MÜNCHEN (dpa/tmn) — Sie lauern im hohen Gras und können gefähr­li­che Erreger übertra­gen. Deshalb sollte man sich in der Natur gut vor Zecken schüt­zen. Für Urlau­be in einigen Regio­nen kann auch eine Impfung ratsam sein.

Wer zum Wander­ur­laub nach Tirol oder ins Allgäu fährt, der sollte über eine Impfung gegen die von Zecken übertra­ge­ne FSME-Krank­heit nachden­ken. Doch bringt das jetzt, so kurz vor dem Sommer­ur­laub, noch etwas?

Kommt drauf an, wann man fährt, lautet die Antwort. Es gibt theore­tisch die Möglich­keit, mit drei Impfun­gen binnen drei Wochen eine Immuni­tät herzu­stel­len. Schnel­le­rer Schutz werde schwie­rig, sagt Profes­sor Gerhard Dobler, Leiter des Natio­na­len Konsi­li­ar­la­bors für FSME am Insti­tut für Mikro­bio­lo­gie der Bundes­wehr in München. FSME steht für Frühsommer-Meningoenzephalytis.

Norma­ler­wei­se folgt die zweite FSME-Impfung zwei Wochen bis drei Monate nach der ersten. Wählt man hier den knappest mögli­chen Abstand von 14 Tagen, besteht laut Dobler nach einem Monat eine Immunität.

Doch für wen ist eine schnel­le Immuni­sie­rung jetzt noch ratsam?

Dobler würde sie jedem Menschen empfeh­len, der in ein Hochri­si­ko­ge­biet fährt und sich dort viel in der Natur aufhält. «Einen Landkreis wie zum Beispiel Ravens­burg, wo es zuletzt 20 oder mehr Fälle pro Jahr gab, müsste man als solchen Bereich betrach­ten», ordnet der Exper­te ein.

Das gilt ebenso für bestimm­te Gegen­den im Osten und Süden Bayern. Tirol in Öster­reich habe sich auch als hochak­ti­ve Region für Zecken mit dem FSME-Erreger erwie­sen, wobei hier vor allem die Täler relevant sind. «Wenn jemand mir sagt, er fährt nach Tirol, wandert dort stets über 1000 Meter und übernach­tet auf Hütten: Dann braucht er nicht zwingend eine Impfung», sagt Dobler, der beispiel­haft noch Kärnten und Steier­mark in Öster­reich, Südschwe­den, das Balti­kum und die gesam­te Schweiz als Gebie­te mit erhöh­tem Risiko aufzählt.

Risiko­ab­wä­gung ist individuell

Der Exper­te stellt aber klar: «Das Infek­ti­ons­ri­si­ko ist trotz allem gering, man sollte keine Panik verbrei­ten.» Die 704 regis­trier­ten FSME-Fälle im Jahr 2020 in Deutsch­land waren laut Robert Koch-Insti­tut (RKI ein neuer Höchst­stand. Grob taxie­ren Exper­ten die Wahrschein­lich­keit einer FSME-Infek­ti­on nach einem Zecken­stich in einem Risiko­ge­biet mit 1:50 bis 1:100.

Letzt­lich müsse man die Impfemp­feh­lung von der Region, in die man reist, und von den Aktivi­tä­ten, die man dort plant, abhän­gig machen, rät Dobler. Reise­me­di­zi­ni­sche Fachpra­xen könnten dabei helfen. Prakti­zie­ren­de Ärzte könnten für eine Einschät­zung auch in seinem Konsi­li­ar­la­bor anrufen. Letzt­lich ist es eine indivi­du­el­le Abwägung der Reisen­den. Manche gehen lieber ganz auf Nummer sicher, andere sind etwas risikobereiter.

Gegen FSME gibt es keine Medikamente

Eine FSME-Infek­ti­on verläuft oftmals mild. In der ersten Phase hat man häufig grippe­ähn­li­che Sympto­me: Man hat Fieber, ist abgeschla­gen, Kopf und Glieder tun weh. Später kann eine Entzün­dung des Gehirns, der Hirnhäu­te oder des Rücken­marks folgen — es gibt also ein Risiko für schwe­re Verläu­fe. Sehr selten kann FSME tödlich enden.

Was bei der Abwägung für oder gegen eine Impfung bedacht werden sollte: Die Krank­heit kann nur sympto­ma­tisch behan­delt werden, etwa mit fieber­sen­ken­den Mitteln. Medika­men­te gegen die krank­heits­aus­lö­sen­den Viren gibt es nicht.

Guter Schutz: Hose in die Socken stopfen

Wer nicht geimpft ist, kann die Infek­ti­ons­ge­fahr auch auf andere Art und Weise senken: Durch lange, helle Kleidung, an denen man die Zecken besser entlang krabbeln sieht. Durch in die Socken gestopf­te Hosen­bei­ne, damit die kleinen Spinnen­tier­chen nicht auf die Haut gelan­gen. Und, indem man sich nach länge­ren Aufent­hal­ten in der Natur gründ­lich absucht. Vor allem dort, wo am Körper feuch­te­re Bedin­gun­gen herrschen. In der Kniekeh­le, im Genital­be­reich, in den Armbeu­gen oder in den Achseln. Bei Kindern stechen Zecken oft auch am Kopf zu.

