NGERULMUD (dpa) — Klima-Außen­po­li­tik war von Anfang an ein Herzens­an­lie­gen der neuen Außen­mi­nis­te­rin Baerbock. In Palau im Südpa­zi­fik macht sie sich nun persön­lich ein Bild von Erosi­ons­schä­den und den Sorgen der Menschen.

Außen­mi­nis­te­rin Annale­na Baerbock hat bei einem Besuch im Südpa­zi­fik zu einer inter­na­tio­na­len Kraft­an­stren­gung im Kampf gegen die Erder­wär­mung aufge­ru­fen. «Der Klima­not­stand ist keine isolier­te Krise. Es ist das schwie­rigs­te Sicher­heits­pro­blem unserer Zeit», sagte die Grünen-Politi­ke­rin am Samstag im Insel­staat Palau, der vom Unter­gang bedroht ist. Zwar erschei­ne der russi­sche Angriffs­krieg Tausen­de Kilome­ter entfernt. Dessen Auswir­kun­gen träfen aber jene am härtes­ten, die unter der Klima­kri­se litten — unter anderem wegen Überschwem­mun­gen, Dürren und hefti­ger Stürme.

Bedroh­te Pazifik­na­tio­nen hätten bei inter­na­tio­na­len Klima­ver­hand­lun­gen immer wieder vor den Folgen des Klima­wan­dels gewarnt, räumte Baerbock in der auf Englisch gehal­te­nen Rede ein. «Aber wir müssen zugeben, dass unsere Antwort als inter­na­tio­na­le Gemein­schaft unzurei­chend, unsere Unter­stüt­zung zu begrenzt war.» Nun sei es «wirklich Zeit, dass wir Ihnen nicht nur aus der Ferne zuhören, sondern dass wir tatsäch­lich herkom­men». Zuletzt sei vor 120 Jahren ein deutscher Außen­mi­nis­ter nach Palau gereist.

Um die von steigen­den Meeres­spie­geln bedroh­ten Natio­nen besser und langfris­tig zu unter­stüt­zen, habe sie die Diplo­ma­tin Beate Grzeski zur Sonder­ge­sand­ten für die pazifi­schen Insel­staa­ten ernannt. Grzeski sei ab sofort direk­te Ansprech­part­ne­rin für die Archipele.

Palau erschei­ne wie ein echtes Paradies, sagte Baerbock. «Aber wir können uns auch gut vorstel­len, was mit diesem fried­li­chen Paradies passie­ren wird, wenn der Meeres­spie­gel noch weiter steigt.» So böten Schulen, die in Küsten­nä­he gebaut werden, den Kindern keinen siche­ren Ort mehr. Kultur­stät­ten könnten buchstäb­lich unter­ge­hen. Und viele Anwoh­ner müssten sich eine schreck­li­che Frage stellen: «Eine Frage, die ich mir persön­lich kaum vorstel­len kann: “Werden unsere Häuser in 30 oder 50 Jahren noch hier sein?”»

«Das ist eine eklatan­te Ungerechtigkeit»

Keine Weltre­gi­on leide so sehr unter der Klima­kri­se wie die Pazifik­staa­ten — und das, obwohl deren Anteil an den globa­len Treib­haus­gas­emis­sio­nen so gering sei. «Das ist eine eklatan­te Ungerech­tig­keit», sagte Baerbock. Um die angestreb­ten Klima­zie­le zu errei­chen, müssten vor allem die weltweit größten CO2-Emitten­ten die Treib­haus­gas­emis­sio­nen schnel­ler senken, so auch Deutsch­land. «Wir sind nicht Ozeane vonein­an­der entfernt, sondern stehen Seite an Seite», rief Baerbock den Menschen in Palau zu.

Zuvor hatte sich die Minis­te­rin bei einem Besuch der zu den «Rock Islands» gehören­den Insel Ngkes­ill über die drama­ti­schen Auswir­kun­gen der weltwei­ten Klima­kri­se infor­miert. Baerbock fuhr mit einem Boot zu der Insel, die zu einem etwa 40 Kilome­ter langen Archi­pel im Zentrum Palaus gehört, das von einem dichten Koral­len­riff einge­fasst ist. Barfuß spazier­te sie über den weißen Sandstrand und schau­te von dort auf von Dschun­gel überwu­cher­te kleine Inseln im türkis­far­be­nen Ozean.

Meeres­schild­krö­ten wandern ab

Dabei ließ sie sich aber auch Auswir­kun­gen der Erosi­on sowie von Stürmen entwur­zel­te Bäume und angeschwemm­ten Plastik­müll zeigen. Die Vermül­lung der Meere macht marinen Ökosys­te­men schwer zu schaf­fen. So wandern in Palau Meeres­schild­krö­ten ab, weil ihr Lebens­raum und die Möglich­keit, Nester zu bauen, schrumpft.

Der Archi­pel besteht aus bis zu 500 Inseln, von denen keine perma­nent bewohnt ist. Das dorti­ge Natur­schutz­ge­biet bietet nach Angaben der Bundes­re­gie­rung unter anderem selte­nen Seekü­hen, 13 Hai-Arten, mehr als 350 unter­schied­li­chen Koral­len­ar­ten, Vögeln, Fleder­mäu­sen und Pflan­zen einen vom Touris­mus weitge­hend unberühr­ten Lebens­raum. Ein großer Teil des Archi­pels wurde im Jahr 2012 von der Unesco zum Weltna­tur- und ‑kultur­er­be erklärt.

In der Gemein­de Meleke­ok an der Ostküs­te der Insel Badel­daob, die für ihre langen Sandsträn­de bekannt ist, besich­tig­te Baerbock ebenfalls Erosi­ons­schä­den am dorti­gen Strand und sprach mit besorg­ten Anwoh­nern. Die Minis­te­rin suchte auch das Gespräch mit vom Klima­wan­del betrof­fe­nen Fische­rin­nen und Fischern.

Am Nachmit­tag waren Beratun­gen mit dem Außen­mi­nis­ter von Palau, Gustav Aitaro, in der Haupt­stadt Ngerul­mud geplant. Ngerul­mud hat etwa 250 Einwoh­ner und wird gerne als kleins­te Haupt­stadt der Welt bezeich­net. Von 1899 bis 1914 war Palau deutsche Kolonie.

Baerbock hatte schon vor ihrer Abrei­se betont, der steigen­de Meeres­spie­gel drohe Palau zu verschlu­cken. Die Einwoh­ner verlö­ren ihre Existenz­grund­la­ge. Dies sei eine Mahnung zum Handeln als Gemein­schaft. Wenn man im Kampf gegen die Klima­kri­se und bei der Aufrecht­erhal­tung der globa­len Ordnung bestehen wolle, komme es auch auf die Erfah­rung und Stimme kleine­rer Staaten wie Palau an.

Von Jörg Blank und Carola Frent­zen, dpa