Das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt stellt klar: Einen Mieten­de­ckel in einem einzel­nen Bundes­land hätte es niemals geben dürfen. Hier hat der Bund das Sagen. Den Schaden haben nun die Miete­rin­nen und Mieter.

KARLSRUHE (dpa) — Berli­ner Miete­rin­nen und Mieter müssen sich auf höhere Mieten einstel­len. Das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt erklär­te den 2020 in zwei Stufen in Kraft getre­te­nen Mieten­de­ckel mit am Donners­tag veröf­fent­lich­tem Beschluss für nichtig.

Damit gilt das Landes­ge­setz nicht nur ab sofort nicht mehr — die Rechts­la­ge ist nun so, als hätte es den Mieten­de­ckel nie gegeben. Zur Begrün­dung teilten die Verfas­sungs­rich­ter mit, der Bundes­ge­setz­ge­ber habe spätes­tens mit der Mietpreis­brem­se eine abschlie­ßen­de Regelung geschaf­fen. Für eigene Geset­ze der Länder sei deshalb kein Raum. (Az. 2 BvF 1/20 u.a.)

Die Berli­ner Bauver­wal­tung erklär­te: «Für die Miete­rin­nen und Mieter bedeu­tet dies, dass sie wieder die mit ihren Vermie­te­rin­nen und Vermie­tern auf Grund­la­ge des Bürger­li­chen Gesetz­bu­ches verein­bar­ten Mieten zu entrich­ten und gegebe­nen­falls auch die Diffe­renz zwischen der Mieten­de­ckel­mie­te und der Vertrags­mie­te nachzu­zah­len haben.»

Bause­na­tor Sebas­ti­an Scheel (Linke) kündig­te an, der Senat werde am Diens­tag über Konse­quen­zen beraten. Es gehe nun darum, «sozial verträg­li­che Lösun­gen für Miete­rin­nen und Mieter zu entwickeln».

Deutsch­lands größter Wohnungs­kon­zern Vonovia kündig­te an, keine Nachfor­de­run­gen zu stellen. Den Mietern sollten «keine finan­zi­el­len Nachtei­le aufgrund getrof­fe­ner politi­scher Entschei­dun­gen entste­hen», teilte Vorstands­chef Rolf Buch in Bochum mit. Der Immobi­li­en­kon­zern besitzt in Berlin etwa 42.000 Wohnun­gen. Etwa ein Drittel war von den gesetz­lich erzwun­ge­nen Mietkür­zun­gen betroffen.

Die rot-rot-grüne Landes­re­gie­rung hatte zum 23. Febru­ar 2020 die Mieten für rund 1,5 Millio­nen Wohnun­gen auf dem Stand von Juni 2019 einge­fro­ren. Das betrifft neun von zehn Mietwoh­nun­gen. Ab 2022 sollten Vermie­ter zumin­dest die Infla­ti­on ausglei­chen dürfen.

Für den Fall, dass die Mieter wechseln, sah das Mieten­de­ckel-Gesetz vor, dass es bei der alten Miete bleibt oder Obergren­zen greifen. Mieten, die um mehr als 20 Prozent über der für die Wohnung gelten­den Obergren­ze liegen, galten als zu hoch. Seit dem 23. Novem­ber waren betrof­fe­ne Vermie­ter gesetz­lich verpflich­tet, sie abzusenken.

Bei Verstö­ßen drohte ein Bußgeld von bis zu 500.000 Euro. Der Mieten­de­ckel galt nicht für neue Wohnun­gen, die seit 2014 fertig wurden. Die Regelung war auf fünf Jahre befris­tet, also bis 2025.

Ein solches Gesetz hätte ein einzel­nes Bundes­land aber gar nicht beschlie­ßen dürfen, entschie­den nun die Verfas­sungs­rich­ter. Das Mietrecht sei seit dessen Inkraft­tre­ten im Jahr 1900 ein essen­zi­el­ler Bestand­teil des Bürger­li­chen Gesetz­buchs (BGB). Die Regelun­gen dort seien sehr ausdif­fe­ren­ziert. Das deute darauf hin, dass der Bundes­ge­setz­ge­ber eine abschlie­ßen­de Regelung treffen wollte.

Spätes­tens mit dem Erlass der Mietpreis­brem­se, die seit 2015 in beson­ders begehr­ten und teuren Wohnge­gen­den greift, habe der Bund den Bereich abschlie­ßend geregelt, so die Richte­rin­nen und Richter des Zweiten Senats. Sie sei noch mehrfach nachjus­tiert worden. Dabei habe sich der Bund um einen Ausgleich zwischen den grund­recht­lich geschütz­ten Inter­es­sen von Mietern und Vermie­tern bemüht.

Für einen Mieten­de­ckel in einem Bundes­land ist daneben kein Platz mehr: Das Berli­ner Gesetz veren­ge die vom Bund belas­se­nen Spiel­räu­me und führe ein paral­le­les Landes­recht «mit stati­schen und markt­un­ab­hän­gi­gen Festle­gun­gen» ein, teilte das Gericht weiter mit. Die Verbo­te begrenz­ten die Privat­au­to­no­mie beim Abschluss von Mietver­trä­gen über das im BGB erlaub­te Maß hinaus.

Bundes­bau­mi­nis­ter Horst Seeho­fer (CSU) begrüß­te die Entschei­dung. Der Mieten­de­ckel sei «der völlig falsche Weg» gewesen. «Er hat für Unsicher­heit auf den Wohnungs­märk­ten gesorgt, Inves­ti­tio­nen ausge­bremst und keine einzi­ge neue Wohnung geschaffen.»

Der Deutsche Mieter­bund forder­te den Bund auf, endlich zu handeln und «die Mieten­ex­plo­si­on in vielen deutschen Städten zu stoppen». Die Immobi­li­en­wirt­schaft begrüß­te, dass es nun Rechts­klar­heit gibt.

Die Überprü­fung durch das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt hatten mehr als 280 Bundes­tags­ab­ge­ord­ne­te von FDP und Union angesto­ßen, mit einem gemein­sa­men Normen­kon­troll­an­trag. Auch das Berli­ner Landge­richt und ein Amtsge­richt, bei denen Vermie­ter geklagt haben, hielten die Vorschrif­ten für verfas­sungs­wid­rig und schal­te­ten Karls­ru­he ein.