STUTTGART (dpa/lsw) — Die Bundes­re­gie­rung, die Nachrich­ten­diens­te, die inter­na­tio­na­le Gemein­schaft — sie alle haben die Lage in Afgha­ni­stan falsch einge­schätzt. So sagt es Außen­mi­nis­ter Heiko Maas. Die Macht­über­nah­me durch die Taliban hat Folgen auch für Baden-Württemberg.

Nach der Macht­über­nah­me in Afgha­ni­stan durch die militant-islamis­ti­schen Taliban will Baden-Württem­berg weite­re Ortskräf­te und deren Angehö­ri­ge aufneh­men. «Die Bilder aus Afgha­ni­stan sind erschüt­ternd», sagte Minis­ter­prä­si­dent Winfried Kretsch­mann (Grüne) am Montag. «Das Land Baden-Württem­berg steht selbst­ver­ständ­lich zur Unter­stüt­zung bereit und wird Menschen aus Afgha­ni­stan aufneh­men.» Migra­ti­ons­mi­nis­te­rin Marion Gentges (CDU) erklär­te, das Land habe schon in den vergan­ge­nen Wochen zahlrei­che afgha­ni­sche Ortskräf­te und ihre Famili­en aufgenommen.

Die Ortskräf­te hätten in den vergan­ge­nen Jahren die Bundes­wehr und Hilfs­or­ga­ni­sa­tio­nen unter­stützt und sich für Demokra­tie und Menschen­rech­te einge­setzt, erklär­te Regie­rungs­chef Kretsch­mann. Sie seien durch die Macht­über­nah­me der Taliban in höchs­ter Gefahr. «Es scheint mir zwingend, dass wir schnell in Bund-Länder-Gesprä­che einstei­gen, um die Hilfe bestmög­lich zu koordi­nie­ren», sagte er.

In welchem Umfang weite­re Menschen aus Afgha­ni­stan nach Baden-Württem­berg kommen werden, hänge von verschie­de­nen Fakto­ren ab, erklär­te Gentges. «Seriö­se Progno­sen schei­nen zum derzei­ti­gen Zeitpunkt noch nicht möglich.» Flücht­lin­ge, die nach Deutsch­land kommen, werden in der Regel nach einem bestimm­ten Verteil­schlüs­sel in die Bundes­län­der gebracht. Der Anteil für Baden-Württem­berg beträgt rund 13 Prozent. Inner­halb des Landes werden die Menschen in die sogenann­te vorläu­fi­ge Aufnah­me auf Stadt- und Landkrei­se verteilt.

Nach dem Rückzug auslän­di­scher Streit­kräf­te haben die Taliban die Macht in Afgha­ni­stan rasch wieder an sich gebracht. Afgha­nen, die als Überset­zer, Fahrer oder andere Hilfs­kräf­te für auslän­di­sche Organi­sa­tio­nen gearbei­tet haben, gelten als gefähr­det. Die Evaku­ie­rung deutscher Staats­bür­ger aus der von den Taliban übernom­me­nen Haupt­stadt Kabul hat begon­nen. Die Bundes­wehr war erst Ende Juni nach einem 20-jähri­gen Einsatz aus Afgha­ni­stan abgezogen.

Kanzle­rin Angela Merkel (CDU) sagte laut Teilneh­mer­krei­sen am Montag bei einer Sitzung des CDU-Vorstands, die Bundes­re­gie­rung habe vor Monaten bereits 2500 Ortskräf­te in Afgha­ni­stan identi­fi­ziert. Bei 600 davon wisse man derzeit nicht, ob sie in Dritt­staa­ten seien. Weite­re 2000 Menschen habe die Bundes­re­gie­rung identi­fi­ziert, die ebenfalls ausrei­sen sollten, wie etwa Menschen­recht­ler und Anwäl­te. Insge­samt gehe es bei dieser Gruppe um 10.000 Menschen, da die Famili­en­mit­glie­der mitge­rech­net würden.