BERLIN (dpa) — Reisen zu planen, bedeu­te­te für Fahrgäs­te monate­lang eine Zitter­par­tie. Nun gibt es einen Tarif­kom­pro­miss mit der Lokfüh­rer­ge­werk­schaft GDL. Gänzlich ausge­schlos­sen sind Streiks aber noch nicht.

Nach dem Abschluss der Tarif­ver­hand­lun­gen der Deutschen Bahn mit der Lokfüh­rer­ge­werk­schaft GDL haben sich die Betei­lig­ten erleich­tert gezeigt. «Der gordi­sche Knoten ist gelöst», sagte Bahn-Perso­nal­vor­stand Martin Seiler.

Der Brücken­schlag zwischen Kunden, Mitar­bei­tern und Unter­neh­men sei gelun­gen. Gewerk­schafts­chef Claus Weselsky sprach von einem guten Kompro­miss. «Die Rente ist sicher», sagte er mit Blick auf eine Verstän­di­gung zu den Betriebs­ren­ten. «Ich fühle mich wohl», sagte Weselsky.

Betei­ligt an der Einigung waren auch die Minis­ter­prä­si­den­ten von Schles­wig-Holstein und Nieder­sach­sen, Daniel Günther (CDU) und Stephan Weil (SPD). Sie wollen die Ergeb­nis­se am Vormit­tag in Berlin mit den Tarif­part­nern präsen­tie­ren. «Am Ende steht jetzt ein Ergeb­nis, das von allen Betei­lig­ten getra­gen wird», wurde Günther in eine Erklä­rung zitiert.

Deutsche Bahn und GDL verstän­dig­ten sich auf Lohner­hö­hun­gen von insge­samt 3,3 Prozent für die Beschäf­tig­ten. Zum 1. Dezem­ber 2021 steigen die Bezüge zunächst um 1,5 Prozent, dann am 1. März 2023 um weite­re 1,8 Prozent, wie beide Seiten am Donners­tag mitteilten.

Am 1. Dezem­ber erhal­ten die Beschäf­tig­ten außer­dem je nach Lohngrup­pe eine Corona-Prämie von bis zu 600 Euro. Am 1. März 2022 soll eine weite­re Corona-Prämie von einheit­lich 400 Euro fließen.

Die GDL willig­te demnach in die geplan­te Umstruk­tu­rie­rung der betrieb­li­chen Alters­vor­sor­ge ein; das bishe­ri­ge System der Zusatz­ren­te werde ab 2022 nur für Bestands-Mitar­bei­ter fortge­setzt, hieß es. Erstmals schließt die GDL neben dem Zugper­so­nal auch Tarif­ver­trä­ge für Mitar­bei­ten­de in Werkstät­ten und in der Verwal­tung, jedoch nicht für die Infrastruktur.

Geeinigt haben sich beide Seiten demnach auch auf ein Verfah­ren, mit dem festge­stellt wird, welche Gewerk­schaft in den jewei­li­gen Bahn-Betrie­ben die Mehrheit hat. Davon hängt nach dem Tarif­ein­heits­ge­setz ab, welcher Tarif­ver­trag angewandt wird. Die GDL hat in 16 der rund 300 Bahn-Betrie­be die Mehrheit, in 71 Betrie­ben muss es noch festge­stellt werden.

Nach drei Streiks drohen damit vorerst keine weite­ren Arbeits­kämp­fe der Lokfüh­rer mehr. Aller­dings kündig­te die größe­re Bahn-Gewerk­schaft EVG am Donners­tag an, dem Unter­neh­men nun ihrer­seits einen Forde­rungs­ka­ta­log vorzulegen.

«Wir berei­ten uns auf Verhand­lun­gen vor, aber auch auf Maßnah­men bis hin zum Arbeits­kampf», sagte Klaus-Dieter Hommel, der Vorsit­zen­de der Eisen­bahn- und Verkehrs­ge­werk­schaft (EVG) der Deutschen Presse-Agentur. Das gesche­he aber in Ruhe und ohne Hektik. «Wenn es einen Abschluss mit der GDL gibt, nehmen wir ihn zur Kennt­nis und werden ihn bewerten.»

Die EVG hatte schon im vergan­ge­nen Jahr eine Einigung mit der Bahn erzielt; sie beinhal­tet aber ein Sonder­kün­di­gungs­recht für den Fall, dass eine andere Gewerk­schaft mehr heraus­holt. Die EVG kriti­sier­te, dass die Minis­ter­prä­si­den­ten an den Verhand­lun­gen mit der GDL betei­ligt waren. «Das ist ein Schlag ins Kontor der Tarif­au­to­no­mie», sagte Hommel.

Er erklär­te auch, dem im vergan­ge­nen Jahr mit dem Bund und dem Unter­neh­men geschlos­se­nen «Bündnis für unsere Bahn» sei die Geschäfts­grund­la­ge entzo­gen worden.

Im August und Septem­ber hatten die GDL-Mitglie­der im Perso­nen- und Güter­ver­kehr drei mal für mehre­re Tage die Arbeit nieder­ge­legt. Millio­nen Pendler und Urlau­ber waren von Zugaus­fäl­len und Verspä­tun­gen betrof­fen. Die Bahn setzte einen Notfahr­plan in Kraft. Auch im Güter­ver­kehr gab es Behinderungen.

Ein Knack­punkt im Tarif­kon­flikt war die Frage, für wen die neuen Verträ­ge gelten sollen. Die GDL verhan­del­te bislang für Lokfüh­rer und Zugbe­glei­ter. Sie forder­te aber auch Rahmen­ta­rif­ver­trä­ge für Beschäf­tig­te in den Werkstät­ten und in der Infra­struk­tur sowie für Auszu­bil­den­de. Die Bahn erklär­te sich nun bereit, den Anwen­dungs­be­reich der GDL-Tarif­re­ge­lun­gen in den heuti­gen GDL-Mehrheits­be­trie­ben zu überprüfen.