WASHINGTON/KIEW (dpa) — Mehr als 50 Stunden müssen die Menschen am Grenz­über­gang Siret nach Rumäni­en warten. An den Grenz­sta­tio­nen nach Moldau, Polen oder die Slowa­kei sieht es nicht sehr viel anders aus.

Bei der Ausrei­se aus der Ukrai­ne kann es nach Angaben der US-Botschaft je nach Grenz­über­gang zu extrem langen Warte­zei­ten von mehr als zwei Tagen kommen.

Die Botschaft teilte auf Twitter mit, Ausrei­sen­de sollten Vorrä­te wie Lebens­mit­tel, Wasser, Extra-Batte­rien für Handys oder auch Schlaf­sä­cke mit sich führen. «Seien Sie darauf vorbe­rei­tet, weite Strecken zu laufen.» Die längs­ten Warte­zei­ten mit mehr als 50 Stunden melde­te die Botschaft am Grenz­über­gang Siret nach Rumäni­en. Andere Übergän­ge von der Ukrai­ne in das Land wurden mit bis zu zehn Stunden aufgeführt.

Nach Polen betru­gen die Warte­zei­ten an den Grenz­sta­tio­nen demnach zwischen 20 und 24 Stunden, nach Moldau 13 bis 38 Stunden und in die Slowa­kei zwischen vier Stunden (nur für Fußgän­ger) und elf Stunden. Die Botschaft warnte, die Bedin­gun­gen könnten sich schnell ändern. Viele Hotels nahe der Grenze seien voll. Als Reakti­on auf die eskalie­ren­de Krise hatten die USA das Perso­nal ihrer Botschaft in der Ukrai­ne nach Polen verlegt.

Mehr als 500.000 Menschen auf der Flucht

Seit Donners­tag — dem Beginn des russi­schen Angriffs­krie­ges auf die Ukrai­ne — sind nach Angaben des UN-Flücht­lings­hilfs­werks (UNHCR) mehr als 500.000 Menschen in benach­bar­te Länder geflo­hen. Das gab der UN-Hochkom­mis­sar für Flücht­lin­ge, Filip­po Grandi, auf Twitter bekannt. Damit ist die Zahl der Flücht­lin­ge seit Sonntag­abend um rund 80.000 angestiegen.

Außer­dem sei im Zuge der russi­schen Invasi­on eine sechs­stel­li­ge Zahl an Menschen inner­halb der Ukrai­ne vertrie­ben worden, sagte UNHCR-Sprecher Chris Melzer. Eine genaue Schät­zung der Binnen­flücht­lin­ge sei derzeit nicht möglich.

Ukrai­ne-Krieg führt zu humani­tä­rer Krise

Die meisten Flücht­lin­ge haben sich bislang nach Polen aufge­macht. «Diese Berich­te von Bomben und Raketen, die auf zivile Objek­te und sogar auf Kinder­gär­ten und Schulen fallen, führen dazu, dass (…) wir immer mehr Flücht­lin­ge an der polnisch-ukrai­ni­schen Grenze haben», sagte Polens Regie­rungs­chef Mateusz Morawi­ecki in Warschau. Bislang seien etwa 300.000 Flücht­lin­ge aus der Ukrai­ne einge­trof­fen, mittler­wei­le seien es 100 000 pro Tag.

Polen habe sehr schnell ein System der humani­tä­ren Hilfe aufge­baut, man helfe sowohl den Flücht­lin­gen, die nach Polen kommen, als auch den Menschen in der Ukrai­ne, sagte Morawi­ecki. Warschau müsse schnell handeln, denn Russland drohe mit einem Angriff zur Abrie­ge­lung. «Es gibt bereits Drohun­gen mit einem Angriff von Norden, von der belarus­si­schen Seite auf den Teil der Westukrai­ne, wo beson­ders viele Flücht­lin­ge versam­melt sind», warnte Polens Ministerpräsident.

Deutsch­land haben in den vergan­ge­nen Tagen 1800 Flücht­lin­ge erreicht. Das sagte ein Sprecher des Bundes­in­nen­mi­nis­te­ri­ums in Berlin. Dabei handelt es sich nach Angaben aus Sicher­heits­krei­sen haupt­säch­lich um Ukrai­ner, aber auch einige Menschen aus anderen Staaten, beispiels­wei­se auslän­di­sche Studenten.

Itali­ens Regie­rung beschließt Notstand

Die italie­ni­sche Regie­rung hat zur Bewäl­ti­gung der erwar­te­ten Flücht­lings­strö­me aus der Ukrai­ne einen Notstand bis Jahres­en­de ausge­ru­fen. Das beschloss der Minis­ter­rat in Rom. Ein Notstand erlaubt der Regie­rung, in bestim­men Fällen Sofort­maß­nah­men ohne vorhe­ri­ge Beratun­gen im Parla­ment zu treffen.

Nach dem Angriff Russlands auf die Ukrai­ne berei­tet sich Itali­en darauf vor, viele Geflüch­te­te aufzu­neh­men — in dem Land lebt eine große ukrai­ni­sche Gemein­de von geschätzt rund 250.000 Menschen.

In einer ersten Maßnah­me machte die Regie­rung 10 Millio­nen Euro frei, um die Ankunft der Flücht­lin­ge zu organi­sie­ren. Unter anderem sollen damit die Aufnah­me­zen­tren verstärkt werden.

Frank­reich: TGV für Ukrai­ne-Flücht­lin­ge kostenlos

Flücht­lin­ge aus der Ukrai­ne können nun in Frank­reich wie auch in Deutsch­land und anderen Ländern kosten­los mit der Bahn fahren. «Das Drama, das die Ukrai­ne trifft, berührt uns alle», schrieb der Chef der franzö­si­schen Bahnge­sell­schaft SNCF, Jean-Pierre Faran­dou, auf Twitter. «Die SNCF und die Eisen­bah­ner sind solida­risch mit den ukrai­ni­schen Flücht­lin­gen.» Diese könnten in den TGV- und Inter­ci­ty-Zügen kosten­los mitfahren.