einige der 150 im Feldla­ger statio­nier­ten Bundes­wehr­sol­da­ten bezogen Stellung, um das Camp zu vertei­di­gen. Doch die spani­schen und malischen Wachsol­da­ten hatten die Situa­ti­on schnell im Griff.

Dass Chaos in der Sahel­re­gi­on bis nach Europa zu spüren sein wird, betonen Politi­ker immer wieder. Die Frage, was in welcher Zeit dort erreicht werden kann, lässt aber viele grübeln. Die Einsät­ze in Mali, die oft über Wochen und Monate kaum öffent­li­ches Inter­es­se finden, sind nach dem Abzug der Bundes­wehr aus Afgha­ni­stan nun sicher­lich das gefähr­lichs­te Aktionsfeld.

Rückzug der Bundes­wehr gefordert

Im Bundes­tag zeigte man sich bestürzt. «Der Anschlag zeigt, welcher Gefahr die Bundes­wehr in ihren Einsät­zen tagtäg­lich ausge­setzt ist und welche Verant­wor­tung das Parla­ment bei der Manda­tie­rung trägt», sagte FDP-Vertei­di­gungs­po­li­ti­ker Alexan­der Müller. Links­frak­ti­ons­chef Dietmar Bartsch forder­te den nächs­ten Bundes­tag dazu auf, die Auslands­ein­sät­ze der Bundes­wehr grund­sätz­lich zu überdenken.

Der vertei­di­gungs­po­li­ti­sche Sprecher der AfD-Bundes­tags­frak­ti­on, Rüdiger Lucas­sen, sagte zu dem Einsatz, wer Solda­ten in Auslands­ein­sät­ze schicke, müsse das sehr gut begrün­den. «Für die AfD-Bundes­tags­frak­ti­on gelten folgen­de Prüfkri­te­ri­en: außer­or­dent­li­ches natio­na­les Inter­es­se, klare Strate­gie, völker­recht­li­ches Mandat. Die ersten beiden Punkte sind in Mali nicht erfüllt. Die Bundes­re­gie­rung muss den Einsatz beenden.»

Dem wider­sprach Unions-Kanzler­kan­di­dat Armin Laschet: Die Bundes­wehr sei «aus sehr gutem Grund» in Mali. Sie solle für Sicher­heit im Kampf gegen den Terro­ris­mus in einer der ärmsten Regio­nen der Erde sorgen. Der Einsatz «ist wichtig, weil er Frieden sichert».

Der Vorsit­zen­de des Bundes­wehr­ver­ban­des, André Wüstner, verlang­te nach dem Anschlag mehr Schutz für die Einsatz­kräf­te. «Dieser Anschlag zeigt, wie brand­ge­fähr­lich der Einsatz in Mali ist», sagte er dem Redak­ti­ons­netz­werk Deutsch­land (RND). Zwar sei es für weite­re Analy­sen noch zu früh, doch bleibe schon jetzt festzu­hal­ten: «Eine nicht verhan­del­ba­re Voraus­set­zung für die Fortset­zung des Einsat­zes ist die Gewähr­leis­tung der Rettungs­ket­te», sagte Wüstner. «Und grund­sätz­lich möchte ich daran erinnern, wie notwen­dig der Schutz unserer Truppen auch durch bewaff­ne­te Drohnen ist.»

Von Carsten Hoffmann, dpa