MOSKAU (dpa) — Westli­che Länder planen die Abkehr von russi­scher Energie, Finnland und Schwe­den erwägen einen Nato-Beitritt. Nun reagiert Russland und die USA nehmen die Drohung nicht auf die leich­te Schulter.

50 Tage nach Beginn des Ukrai­ne-Kriegs hat Russland am Donners­tag düste­re Warnun­gen an den Westen gerich­tet. Kreml­chef Wladi­mir Putin prophe­zei­te negati­ve Folgen eines Energie­em­bar­gos gegen Russland.

Sein Vorgän­ger Dmitri Medwe­dew drohte für den Fall eines Nato-Beitritt Finnlands und Schwe­dens mit der Statio­nie­rung von Atomwaf­fen im Ostseeraum.

Drohun­gen aus Moskau

Wegen des Ukrai­ne-Kriegs erwägen Finnland und Schwe­den zudem nun ernst­haft, rasch dem westli­chen Vertei­di­gungs­bünd­nis Nato beizu­tre­ten. Darauf reagier­te Ex-Präsi­dent Medwe­dew erbost. «In diesem Fall kann schon nicht mehr von einem atomwaf­fen­frei­en Status des Balti­kums die Rede sein», schrieb der Putin-Vertrau­te bei Telegram.

Mit Balti­kum ist aus Moskau­er Sicht der Ostsee­raum gemeint, wo auch die russi­sche Region Kalinin­grad um das frühe­re Königs­berg liegt. Die balti­schen EU-Staaten Lettland, Estland und Litau­en sind Nato-Mitglieder.

Der Politi­ker, Vize-Chef des Sicher­heits­ra­tes, drohte konkret mit der Statio­nie­rung von «Iskander»-Raketen, Hyper­schall­waf­fen und Kriegs­schif­fen mit Atomwaf­fen — für die Finnen und Schwe­den etwa in Reich­wei­te «des eigenen Hauses». «Wir wollen hoffen, dass die Vernunft der nördli­chen Partner doch noch siegt», meinte Medwe­dew. Doch wenn nicht, dann werde Russland handeln.

Kreml: Welt wird «noch unsicherer»

«Womög­lich wird die Welt dann schon bald, also bis zum Sommer dieses Jahres, noch unsiche­rer», sagte der Vertrau­te von Kreml­chef Wladi­mir Putin. «Das bedeu­tet, dass Russland mehr offizi­ell regis­trier­te Gegner haben wird», meinte Medwe­dew. Moskau werde darauf mit «kühlem Kopf» reagieren.

Für Russland werde sich im Fall eines Nato-Beitritts von Finnland die Landgren­ze zum Nato-Gebiet mehr als verdop­peln. Diese Grenzen müssten dann gesichert werden, auch durch eine Luftab­wehr und durch eine massi­ve Präsenz der Kriegs­ma­ri­ne etwa in der Region des Finni­schen Meerbu­sens. Bisher habe Russland auf solche Schrit­te verzich­ten können.

Medwe­dew meinte, dass die Nato unabhän­gig von dem Konflikt in der Ukrai­ne schon früher versucht habe, ihren Einfluss­be­reich auf diese Länder auszu­deh­nen. Zugleich machte er deutlich, dass Schwe­den und Finnland nichts zu befürch­ten hätten bisher. «Wir haben mit diesen Ländern keine Gebiets­strei­tig­kei­ten wie mit der Ukrai­ne. Deshalb ist der Preis einer Mitglied­schaft für uns ein anderer», sagte Medwedew.

Russland ist gegen eine Nato-Mitglied­schaft der Ukrai­ne, unter anderem mit der Begrün­dung, dass Kiew sich die 2014 von Moskau annek­tier­te Schwarz­meer-Halbin­sel Krim mit Gewalt zurück­ho­len könnte. Putin hatte wieder­holt vor einem Krieg zwischen Russland und der Nato gewarnt.

USA: Russi­sche Drohung nicht auf leich­te Schul­ter nehmen

Angesichts der militä­ri­schen Rückschla­ge für Russland in der Ukrai­ne darf die mögli­che Bedro­hung eines russi­schen Einsat­zes takti­scher Atombom­ben nach Ansicht von CIA-Chef Bill Burns nicht auf die leich­te Schul­ter genom­men werden. Moskau habe sich mit den Äußerun­gen zur erhöh­ten Einsatz­be­reit­schaft seiner Atomwaf­fen Drohge­bär­den bedient, bislang hätten die USA dafür aber kaum prakti­sche Belege wie Truppen­be­we­gun­gen oder militä­ri­sche Vorbe­rei­tun­gen gesehen, sagte der Chef des US-Auslands­ge­heim­diens­tes am Donners­tag an einer Univer­si­tät im Bundes­staat Georgia.

