Baden-Württem­berg kippt auf eigene Faust die Masken­pflicht für Bewoh­ner von Pflege­hei­men. Gesund­heits­mi­nis­ter Manne Lucha (Grüne) sagte der Deutschen Presse-Agentur in Stutt­gart, man habe die Einrich­tun­gen am Freitag per Brief über diese Neuerung infor­miert. Die Heime sowie die Einrich­tun­gen der Behin­der­ten­hil­fe könnten ab sofort selbst entschei­den, ob sie an der Masken­pflicht für Bewoh­ne­rin­nen und Bewoh­ner in Gemein­schafts­räu­men zum Schutz gegen das Corona­vi­rus festhal­ten wollen.

Der Bund habe auf Drängen des Landes einen Katalog mit Fragen und Antwor­ten zu den umstrit­te­nen Paragra­fen des Infek­ti­ons­schutz­ge­set­zes vorge­legt. «Danach ist es nach unserer Auffas­sung vertret­bar, auf eine Masken­pflicht in Gemein­schafts­räu­men zu verzich­ten», sagte Lucha. Es sei wichtig, sozia­le Kontak­te zu ermög­li­chen. Die Beschäf­tig­ten müssen dagegen weiter eine FFP2-Maske tragen.

Die FDP nannte die Erleich­te­rung für Heimbe­woh­ner «längst überfäl­lig». Lucha hätte dies schon vor fast zwei Monaten entschei­den können. «Das hätte Pflege- und Behin­der­ten­ein­rich­tun­gen viel Ärger erspart und Verdruss über die Politik vermie­den», sagte Sozial­ex­per­te Jochen Haußmann. Im Sinne aller Betrof­fe­nen könne man den Schritt nur begrü­ßen, sagte der SPD-Gesund­heits­exper­te Flori­an Wahl. «Viele Betrof­fe­ne werden aber auch fragen, warum das Land erst jetzt gehan­delt hat.»

Der Minis­ter hatte sich seit Inkraft­tre­ten des Bundes­ge­set­zes zum 1. Oktober gegen die Regelung ausge­spro­chen. Diese legt fest, dass die Maske von den Bewoh­nern in den Gemein­schafts­räu­men getra­gen werden muss und nur in deren eigenen Zimmern abgenom­men werden darf. Das sei nicht mit dem Recht auf Selbst­be­stim­mung und sozia­le Teilha­be zu verein­ba­ren, argumen­tier­te der Grünen-Politi­ker immer wieder. Auch Einrich­tun­gen und deren Träger hatten dagegen protestiert.

Die Deutsche Stiftung Patien­ten­schutz ist irritiert über die Entschei­dung des Landes. «Ohne Zweifel ist die Masken­pflicht für Pflege­heim­be­woh­ner ein unzumut­ba­rer Eingriff in ihre Grund­rech­te», sagte der Chef der Stiftung, Eugen Brysch. Doch die grotes­ke Vorschrift ist Teil eines Bundes­ge­set­zes. Deswe­gen kann ein Bundes­land nicht eigen­mäch­tig davon abwei­chen.» Steck­ten sich viele Bewoh­ner an, «liegt der schwar­ze Peter bei den Betrei­bern». Brysch forder­te die Ampel-Koali­ti­on auf, das Gesetz zu ändern.

Das Gesund­heits­mi­nis­te­ri­um in Stutt­gart verweist in seinem Brief darauf, dass «insbe­son­de­re bei hoher regio­na­ler Inzidenz oder akuten Ausbruchs­ge­sche­hen den Bewoh­nen­den das Tragen einer Maske auch inner­halb der Wohngrup­pen empfoh­len werden sollte, sofern dies toleriert wird». Lucha verwies darauf, dass das Bundes­ar­beits­mi­nis­te­ri­um auch bei Werkstät­ten für Menschen mit Behin­de­run­gen eine Klarstel­lung gemacht habe. Auch da gebe es nun «Ausle­gungs­spiel­räu­me, was die Masken­pflicht angeht, damit sozia­le Teilha­be und Gemein­schafts­ak­ti­vi­tä­ten auch für Menschen mit hohem Schutz­be­darf möglich sind».