Außer­dem ist der Zeitfak­tor nicht zu unter­schät­zen. Zum einen, weil die Zecken meist nicht gleich stechen. «Sie krabbeln oft stunden­lang auf dem Körper herum und suchen eine gute Stelle», so Dobler. Das heißt, man erwischt sie vielleicht noch vor dem Stich.

Zum anderen haben die Tierchen weniger Zeit, Erreger zu übertra­gen, wenn man sie rasch entfernt. Das gilt vor allem bei der Borre­lio­se. Sie wird von Bakte­ri­en ausge­löst, die von Zecken übertra­gen werden. Hier stecken die Erreger im Darm des Tieres und gelan­gen nicht sofort in den Körper des Menschen, wie Dobler erklärt. Werden die Zecken inner­halb von 12 bis 16 Stunden entfernt, ist das Risiko gering, eine Borre­lio­se zu bekommen.

Die FSME-Viren wieder­um sitzen im Speichel der Zecke und werden schon beim Stich übertra­gen. Doch auch hier gilt dem Exper­ten zufol­ge: Je länger sie saugt, desto größer ist die übertra­ge­ne Virus­men­ge und damit das Risiko.

Borre­lio­se: Die Rötung beobachten

Im Gegen­satz zur FSME ist Borre­lio­se nicht in allen Bundes­län­dern melde­pflich­tig. Es gibt keine ausge­wie­se­nen Risiko­ge­bie­te, aber laut RKI besteht in ganz Deutsch­land die Gefahr einer Infek­ti­on. In Europa sei sie die mit Abstand häufigs­te durch Zecken übertra­ge­ne Krank­heit. Insge­samt sei bei 0,3 bis 1,4 Prozent der Menschen mit Zecken­sti­chen eine Borre­lio­se-Erkran­kung zu erwarten.

Dobler rät, einen Zecken­stich zu beobach­ten — und kann beruhi­gen: «Wenn sich inner­halb weniger Stunden eine Rötung bildet, ist das nicht schlimm.» Das sei nur eine aller­gi­sche Reakti­on auf den Zecken­spei­chel und keine Borre­lio­se. Wenn der Stich stark juckt, kann beispiels­wei­se ein Antihist­ami­ni­kum helfen. «Wenn die Rötung um die Stich­stel­le nach einer Woche oder mehr größer wird und den Umfang eines Zwei-Euro-Stücks erreicht, sollte man zum Doktor und sagen, dass man dort von einer Zecke gesto­chen wurde.»

Die Wander­rö­te ist eine ringför­mi­ge Hautrö­tung, die einige Tage bis Wochen nach dem Stich auftritt. Oft ist sie im Zentrum blasser als am Rand und der rote Ring wandert allmäh­lich nach außen. Sie sei die häufigs­te Erkran­kungs­form der Borre­lio­se, schreibt das RKI. Fieber, Muskel- und Kopfschmer­zen sowie Müdig­keit können dazukom­men. Die Borre­lio­se kann in selte­nen Fällen das Nerven­sys­tem angrei­fen oder zu Entzün­dun­gen des Herzens führen.

Panisch müsse man bei einer Borre­lio­se nicht werden, sagt Dobler. «Sie lässt sich mit Antibio­ti­ka in der Regel gut behan­deln.» Eine Impfung gegen Borre­lio­se gibt es nicht.

Zecken richtig entfernen

Der Zecken-Exper­te Gerhard Dobler bevor­zugt zum Entfer­nen der Tiere feine Split­ter­pin­zet­ten. «Mit der Pinzet­te fasse ich die Zecke nah an der Haut und ziehe sie raus», erklärt der Leiter des Natio­na­len Konsi­li­ar­la­bors für FSME am Insti­tut für Mikro­bio­lo­gie der Bundes­wehr in München. Prinzi­pi­ell gehe das auch mit einer handels­üb­li­chen Pinzet­te aus dem Nagel-Pflege-Set.

Weite­re gängi­ge Hilfs­mit­tel sind zum Beispiel die Zecken­kar­te oder eine Schlin­ge. Dobler zufol­ge gibt es auch elektri­sche Zecken­dre­her. Und welches nimmt man nun? «Jeder sollte das Hilfs­mit­tel nehmen, mit dem er am besten umgehen kann», gibt sich der Fachmann diplo­ma­tisch. Wichtig sei vor allem, die Zecke direkt unter der Haut anzufassen.

Bleibt beim Rauszie­hen ein kleiner schwar­zer Punkt in der Haut, ist das kein Grund zur Beunru­hi­gung. «Das ist nur der Stachel», sagt Dobler. Und der sei nicht infek­ti­ös. Borre­li­en oder FSME-Viren werden von ihm allein, ohne den Zecken­kör­per, nicht weiter­ge­ge­ben. Darum sollte man auch nicht versu­chen, den Stachel mit einem Nagel oder anderen Hilfs­mit­teln heraus­zu­krat­zen. Das führt höchs­tens zu einer Wundin­fek­ti­on. Statt­des­sen einfach abwar­ten: «Die Haut stößt den Stachel inner­halb weniger Tage von selbst ab.»

Von Tom Nebe, dpa