LEIPZIG (dpa) — Flick zum Natio­nal­team, Nagels­mann zu Bayern, 30 Millio­nen für Leipzig. Alle Wünsche werden sich im spekta­ku­lä­ren Trainer-Szena­rio nicht erfül­len. Nach Flick soll auch Nagels­mann um seine Vertrags­auf­lö­sung gebeten haben.

Der spekta­ku­lärs­ten Trainer-Rocha­de im deutschen Fußball um Hansi Flick und Julian Nagels­mann steht noch eine Rekord­ab­lö­se im Weg.

Bis zu 30 Millio­nen Euro soll der FC Bayern an RB Leipzig bezah­len, um Lieblings­lö­sung Nagels­mann als Flick-Nachfol­ger präsen­tie­ren zu können — eine Dimen­si­on wie es sie noch nie auf dem Trainer­markt gegeben hat.

Laut dpa-Infor­ma­tio­nen haben die Münch­ner Kontakt zum härtes­ten Liga-Konkur­ren­ten aufge­nom­men. Nagels­mann, der sich mit den Bayern einig sein soll und schon vor Jahren von einem Trainer­job in München schwärm­te, soll um die Auflö­sung seines Vertrags gebeten haben. Das hat Flick schon Mitte April gemacht. Er wird im Sommer als Nachfol­ger von Bundes­trai­ner Joachim Löw erwartet.

Am Montag tagten die Münch­ner Bosse wie regel­mä­ßig üblich an der Säbener Straße. Dass das Gremi­um um Vorstands­chef Karl-Heinz Rumme­nig­ge der Bitte ihres Erfolgs­trai­ners nach einer Auflö­sung des bis 2023 laufen­den Vertrags in diesem Sommer nicht entspricht, ist nahezu ausgeschlossen.

Rumme­nig­ge will aber im Fall der Zustim­mung für «Hansis Wunsch» eine Lösung, mit der «alle Partei­en» zufrie­den sind. Also auch der FC Bayern, der vor einem teuren Sommer steht. Der Verein erwar­tet daher Zugeständ­nis­se des 56-jähri­gen Flick, der in zwei Wochen die deutsche Meister­schaft als siebten Titel seiner Ära klarma­chen will. Bis dahin dürfte eine Einigung mit ihm fix sein. Und mit Leipzig?

42,5 Millio­nen Euro müssen die Münch­ner bereits für Innen­ver­tei­di­ger Dayot Upame­ca­no an Leipzig bezah­len. Dass nun weite­re 30 für Nagels­mann und damit insge­samt 72,5 Millio­nen Euro an den Empor­kömm­ling fließen werden, ist schwer vorstell­bar. Denn in finan­zi­ell schwie­ri­gen Corona-Zeiten kalku­liert der FC Bayern mit einem Umsatz­ver­lust von 150 Millio­nen Euro. Eine Einnah­me im Sinne einer klassi­schen Ablöse­sum­me für Flick im Falle eines Wechsels zum Natio­nal­team hat der DFB bereits ausgeschlossen.

Bei einer Einigung zwischen Bayern und Leipzig werden vermut­lich keine 30 Millio­nen Euro, aber immer noch eine Trainer-Rekord­ab­lö­se aus München nach Leipzig überwie­sen. Bislang sind die 7,5 Millio­nen Euro für den Wechsel von Adi Hütter von Eintracht Frank­furt zu Borus­sia Mönchen­glad­bach der Höchst­wert in Deutsch­land. Inter­na­tio­nal gilt der Wechsel von Andre Villas Boas (43) vom FC Porto zum FC Chelsea vor zehn Jahren als Bestmar­ke. Von 15 Millio­nen Euro war damals die Rede.

Ein harter Poker steht bevor, bei dem mögli­cher­wei­se auch Uli Hoeneß und Dietrich Mateschitz Einfluss nehmen könnten. Der Bayern-Patron und der Geträn­ke-Milli­ar­där schät­zen sich, bei einem kostspie­li­gen Sport­hal­len­pro­jekt in München machen die beiden schon gemein­sa­me Sache.

