AMELAND (dpa) — Das Feuer auf dem Schiff greift schnell um sich. Menschen sprin­gen von Bord — 30 Meter tief. Lösch- und Bergungs­schif­fe sind Stunden im Einsatz. Der Frach­ter darf nicht sinken.

Dicke Rauch­wol­ken hängen über dem Watten­meer, Flammen schla­gen aus einem Auto-Frach­ter vor der nieder­län­di­schen Insel Ameland. Gut 27 Kilome­ter vor der Küste versu­chen Rettungs­kräf­te mit aller Macht am Mittwoch ein Sinken des Schif­fes und damit eine Umwelt­ka­ta­stro­phe zu verhin­dern. Der mit knapp 3000 Autos gelade­ne Frach­ter «Fremant­le Highway» war in der Nacht in Brand geraten. Die Besat­zung musste Hals über Kopf das Schiff verlas­sen. Ein Mensch kam dabei ums Leben, die übrigen 22 wurden leicht verletzt.

Bei einem Sinken des Schif­fes könnten Treib­stoff, Öl und die etwa 3000 Autos ins Wasser und auf den Meeres­bo­den gelan­gen. «Wir tun alles, um das zu verhin­dern», sagte ein Sprecher der Wasser­be­hör­de dem Radio­sen­der NOS. Aber die Rettungs­kräf­te berei­te­ten sich «auf alle Szena­ri­en» vor.

Die Bergung sei schwie­rig, sagte der Sprecher der Küsten­wa­che, Edwin Granne­man. Und das Feuer war am frühen Mittwoch­nach­mit­tag noch immer nicht unter Kontrol­le. Ein Notka­bel, über das der Frach­ter mit einem Schlep­per verbun­den ist, sei nicht stabil genug. «Die Lage ist nun zu insta­bil, um das Schiff wegzu­schlep­pen.» Durch das Kabel aber blockiert das Schiff nun nicht länger die Route von und nach Deutschland.

Unter der Flagge Panamas

Gegen Mitter­nacht war das Feuer auf der «Fremant­le Highway», die unter der Flagge von Panama fährt und von Bremer­ha­ven unter­wegs war nach Ägypten, ausge­bro­chen, berich­te­te die Küsten­wa­che. Und zwar bei den etwa 25 elektri­schen Autos. Die Besat­zung versuch­te, den Brand einzu­däm­men. Doch der breite­te sich so schnell aus, dass die Besat­zung das etwa 200 Meter lange Schiff verlas­sen musste. Einige Menschen mussten von Bord sprin­gen — rund 30 Meter in die Tiefe.

«Einer nach dem anderen sprang», sagte Kapitän Willard Molen­aar vom Amelan­der Rettungs­boot, das als erstes an der Unglücks­stel­le war. «Die waren echt in Not, sonst springt man nicht einfach so tief.» Sieben Menschen rette­ten er und seine Crew aus der See. Die übrigen wurden mit Hubschrau­bern von Bord geholt und in mehre­re Kranken­häu­ser gebracht.

Lösch- und Bergungs­schif­fe waren schnell zur Stelle — auch aus Deutsch­land kam Hilfe. Doch das Feuer war nur schwer zu löschen. Vor allem die Lithi­um-Batte­rien der E‑Autos erschwer­ten die Lösch­ar­bei­ten, sagte der Sprecher der Küstenwache.

Warnung vor Lithium-Ionen-Akkus

Mögli­cher­wei­se waren auch sie Ursache des Brandes. Erst kürzlich hatte der Indus­trie­ver­si­che­rer der Allianz (AGCS) vor erhöh­tem Brand­ri­si­ko durch den Trans­port der Lithi­um-Ionen-Akkus auf Schif­fen gewarnt. Haupt­ur­sa­chen für Brände, die von den Akkus ausge­hen, seien Produk­ti­ons­de­fek­te, beschä­dig­te Batte­rie­zel­len oder Geräte sowie eine Überla­dung oder Kurzschlüs­se, schreibt der Versi­che­rer in seiner neues­ten Schiff­fahrts­stu­die. Sie seien tückisch, weil sie schwer zu löschen seien und sich spontan wieder­ent­zün­den könnten. «Die meisten Schif­fe verfü­gen weder über ausrei­chen­den Schutz noch über ausrei­chen­de Frühwarn- oder Lösch­fä­hig­kei­ten, um solche Brände auf hoher See zu bekämp­fen», sagte der Schiff­fahrts­exper­te Justus Heinrich.

Umwelt­or­ga­ni­sa­tio­nen und auch Bürger­meis­ter umlie­gen­der Gebie­te sind besorgt über mögli­che Schäden durch Öl oder Müll. «Das könnte eine Umwelt­ka­ta­stro­phe für die Nordsee und das Watten­meer bedeu­ten», warnte ein Sprecher der Stiftung De Noordzee am Mittwoch. Ein Unter­gang des brennen­den Autofrach­ters könnte aus Sicht des Bürger­meis­ters der deutschen Nordsee­insel Borkum schwe­re Umwelt­schä­den zur Folge haben. «Das Schlimms­te wäre, dass das Schiff sinkt und unkon­trol­liert Schad­stof­fe in das Meer gespült werden», sagte Jürgen Akker­mann (partei­los) der Deutschen Presse-Agentur.

Einige denken nun auch zurück an die Katastro­phe des Contai­ner­schiffs MSC Zoe 2019. Damals hatte das Schiff in der stürmi­schen Nordsee auf der Fahrt nach Bremer­ha­ven 342 Contai­ner verlo­ren. Die meisten zerbars­ten beim Aufprall auf dem Wasser, in der Folge trieb tonnen­wei­se Müll an die Strände.

Von Annet­te Birschel, dpa