Seit Jahren wird auf politi­scher Ebene debat­tiert, wie groß der Einfluss von Rechts­extre­mis­ten in der AfD ist. Der Verfas­sungs­schutz ist noch dabei, sich ein Urteil zu bilden. Eine Entschei­dung steht nun aber wohl bald an.

Eine bundes­wei­te Einstu­fung der gesam­ten AfD als rechts­extre­mis­ti­scher Verdachts­fall durch den Verfas­sungs­schutz rückt näher.

Nach Angaben von Teilneh­mern hat der Präsi­dent des Bundes­am­tes für Verfas­sungs­schutz, Thomas Halden­wang, bei der Innen­mi­nis­ter­kon­fe­renz von Bund und Ländern in Berlin gesagt, er rechne mit einer Entschei­dung dazu im Januar. Darüber hatte zuvor der «Spiegel» berichtet.

Den Angaben zufol­ge teilte Halden­wang den Innen­mi­nis­tern am Donners­tag mit, angesichts der vorlie­gen­den Erkennt­nis­se würde er sich wundern, wenn es dann nicht auf eine Einstu­fung der Partei als Verdachts­fall hinaus­lau­fen würde. Der Einfluss des formal aufge­lös­ten völki­schen Flügels in der AfD sei größer gewor­den. Dies habe sich zuletzt auch beim Bundes­par­tei­tag im nordrhein-westfä­li­schen Kalkar gezeigt. Anschlie­ßend habe Halden­wang die Teilneh­mer der Konfe­renz gebeten, seine Aussa­ge vorerst vertrau­lich zu behan­deln, hieß es.

In Kalkar hatten Vertre­ter der Rechts­au­ßen-Strömung in der Partei Ende Novem­ber gegen AfD-Chef Jörg Meuthen rebel­liert. Der hatte seine Partei­freun­de vor einem Schul­ter­schluss mit der «Querdenken»-Bewegung gewarnt und eine Distan­zie­rung von «Krawall­ma­chern» gefor­dert. Meuthen hatte gemahnt: «Entwe­der wir kriegen hier die Kurve, und zwar sehr entschlos­sen und sehr bald. Oder wir werden als Partei in keines­wegs ferner Zukunft in ganz, ganz schwe­re See geraten und gegebe­nen­falls schei­tern.» Ein Antrag, Meuthens Rede zu missbil­li­gen, fand etliche Unter­stüt­zer, aber keine Mehrheit. Mehre­re Delegier­te lobten Meuthen für seine mutige «Führung».

Der Verfas­sungs­schutz hatte den 2015 vom Thürin­ger Landes­chef Björn Höcke gegrün­de­ten «Flügel» im Frühjahr als «erwie­sen extre­mis­ti­sche Bestre­bung» einge­stuft. Die Nachwuchs­or­ga­ni­sa­ti­on, Junge Alter­na­ti­ve, gilt dagegen als Verdachtsfall.

Eine Einstu­fung als Verdachts­fall erlaubt dem Verfas­sungs­schutz den Einsatz nachrich­ten­dienst­li­cher Mittel. Das heißt, dass zum Beispiel Infor­man­ten aus dem Umfeld der Partei angeheu­ert werden dürfen. Der Inlands­ge­heim­dienst darf perso­nen­be­zo­ge­ne Daten auswer­ten und speichern. Bei einem Verdachts­fall gibt es «hinrei­chend gewich­ti­ge tatsäch­li­che Anhalts­punk­te» für verfas­sungs­feind­li­che Bestre­bun­gen. Ziel ist es, heraus­zu­fin­den, ob sich der Verdacht erhär­ten lässt. Nur wenn dies der Fall ist, wird eine Gruppie­rung als «erwie­sen extre­mis­tisch» einge­stuft wird. Da Betrof­fe­ne gegen eine solche Einschät­zung klagen können, lässt sich die Behör­de mit dem Zusam­men­tra­gen der Fakten lieber Zeit als hinter­her vor Gericht eine Schlap­pe zu kassieren.

Der Vorsit­zen­de der Innen­mi­nis­ter­kon­fe­renz, Georg Maier (SPD), sagte am Freitag mit Blick auf die AfD, die Innen­mi­nis­ter hätten auch darüber gespro­chen, «ob es gegebe­nen­falls Bestre­bun­gen gibt, die Demokra­tie von innen, auf parla­men­ta­ri­schem Wege, auszu­höh­len.» Nieder­sach­sens Innen­mi­nis­ter, Boris Pisto­ri­us (SPD), kommen­tier­te den AfD-Bundes­par­tei­tag mit den Worten: «Ist das eine Trend­wen­de oder ist es ein letztes Aufbäu­men der gemäßig­ten Kräfte?» Er sehe zumin­dest Anhalts­punk­te dafür, dass der Kurs bei der AfD nicht in Richtung Mitte gehe, «sondern eher nach Rechtsaußen».

Der AfD-Vorsit­zen­de Jörg Meuthen sprach von einer «politisch gewünsch­ten Beobach­tung». Er sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Während sich in der AfD für jeder­mann erkenn­bar bürger­lich-konser­va­ti­ve Kräfte auf ganzer Breite durch­set­zen, erzählt Herr Halden­wang wider besse­ren Wissens, dass der Einfluss des sogenann­ten völki­schen Lagers steige.» Dies sei offen­kun­dig falsch und werde recht­lich nicht haltbar sein. Unter­stüt­zer von Meuthen, die sich selbst als gemäßigt bezeich­nen, hatten nach der Aufstel­lung der nieder­säch­si­schen Kandi­da­ten für die kommen­de Bundes­tags­wahl gesagt, bei der Kandi­da­ten-Wahl hätten sich vor allem Bewer­ber aus ihren Reihen durchgesetzt.

Der Co-Vorsit­zen­de Tino Chrup­al­la sagte, er frage sich, wen der Verfas­sungs­schutz-Präsi­dent dem «Rechts­au­ßen­la­ger» in der AfD zurech­ne. «Ich würde mir wünschen, dass er da endlich mal Ross und Reiter nennt», fügte er hinzu. Solan­ge dies nicht gesche­he, seien solche Aussa­gen aus seiner Sicht «nichts weiter als der geziel­te Versuch der Diffa­mie­rung und Diskre­di­tie­rung» einer Oppositionspartei».

Aus einer ganz anderen Richtung kommen die Zweifel an der Arbeit des Verfas­sungs­schut­zes bei der Links­par­tei. «Wie rechts­extre­mis­tisch und demokra­tie­ver­ach­tend die AfD ist, beweist sie jede Sitzungs­wo­che im Bundes­tag», sagte der Parla­men­ta­ri­sche Geschäfts­füh­rer der Links­frak­ti­on, Jan Korte. «Um das festzu­stel­len, braucht man keinen Verfas­sungs­schutz.» Das Geld, das in den Inlands­ge­heim­dienst fließe, wäre besser in Demokra­tie­pro­jek­ten angelegt.