ESSEN (dpa) — Der letzte große deutsche Waren­haus­kon­zern kämpft seit Jahren ums Überle­ben. Nun sucht er zum zweiten Mal Rettung in einem Schutz­schirm­ver­fah­ren. Damit droht das Aus für zahlrei­che weite­re Warenhäuser.

Deutsch­lands letzter großer Waren­haus­kon­zern Galeria Karstadt Kaufhof will über 40 seiner verblie­be­nen 131 Kaufhäu­ser schlie­ßen. Das kündig­te Unter­neh­mens­chef Miguel Müllen­bach in einem Gespräch mit der «Frank­fur­ter Allge­mei­nen Zeitung» an. Wenige Stunden zuvor hatte das Unter­neh­men zum zweiten Mal inner­halb von weniger als zwei Jahren Rettung in einem Schutz­schirm­ver­fah­ren suchen müssen, wie ein Firmen­spre­cher am Montag sagte. Auch die «Wirtschafts­wo­che» hatte darüber berichtet.

Der Manager sagte in dem «FAZ»-Interview, um das Unter­neh­men zu retten, müsse das Filial­netz «um mindes­tens ein Drittel reduziert werden». Betriebs­be­ding­te Kündi­gun­gen seien unver­meid­bar. In einem Mitar­bei­ter­brief schrieb Müllen­bach, das Unter­neh­men müsse sich von jenen Filia­len trennen, die angesichts der Konsum­flau­te, der Infla­ti­on und der Energie­kos­ten «auf abseh­ba­re Zeit nicht mehr profi­ta­bel zu betrei­ben sind». Nur so lasse sich ein endgül­ti­ges Schei­tern des Unter­neh­mens verhin­dern. Der Handels­rie­se mit seinen 17.000 Mitar­bei­tern ist noch in 97 deutschen Städten vertreten.

Galeria hatte vor dem Gang zum Insol­venz­ge­richt noch mit der Bundes­re­gie­rung über weite­re Finanz­hil­fen — über die bereits erhal­te­nen 680 Millio­nen Euro hinaus — verhan­delt. Doch sei man zu dem Ergeb­nis gekom­men, dass dies kein gangba­rer Weg sei, sagte Müllen­bach. «Dauer­haf­te staat­li­che Darle­hen können hier nicht die Lösung sein, sondern es bedarf eines klaren Schnitts hin zu wirtschaft­lich tragfä­hi­gen Strukturen.»

Sachver­wal­ter waren schon 2020 im Einsatz

Während des ersten Corona-Lockdowns im April 2020 hatte das Unter­neh­men schon einmal Rettung in einem Schutz­schirm­ver­fah­ren gesucht. Das Insol­venz­ver­fah­ren dauer­te damals bis Ende September.

Bei der auf Sanie­rung ausge­rich­te­ten Insol­venz­va­ri­an­te übernimmt ein gericht­lich bestell­ter Sachver­wal­ter die Aufsicht über die Rettung, während die Unter­neh­mens­füh­rung die Kontrol­le behält, aber von einem exter­nen Sanie­rungs­exper­ten beraten wird. Im Fall von Galeria soll nach Infor­ma­tio­nen der «Wirtschafts­wo­che» der Düssel­dor­fer Jurist Frank Kebekus die vorläu­fi­ge Sachwal­tung überneh­men. Der Restruk­tu­rie­rer Arndt Geiwitz soll demnach die opera­ti­ve Sanie­rung leiten. Schon im Frühjahr 2020 waren die beiden Exper­ten in gleicher Positi­on beim ersten Schutz­schirm­ver­fah­ren im Einsatz. Damals wurden rund 40 Filia­len geschlos­sen, etwa 4000 Stellen abgebaut und mehr als zwei Milli­ar­den Euro an Schul­den gestrichen.

Dennoch urteil­te der Handels­exper­te Jörg Funder von der Hochschu­le Worms im Rückblick: «Bei der Galeria-Insol­venz im Jahr 2020 gingen die Einschnit­te nicht tief genug. » Der politi­sche Wille und die Sorge um die Lebens­fä­hig­keit vieler Innen­städ­te bei einer Schlie­ßung der Waren­häu­ser, aber auch die Inter­es­sen von Eigen­tü­mer Signa hätten das damals verhin­dert. «Das Waren­haus hat eine Daseins­be­rech­ti­gung, aber es benötigt ein großes Einzugs­ge­biet. Darum ist nur Platz für 50 bis 60 Filia­len in Deutsch­land, nicht für alle 131 Galeria-Kaufhäu­ser», sagte Funder.

Wie viele Filia­len können überleben?

Wie viele Waren­häu­ser in Deutsch­land auf Dauer überle­ben können, ist auch unter Exper­ten umstrit­ten. Johan­nes Berent­zen, Chef der Handels­be­ra­tung BBE, sieht nur Platz für weniger als 100 Waren­häu­ser. «Und selbst diese Häuser werden nur eine Zukunft haben, wenn die Aufent­halts­qua­li­tät und das Geschäfts­mo­dell deutlich verbes­sert werden.» Damit gehört er eher zu den Optimisten.

Der frühe­re Kaufhof-Chef Lovro Mandac hält auf Dauer 40 bis 50 Waren­häu­ser in Deutsch­land für zukunfts­fä­hig. Eine aktuel­le Analy­se der «Immobi­li­en­zei­tung» kommt sogar zu dem Ergeb­nis, dass wohl nur 30 von 131 Filia­len eine siche­re Perspek­ti­ve haben. Alle anderen müssten bangen.

Müllen­bach räumte im Mitar­bei­ter­brief ein: «Es ist erneut unsere Pflicht, alles, wirklich alles in den kommen­den Wochen auf den Prüfstand zu stellen.» Doch bemüh­te er sich, auch ein wenig Hoffnung zu verbrei­ten. «Galeria ist zukunfts­fä­hig», schrieb er und versprach, der Konzern werde weiter eine wesent­li­che Funkti­on für die deutschen Innen­städ­te wahrnehmen.

Von Erich Reimann, dpa