Der vor zwei Jahren für fünf Millio­nen Euro aus Hoffen­heim gehol­te Nagels­mann soll laut «Kicker» um eine Auflö­sung des bis 2023 laufen­den Vertrags gebeten haben. Eine Ausstiegs­klau­sel hat er nicht. Nagels­mann hatte stets betont, dass für ihn ein vorzei­ti­ger Wechsel nur mit Zustim­mung von RB in Frage käme. Seit Jahren gilt der gebür­ti­ger Lands­ber­ger als ein Irgend­wann-Bayern-Trainer, die Münch­ner Vereins­bos­se schät­zen ihn schon lange. «Der FC Bayern spielt in meinen Träumen schon eine etwas größe­re Rolle», hatte er vor einigen Jahren in einem Euros­port-Inter­view gestan­den. Als Kind und Jugend­li­cher war Nagels­mann Fan des Rekord­meis­ters, lebte auch schon mal in München. Frau und Kind wohnen bereits im Freistaat.

Ein Nagels­mann-Abgang wäre für den zuletzt härtes­ten Münch­ner Konkur­ren­ten ein enormer Rückschlag auf dem angestreb­ten Weg zu Meister­eh­ren, wenngleich der Ameri­ka­ner Jesse Marsch von RB Salzburg als passge­nau­er Nachfol­ger bereit stünde. Auch Trainer wie Oliver Glasner, der beim VfL Wolfs­burg eine Ausstiegs­klau­sel haben soll, oder Roger Schmidt (PSV Eindho­ven) haben die RB-DNA in ihrer Vita.

Zum Leipzi­ger Leidwe­sen steht der Abgang einer weite­ren Führungs­kraft wenige Tage vor dem Pokal-Halbfi­na­le bei Werder Bremen schon fest: Verein und Sport­di­rek­tor Markus Krösche beenden «einver­nehm­lich» die bis Sommer 2022 geplan­te Zusam­men­ar­beit. Ein größe­rer Umbruch steht dem Club bevor, Krösche wird bei Eintracht Frank­furt als Fredi-Bobic-Nachfol­ger gehandelt.

Krösche hatte vor wenigen Tagen betont, dass es keinen Sinn mache, «Ablöse­sum­men oder Preis­schil­der» bei Nagels­mann zu nennen. Doch seit die «Bild» die Ablöse­sum­me von 30 Millio­nen Euro veröf­fent­lich­te und weite­re Medien überein­stim­mend von einer Kontakt­auf­nah­me der Münch­ner wegen des Trainers berich­te­ten, hat diese Perso­nal­fra­ge eine neue Dynamik bekom­men. Zumal das auch in den von Bayern abgesteck­ten Zeitplan bei Flick passt.

«Wir haben verein­bart, dass wir uns nach dem Spiel in Mainz zusam­men­set­zen», hatte Rumme­nig­ge gesagt. Man wolle eine Lösung finden, «mit der auch der FC Bayern zufrie­den ist.» Mit etwas Abstand dürfte nun auch der Ärger der Bosse über den von Flick publik gemach­ten Wunsch nach der Vertrags­auf­lö­sung vor einer Woche etwas weniger gewor­den sein. Erst Recht, wenn Flick — wie es Gedan­ken­spie­le vorse­hen — auf einen Gehalts­an­teil oder eine Titel-Prämie verzich­ten sollte.

Nach der bayeri­schen Einigung beim Flick-Kontrakt dürfte bald die Bundes­trai­ner-Frage geklärt werden. «Der DFB wird keine Ablöse­sum­men zahlen, weil er noch nie Ablöse­sum­men gezahlt hat und weil er als gemein­nüt­zi­ger Verband im Übrigen sich schwer tut, dies zu tun», stell­te DFB-Vizeprä­si­dent Rainer Koch in der Sendung «Blick­punkt Sport» im BR-Fernse­hen schon­mal klar. Er würde es als «unmora­lisch» bezeich­nen, wenn der DFB 30 Millio­nen Euro bezah­len müsse, die er am Ende an anderer Stelle im Budget wegneh­men müsse.

Von Chris­ti­an Kunz und Frank Kastner, dpa