Der Bund will mit einem zeitlich beschränk­ten Lockdown die anschwel­len­de Corona-Infek­ti­ons­wel­le brechen. Famili­en und Freun­de sollen gemein­sam Weihnach­ten feiern können. Ob es diesmal eine einheit­li­che Linie mit den Ländern gibt?

Bundes­weit sollen Freizeit­ein­rich­tun­gen und Gastro­no­mie geschlos­sen, Unter­hal­tungs­ver­an­stal­tun­gen verbo­ten und Kontak­te in der Öffent­lich­keit sowie Feiern auf Plätzen und in Wohnun­gen einge­schränkt werden. Das geht aus einem der dpa vorlie­gen­den Entwurf der Beschluss­vor­la­ge des Bundes für die Video-Konfe­renz von Kanzle­rin Angela Merkel (CDU) mit den Minis­ter­prä­si­den­ten an diesem Mittwoch hervor.

Die Maßnah­men sollen ab dem 4. Novem­ber deutsch­land­weit in Kraft treten und bis Ende des Monats gelten. Nach Ablauf von zwei Wochen sollen Kanzle­rin und Länder­chefs die erreich­ten Ziele beurtei­len und notwen­di­ge Anpas­sun­gen vorneh­men. «Famili­en und Freun­de sollen sich auch unter Corona-Bedin­gun­gen in der Weihnachts­zeit treffen können. Dazu bedarf es jetzt erneut, wie schon im Frühjahr, einer gemein­sa­men Anstren­gung», heißt es in dem Papier. Viele geplan­te Maßnah­men gleichen den Einschrän­kun­gen, die es bereits im Frühjahr während der ersten Corona-Welle gegeben hat.

Offen war, ob und wie weitge­hend die Länder die Maßnah­men mittra­gen. Thürin­gens Minis­ter­prä­si­dent Bodo Ramelow (Linke) hat eine Zustim­mung seiner Regie­rung zu einem derar­ti­gen Beschluss bereits ausge­schlos­sen. Andere Länder hatten dagegen schon vor dem virtu­el­len Treffen Verschär­fun­gen angekün­digt. Vor den Beratun­gen von Merkel mit den Länder­chefs (13.00 Uhr) wollen sich die Minis­ter­prä­si­den­ten bereits um 10.30 Uhr zu Vorge­sprä­chen zusammenschalten.

Die geplan­ten Maßnah­men im Einzelnen:

Öffent­lich­keit, Feiern: Nur noch Angehö­ri­ge des eigenen und eines weite­ren Hausstan­des sollen sich gemein­sam in der Öffent­lich­keit aufhal­ten dürfen. Verstö­ße gegen diese Kontakt­be­schrän­kun­gen sollen von den Ordnungs­be­hör­den sanktio­niert werden. Gruppen feiern­der Menschen auf öffent­li­chen Plätzen, in Wohnun­gen sowie priva­ten Einrich­tun­gen seien angesichts der ernsten Lage inakzeptabel.

Schulen und Kinder­gär­ten: Diese Einrich­tun­gen sollen offen bleiben. Die Länder sollten aber weite­re Schutz­maß­nah­men einführen.

Einzel­han­del: Einzel­han­dels­ge­schäf­te sollen unter Aufla­gen zur Hygie­ne, zur Steue­rung des Zutritts und zur Vermei­dung von Warte­schlan­gen insge­samt geöff­net bleiben. Es müsse aber sicher­ge­stellt werden, dass sich in den Geschäf­ten nicht mehr als ein Kunde pro 25 Quadrat­me­ter aufhalte.

Unter­hal­tungs­ver­an­stal­tun­gen: Theater, Opern oder Konzert­häu­ser sollen schlie­ßen. Dies gilt auch für Messen, Kinos, Freizeit­parks, Spiel­hal­len, Spiel­ban­ken und Wettan­nah­me­ein­rich­tun­gen. Auch Bordel­le und andere Prosti­tu­ti­ons­stät­ten sollen geschlos­sen werden.

Sport: Freizeit- und Amateur­sport­be­trie­be sollen auf und in allen öffent­li­chen und priva­ten Sport­an­la­gen geschlos­sen werden, ebenso Schwimm- und Spaßbä­der sowie Fitness­stu­di­os. Über Spiele der oberen Fußball-Ligen wird in dem Papier nichts Konkre­tes gesagt.

