NEW YORK (dpa) — Die Klima­kri­se, die Pande­mie und der Krieg in der Ukrai­ne haben zu einer weltwei­ten Nahrungs­mit­tel­kri­se geführt. Bundes­au­ßen­mi­nis­te­rin Baerbock und UN-Chef Guter­res richten klare Worte an Russland.

Bundes­au­ßen­mi­nis­te­rin Annale­na Baerbock hat Russland vorge­wor­fen, die Blocka­de von Getrei­de­ex­por­ten aus der Ukrai­ne als Kriegs­waf­fe einzusetzen.

«Durch die Blocka­de ukrai­ni­scher Häfen, durch die Zerstö­rung von Silos, Straßen und Eisen­bah­nen und insbe­son­de­re der Felder von Bauern hat Russland einen Kornkrieg begon­nen, der eine globa­le Nahrungs­mit­tel­kri­se anfacht», sagte Baerbock am Mittwoch während eines Außen­mi­nis­ter­tref­fens bei den Verein­ten Natio­nen in New York. «Damit droht sich eine weltwei­te Ernäh­rungs­kri­se zusam­men­zu­brau­en, die es bisher noch nie gegeben hat», sagte die Grünen-Politi­ke­rin am Rande der Veranstaltung.

Bundes­re­gie­rung: Russland unter­bin­det Ausfuhr von Getreide

Nach Angaben der Bundes­re­gie­rung unter­bin­det Russland in der Ukrai­ne die Ausfuhr von 20 Millio­nen Tonnen Getrei­de vor allem nach Nordafri­ka und Asien, ein Großteil davon im Hafen von Odessa. Die Ukrai­ne ist einer der größten Getrei­de­pro­du­zen­ten der Welt. Die USA hatten die Beratun­gen zum Thema Nahrungs­mit­tel­un­si­cher­heit auf die UN-Agenda gesetzt und mehr als 30 Länder einge­la­den. Außen­mi­nis­te­rin Baerbock sprach als Co-Gastgeberin.

«Russland führt seinen bruta­len Krieg nicht nur mit Panzern, Raketen und Bomben», sagte die Grünen-Politi­ke­rin weiter. «Russland führt diesen Krieg mit einer anderen schreck­li­chen, aber leise­ren Waffe: Hunger und Entbeh­rung.» Dies passie­re in einer Zeit, in der im Nahen Osten und in Afrika bereits Millio­nen von Hunger bedroht seien – durch die Klima­kri­se, die Covid-Pande­mie und regio­na­le Konflikte.

Guter­res erhöht Druck auf Moskau

Auch UN-General­se­kre­tär António Guter­res erhöh­te angesichts histo­ri­scher Zahlen Hunger­lei­den­der den Druck auf Moskau: «Russland muss den siche­ren Export von in ukrai­ni­schen Häfen gelager­tem Getrei­de zulas­sen», sagte der 73-Jähri­ge. Es sei notwen­dig, das Land wieder an den Weltmarkt zu bringen — genau­so wie Russland und Belarus, die auch große Mengen Lebens- und Dünge­mit­tel produzierten.

Der von Russland begon­ne­ne Krieg drohe, viele Millio­nen in eine Ernäh­rungs­un­si­cher­heit zu stürzen und eine Krise auszu­lö­sen, «die Jahre andau­ern könnte». Guter­res deute­te dabei an, dass er mit Russland und anderen Schlüs­sel­län­dern in Kontakt stehe, um eine Lösung für die Ausfuhr von Getrei­de aus der Ukrai­ne zu finden. Details nannte er dabei nicht, um «die Erfolgs­aus­sich­ten nicht zu gefährden».

Blinken: Krise, die globa­le Antwort erfordert

US-Außen­mi­nis­ter Antony Blinken forder­te weltwei­te gemein­sa­me Anstren­gun­gen. «Es ist eine Krise, die eine globa­le Antwort erfor­dert», sagte Blinken. Ein großes Problem sei der Mangel an Dünge­mit­teln — es müssten Anrei­ze für ihre Produk­ti­on geschaf­fen werden. «Nehmen wir Afrika, wo sich die Kosten für Dünge­mit­tel seit Beginn der Pande­mie bereits vervier­facht haben und seit der russi­schen Invasi­on in die Ukrai­ne weiter in die Höhe geschnellt sind», sagte er. Nach der russi­schen Invasi­on in der Ukrai­ne waren die Preise für Weizen auf den höchs­ten Stand seit 14 Jahren gestiegen.

Baerbock sagte weiter, die ärmsten Menschen der Welt würden den Preis für Russlands rücksichts­lo­sen Krieg zahlen. «Ich möchte Ihnen aus tiefs­tem Herzen sagen: Wir sehen Ihren Schmerz. Wir hören Ihr Leid. Und wir stehen Ihnen zur Seite.» Insge­samt stelle Deutsch­land dieses Jahr 3,8 Milli­ar­den Euro für die Nahrungs­si­cher­heit zur Verfü­gung. Langfris­tig müssten vor allem die Auswir­kun­gen des Klima­wan­dels auf den Agrar­sek­tor angegan­gen werden: «Wir müssen den Landwir­ten helfen, weniger anfäl­lig für Dürren, Überschwem­mun­gen oder extre­me Regen­fäl­le zu werden.»

Weltwei­ter Hunger erreicht neuen Höchststand

Den Verein­ten Natio­nen zufol­ge hat der weltwei­te Hunger einen neuen Höchst­stand erreicht. Die Zahl der Menschen mit starker Ernäh­rungs­un­si­cher­heit habe sich in den vergan­ge­nen zwei Jahren von 135 auf heute 276 Millio­nen erhöht. Mehr als eine halbe Milli­on Menschen sei vom Hunger­tod bedroht — fünf Mal mehr als noch 2016. Der Krieg in der Ukrai­ne facht diese Entwick­lung weiter an: Zusam­men produ­zie­ren die Ukrai­ne und Russland fast ein Drittel des Weizens und der Gerste der Welt und die Hälfte des Sonnenblumenöls.