Baden-Württemberg ist Corona-Hochburg. Weil immer mehr Menschen am Virus sterben, greift der Südwesten nun zur härtesten Maßnahme — selbst wenn andere Länder nicht mitziehen sollten. Formt sich eine Koalition der Willigen?
STUTTGART (dpa) — Baden-Württemberg geht wegen der ungebremst steigenden Corona-Infektionen nach Weihnachten bis mindestens 10. Januar in den Lockdown.
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) kündigte am Freitag an, zur Not eine gemeinsame Lösung mit den Nachbarländern Baden-Württembergs anstreben zu wollen, sofern keine bundeseinheitliche Lösung gefunden werden könne. Wie genau der Lockdown aussehen soll, blieb zunächst offen.
«Die Lage ist leider alarmierend», betonte Kretschmann. «Wir haben Anzeichen für eine erneute exponentielle Zunahme der Neuinfektionen, deshalb müssen wir zwingend die Maßnahmen drastisch verschärfen.»
Landesregierung und Kommunale Landesverbände kämen gemeinsam zu der Einschätzung, dass ein harter Lockdown nach Weihnachten bis mindestens 10. Januar 2021 unerlässlich sei. Kretschmann sagte, er werde sich auf der für Sonntag anberaumten Ministerpräsidentenkonferenz mit der Bundeskanzlerin entsprechend für einen solchen Schritt einsetzen. Falls man sich nicht auf eine einheitliche Lösung einigt, will der Südwesten mit den Nachbarländern voranschreiten.
Wegen stark steigender Corona-Neuinfektionen in ganz Baden-Württemberg kommt das grün-schwarze Kabinett am Freitag in Stuttgart zu einer Sondersitzung zusammen. Anschließend ist eine Pressekonferenz mit Kretschmann und Vize-Regierungschef Thomas Strobl (CDU) geplant.
Bereits zu Anfang nächster Woche seien eine nächtliche Ausgangssperre sowie tagsüber Ausgangsbeschränkungen geplant, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur in Stuttgart nach einem Gespräch der grün-schwarzen Landesregierung mit den kommunalen Spitzenverbänden am Donnerstag. Wer das Haus tagsüber verlässt, soll das nur noch mit einem triftigen Grund tun, etwa für die Arbeit.
Allerdings muss noch geklärt werden, was alles unter einem triftigen Grund für das Verlassen des Hauses zu verstehen ist. Zuletzt war vor allem noch umstritten, ob nur noch das Einkaufen für den täglichen Bedarf ein triftiger Grund sein soll. Das würde bedeuten, dass der Einzelhandel bis auf Lebensmittelgeschäfte praktisch schließen müsste.
Geklärt werden muss zudem die Frage, ob die Schulen nun doch schon nächste Woche geschlossen werden sollen, wie es etwa Kanzlerin Angela Merkel (CDU) fordert. Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) hatte sich zuletzt vehement gegen eine solche flächendeckende Maßnahme gewehrt.
Die Zahl der bestätigten Corona-Infektionen im Südwesten war zuletzt innerhalb eines Tages um 4208 Fälle auf insgesamt 179 154 Ansteckungen seit Beginn der Pandemie gestiegen. Landesweit lag der Wert für Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen bei 168,8 und damit nochmals höher als an den Vortagen.