BERLIN (dpa) — Tessa Ganse­rer ist eine von zwei Trans­frau­en im neuen Bundes­tag. Die AfD-Politi­ke­rin Beatrix von Storch spricht sie in einer Rede mit männli­chem Vorna­men an. Es gibt partei­über­grei­fend schar­fe Kritik.

Die stell­ver­tre­ten­de AfD-Partei- und Frakti­ons­vor­sit­zen­de Beatrix von Storch hat mit Äußerun­gen über die Trans­gen­der-Abgeord­ne­te Tessa Ganse­rer (Grüne) partei­über­grei­fend schar­fe Kritik auf sich gezogen.

In einer Debat­te zum Inter­na­tio­na­len Frauen­tag am 8. März im Bundes­tag warf von Storch der Mehrheit der Abgeord­ne­ten («fast alle hier») am Donners­tag vor, einer «Gender­ideo­lo­gie» anzuhän­gen. «Sie behaup­ten, das Geschlecht hat mit Biolo­gie nichts zu tun. Und jeder kann sich sein Geschlecht irgend­wie selbst bestimmen.»

Anschlie­ßend sagte von Storch: «Wenn der Kolle­ge Markus Ganse­rer Rock, Lippen­stift, Hacken­schu­he trägt, dann ist das völlig in Ordnung. Es ist aber seine Privat­sa­che. Biolo­gisch und juris­tisch ist und bleibt er ein Mann. Und wenn er als solcher über die grüne Frauen­quo­te in den Bundes­tag einzieht und hier als Frau geführt wird, ist das schlicht rechtswidrig.»

Respekt einge­for­dert

Bundes­tags­vi­ze­prä­si­den­tin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) bat von Storch vom Präsi­di­um aus zunächst um «Respekt vor der Kolle­gin Tessa Ganse­rer». Bei Twitter sprach sie später von einer «furcht­ba­ren Diffa­mie­rung». Grünen-Frakti­ons­chefin Britta Haßel­mann nannte die Aussa­gen «abscheu­lich» und «erschüt­ternd». «Das, was die Abgeord­ne­te Storch sich gerade in diesem Haus erlaubt hat, ist nieder­träch­tig, boden­los, es ist homophob und zutiefst menschenverachtend.»

«Tessa Ganse­rer ist eine von uns», sagte Haßel­mann. «Niemand von uns hat darüber zu richten oder darüber zu reden oder zu entschei­den, wie diese Frau ihr Selbst­be­stim­mungs­recht wahrnimmt.» Dafür gab es breiten Applaus. Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ter Karl Lauter­bach sprach bei Twitter mit Blick auf von Storchs Aussa­gen von einer «Schan­de». «Alle Partei­en außer der AfD stellen sich gegen die menschen­ver­ach­ten­de Rede», schrieb der SPD-Politiker.

Der für trans­gen­der­po­li­ti­sche Fragen zustän­di­ge Sprecher der FDP-Frakti­on, Jürgen Lenders, warf der AfD-Politi­ke­rin vor, von sexuel­ler Identi­tät und geschlecht­li­cher Vielfalt «keine Ahnung» zu haben. «Die Belei­di­gung gegen­über der Kolle­gin der Grünen, Tessa Ganse­rer, ist unerträg­lich. Ich verur­tei­le diesen trans­feind­li­chen Angriff gegen sie.»

Erste Rede im Bundestag

Ganse­rer selbst hielt später ihre erste Rede im Bundes­tag zum Thema nachhal­ti­ge Entwick­lung, ohne auf die voran­ge­gan­ge­nen Äußerun­gen einzu­ge­hen. Die 44-Jähri­ge ist eine von zwei Trans­frau­en im neuen Bundes­tag und saß zuvor im bayeri­schen Landtag. Im Novem­ber 2018 hatte Ganse­rer ihr Coming-out als transi­dent. Trans­men­schen sind Perso­nen, die sich dem Geschlecht, das ihnen bei der Geburt zugeschrie­ben wurde, nicht zugehö­rig fühlen.

Auf dem Wahlzet­tel zur Bundes­tags­wahl stand Ganse­rer mit dem männli­chen Vorna­men, den sie abgelegt hatte. Wie viele andere Menschen in ihrer Situa­ti­on lehnt sie es ab, ihren Vorna­men und ihr Geschlecht nach dem Trans­se­xu­el­len­ge­setz offizi­ell ändern zu lassen. Das 40 Jahre alte Gesetz sieht vor, dass Betrof­fe­ne das erst nach einem psycho­lo­gi­schen Gutach­ten und einer gericht­li­chen Entschei­dung dürfen — dabei müssen sie sich oft sehr intime Fragen gefal­len lassen.