Mit Blick auf den russi­schen Staats­chef Wladi­mir Putin sagte Burns: «Angesichts der mögli­chen Verzweif­lung von Präsi­dent Putin und der russi­schen Führung, angesichts der bislang erfah­re­nen militä­ri­schen Rückschlä­ge, kann keiner von uns die Bedro­hung durch einen mögli­chen Einsatz takti­scher Atomwaf­fen oder Atomwaf­fen gerin­ger Spreng­kraft auf die leich­te Schul­ter nehmen. Wir tun es nicht», sagte Burns.

Baerbock: Schwe­den und Finnland wären in Nato willkommen

Außen­mi­nis­te­rin Annale­na Baerbock pochte vor dem Hinter­grund russi­scher Drohun­gen für den Fall des Nato-Beitritts von Finnland und Schwe­den auf das freie Entschei­dungs­recht beider Länder. «Es ist das Recht eines jeden Landes (…), sich seine Vertei­di­gungs­bünd­nis­se frei zu wählen», sagte Baerbock am Donners­tag am Rande eines Besuches in Niger. Dies gelte erst recht für zwei europäi­sche Länder, die bereits Mitglie­der in der Europäi­schen Union seien.

«Wenn sich Finnland und Schwe­den dafür entschei­den, dann sind sie herzlich willkom­men» in der Vertei­di­gungs­al­li­anz, sagte Baerbock auf eine entspre­chen­de Journalistenfrage.

Litau­en: Russi­sche Drohung «ziemlich seltsam»

Litau­ens Präsi­dent Gitanas Nause­da bezeich­net die russi­sche Drohung, im Fall eines Nato-Beitritts von Finnland und Schwe­den Atomwaf­fen im Ostsee­raum zu statio­nie­ren, als «einen leeren Schuss in die Luft». «Ich weiß nicht, ob es möglich ist, etwas, was im Grunde schon statio­niert ist, wieder neu zu statio­nie­ren», sagte er in Vilni­us. Nach Angaben des Staats­ober­haupts des balti­schen EU- und Nato-Landes hat Russland bereits Atomwaf­fen in seine Ostsee-Exkla­ve Kalinin­grad verlegt. «Keine strate­gi­schen, aber sie sind statio­niert», sagte Nause­da. Litau­en grenzt im Westen an Kalinin­grad — das Gebiet um das frühe­re Königsberg.

Auch Vertei­di­gungs­mi­nis­ter Arvydas Anusaus­kas reagiert verwun­dert. Die Drohung erschei­ne «ziemlich seltsam», sagte er. «Atomwaf­fen wurden schon immer in der Region Kalinin­grad aufbe­wahrt». Die inter­na­tio­na­le Gemein­schaft und die Länder der Region seien sich dessen vollkom­men bewusst, sagte Anusaus­kas der Agentur BNS.

Putin wirft westli­chen Banken Ausfäl­le bei Gas-Zahlun­gen vor

Wenig später richte­te Putin selbst Vorwür­fe an westli­che Staaten, die Gas aus Russland bezie­hen: «Die Banken aus diesen äußerst unfreund­li­chen Staaten halten die Überwei­sung von Zahlun­gen zurück», sagte der Präsi­dent. Putin hatte Ende März angewie­sen, dass EU-Länder russi­sches Gas nur noch in Rubel bezah­len dürfen. Aller­dings ließ er den Bezie­hern die Möglich­keit, auf ein Konto bei der Gazprom­bank doch wie bisher Dollar und Euro einzu­zah­len und es von der Bank konver­tie­ren zu lassen. Wo jetzt die Proble­me liegen sollen, blieb zunächst offen.

Deutlich äußer­te sich Putin aber zu den in der EU immer lauter werden­den Forde­run­gen nach einem Embar­go gegen russi­sches Gas und Öl: «Die Folgen eines solchen Schrit­tes können sehr schmerz­haft werden — vor allem für die Initia­to­ren einer solchen Politik.»