Gastro­no­mie und Hotels: Bars, Clubs, Disko­the­ken, Kneipen und ähnli­che Einrich­tun­gen sollen geschlos­sen werden. Ausge­nom­men werden sollen die Liefe­rung und Abholung von Speisen für den Verzehr zu Hause. Touris­ti­sche Übernach­tungs­an­ge­bo­te im Inland sollen unter­sagt werden. Angebo­te sollten nur noch für notwen­di­ge Zwecke gemacht werden. Die Bürger werden aufge­for­dert, generell auf priva­te Reisen und auf Verwand­ten­be­su­che zu verzichten.

Körper­pfle­ge: Kosme­tik­stu­di­os, Massa­ge­pra­xen oder Tattoo­stu­di­os sollen schlie­ßen, medizi­nisch notwen­di­ge Behand­lun­gen wie Physio­the­ra­pien aber möglich sein. Friseur­sa­lons bleiben — anders als im Frühjahr — aber unter den bestehen­den Hygie­ne­vor­ga­ben geöffnet.

Wirtschaft: Indus­trie, Handwerk und Mittel­stand solle siche­res Arbei­ten umfas­send ermög­licht werden, heißt es im Entwurf. Die Arbeit­ge­ber müssten ihre Mitar­bei­ter vor Infek­tio­nen schüt­zen. Wo immer umsetz­bar soll Heimar­beit ermög­licht werden.

Hilfe für Unter­neh­men: Der Bund will Hilfen verlän­gern und die Kondi­tio­nen etwa für die Kultur- und Veran­stal­tungs­wirt­schaft verbes­sern. Außer­dem soll der Schnell­kre­dit der staats­ei­ge­nen KfW Banken­grup­pe für Unter­neh­men mit weniger als zehn Beschäf­tig­ten geöff­net und angepasst werden.

Risiko­grup­pen: Für Kranke, Pflege­be­dürf­ti­ge, Senio­ren und Behin­der­te solle es zügig und priori­tär Corona-Schnell­tests geben. Der beson­de­re Schutz in diesem Bereich dürfe aber nicht zu einer vollstän­di­gen sozia­len Isola­ti­on führen.

Kontrol­len: Zur Einhal­tung der Maßnah­men sollen flächen­de­ckend die Kontrol­len verstärkt werden. Zudem sollen Bund und Länder sollen Bürge­rin­nen und Bürger verstärkt über die Corona-Maßnah­men infor­mie­ren «und durch möglichst einheit­li­che Maßnah­men die Übersicht­lich­keit erhöhen», heißt es in dem Papier.

Reaktio­nen und Stimmen

FDP-Partei- und ‑Frakti­ons­chef Chris­ti­an Lindner twitter­te, die Kanzle­rin wolle «unter anderem die Gastro­no­mie komplett still legen. Das hielte ich für unnötig und deshalb auch für verfas­sungs­wid­rig.» SPD-Chef Norbert Walter-Borjans sagte der dpa: «Wir müssen die Dynamik des Virus aufhal­ten und mit verein­ten Kräften alle notwen­di­gen Maßnah­men ergreifen.»

Der Präsi­dent des Bundes­ver­band mittel­stän­di­sche Wirtschaft, Mario Ohoven sagte der dpa: «Der überwie­gen­de Teil des Mittel­stands verkraf­tet keinen weite­ren Lockdown. Für Zehntau­sen­de Unter­neh­men käme dies einem Todes­stoß gleich.» Der Mittel­stands­be­auf­trag­te der Bundes­re­gie­rung, Thomas Bareiß, sagte der dpa: «Sicher­heit und Gesund­heit haben die nächs­ten Wochen obers­te Priori­tät. Bei den anste­hen­den Maßnah­men müssen wir aber auch die Auswir­kun­gen auf die betrof­fe­nen Unter­neh­men bedenken.»

Die Deutsche Stiftung Patien­ten­schutz forder­te einheit­li­che Maßstä­be in ganz Deutsch­land. «Damit weiter­hin möglichst viele mitma­chen, braucht es bei gleicher Lage auch die gleichen Beschrän­kun­gen», sagte Vorstand Eugen Brysch der dpa.