BERLIN (dpa) — «Wir beide wollten es, aber am Ende kann es nur eine machen»: Annale­na Baerbock wird die Grünen in die Bundes­tags­wahl führen. Robert Habeck spricht von vertrau­ten, manch­mal schwie­ri­gen Gesprächen.

Die Grünen-Vorsit­zen­de Annale­na Baerbock soll ihre Partei als Kanzler­kan­di­da­tin in die Bundes­tags­wahl führen. Der Bundes­vor­stand der Grünen nominier­te die 40-Jähri­ge für den Spitzen­pos­ten, wie die Partei in Berlin mitteilte.

Die Entschei­dung muss noch auf einem Partei­tag vom 11. bis 13. Juni bestä­tigt werden. Die Zustim­mung gilt als sicher. Die Bundes­tags­wahl findet am 26. Septem­ber statt.

Mit der Entschei­dung enden monate­lan­ge Speku­la­tio­nen. Die Partei hatte die Klärung der Kandi­da­ten­fra­ge ihren beiden Partei­vor­sit­zen­den Baerbock und Robert Habeck (51) überlas­sen, die sich geräusch­los unter­ein­an­der verständigten.

Habeck trommel­te nach der Verkün­dung für seine Co-Chefin als Kanzler­kan­di­da­tin seiner Partei. Baerbock sei eine «kämpfe­ri­sche, fokus­sier­te, willens­star­ke Frau», die genau wisse, was sie wolle. In den vergan­ge­nen Wochen habe es zwischen ihm und Baerbock vertrau­te, manch­mal auch schwie­ri­ge Gesprä­che darüber gegeben, wer die Kandi­da­tur überneh­men solle. «Wir beide wollten es, aber am Ende kann es nur eine machen.»

Er selbst wolle sich aber gleich­falls in den Wahlkampf werfen. Die Gemein­sam­keit habe die Grünen so erfolg­reich gemacht. «In dieser Situa­ti­on führt der gemein­sa­me Erfolg dazu, dass einer einen Schritt zurück­tre­ten muss.»

Baerbock selbst warb nach ihrer Nominie­rung für einen Aufbruch in Deutsch­land. «Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass dieses Land einen Neuan­fang braucht», sagte sie. Sie wolle eine Politik anbie­ten, die voraus­schaue. In Anspie­lung auf Kritik, ihr mange­le es an Regie­rungs­er­fah­rung, sagte Baerbock: «Ja, ich war noch nie Kanzle­rin, auch noch nie Minis­te­rin. Ich trete an für Erneue­rung. Für den Status quo stehen andere.»

Die Grünen hatten sich angesichts der seit 2018 hohen Umfra­ge­wer­te erstmals für eine Kanzler­kan­di­da­tur entschie­den. Derzeit sind sie mit mehr als 20 Prozent zweit­stärks­te Kraft hinter der CDU/CSU und vor der SPD. Baerbock ist bei der 20. Bundes­tags­wahl seit 1949 erst die zweite Frau nach Angela Merkel, die sich um das höchs­te Regie­rungs­amt bewirbt. Keiner der bishe­ri­gen Kanzler­kan­di­da­ten war jünger.

Baerbock wird bei der Wahl gegen zwei Männer antre­ten: Die SPD hat Finanz­mi­nis­ter und Vizekanz­ler Olaf Scholz nominiert, die Union muss sich noch zwischen den Vorsit­zen­den von CDU und CSU entschei­den, Armin Laschet und Markus Söder.

Die SPD-Chefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans sicher­ten den Grünen nach deren Entschei­dung für Baerbock einen «fairen Wettbe­werb» zu. «Die SPD beglück­wünscht die Grünen dazu, dass ihnen — wie zuvor schon der SPD — eine einver­nehm­li­che Entschei­dung in dieser Perso­nal­fra­ge gelun­gen ist», sagten beide den Zeitun­gen der Funke Medien­grup­pe. «Wir Sozial­de­mo­kra­tin­nen und Sozial­de­mo­kra­ten stellen uns dem fairen Wettbe­werb um die Führung eines progres­si­ven Regierungsbündnisses.»

Anders als bei CDU und CSU hat es bei den Grünen weder Streit noch größe­re öffent­li­che Diskus­sio­nen über die Kandi­da­ten­kür geben. Deswe­gen wird auch auf dem Partei­tag im Juni eine große Zustim­mung erwartet.

Baerbock wuchs in der Nähe von Hanno­ver auf dem Dorf auf und studier­te Politik­wis­sen­schaf­ten und Völker­recht in Deutsch­land und London. Bei den Grünen hat die Mutter von zwei Töchtern schnell Karrie­re gemacht: 2009 Vorstand der europäi­schen Grünen und Landes­vor­sit­zen­de in Branden­burg; 2013 Einzug in den Bundes­tag; 2018 Bundes­vor­sit­zen­de der Grünen gemein­sam mit Habeck.

Bisher haben in der Regel nur CDU/CSU und SPD Kanzler­kan­di­da­ten nominiert, mit einer Ausnah­me: 2002 stell­te die FDP Guido Wester­wel­le auf, wurde dann aber mit 7,4 Prozent nur viert­stärks­te Kraft im Bundes­tag hinter SPD, CDU/CSU und Grünen.

Bundes­ge­schäfts­füh­rer Micha­el Kellner hat als Wahlziel ausge­ge­ben, dass die Grünen das Kanzler­amt erobern. «Wir wollen das Land in die Zukunft führen. Darum kämpfen wir für das histo­risch beste grüne Ergeb­nis aller Zeiten und die Führung der nächsten Bundes­re­gie­rung.» Ihr bisher bestes Ergeb­nis bei einer Bundes­tags­wahl erziel­ten die Grünen 2009 mit 10,7 Prozent. Bei der Wahl 2017 kamen sie nur auf 8,9 Prozent.