BERLIN (dpa) — SPD, Grüne und FDP nehmen Kurs auf ein Ampel-Bündnis. Doch ein Selbst­läu­fer sind die Ampel-Gesprä­che nicht, das wissen alle.

Einein­halb Wochen nach der Bundes­tags­wahl sind SPD, FDP und Grüne zu einem ersten Dreier­ge­spräch zur Bildung einer neuen Bundes­re­gie­rung zusammengekommen.

Er hoffe, dass nach dem ersten Dreier­ge­spräch der mögli­chen künfti­gen Koali­ti­ons­part­ner an diesem Donners­tag alle sagen: «Das hat sich heute gelohnt, das soll weiter­ge­hen», sagte SPD-General­se­kre­tär Lars Kling­beil am Donners­tag im ZDF-Morgen­ma­ga­zin. «Wenn das die Entschei­dung ist, dass es weiter­geht, dann muss es jetzt sehr zügig zu wirkli­chen Sondie­run­gen kommen», sagte Kling­beil. Der nächs­te Schritt sei dann ein Eintritt in regulä­re Koalitionsverhandlungen.

Damit ist die Union bei den weite­ren Sondie­run­gen außen vor, die Chancen für eine Jamai­ka-Koali­ti­on werden immer kleiner. Die Unions­frak­ti­on im Bundes­tag kommt nach Infor­ma­tio­nen der Deutschen Presse-Agentur am Nachmit­tag zu einer Schalt­kon­fe­renz zusam­men, um über die aktuel­le Lage zu beraten.

Wie sieht die Zukunft für Laschet aus?

Mit Spannung wird erwar­tet, wie sich die Situa­ti­on für CDU-Chef Armin Laschet bis zu den regulä­ren Beratun­gen der CDU-Spitzen­gre­mi­en am Montag entwi­ckelt. Laschet steht seit dem Wahlde­sas­ter der CDU/CSU massiv unter Druck. In der Union wird davon ausge­gan­gen, dass bei der Schalt­kon­fe­renz der Frakti­on auch über die Frage disku­tiert wird, ob man sich weiter für Verhand­lun­gen mit Grünen und FDP bereit­hal­ten sollte. Während Laschet dies am Mittwoch bejaht hatte, werte­te CSU-Chef Markus Söder die Entschei­dung der beiden Partei­en für Ampel-Gesprä­che als «De-facto-Absage an Jamaika».

Die FDP reagier­te darauf höchst verär­gert. «Ohne die perma­nen­ten CSU-Blutgrät­schen gegen Armin Laschet könnten wir morgen Sondie­rungs­ge­sprä­che für eine Jamai­ka-Koali­ti­on begin­nen», schrieb der FDP-Bundes­tags­ab­ge­ord­ne­te Konstan­tin Kuhle bei Twitter. «Dass Söder heute gegen Jamai­ka schießt, obwohl FDP und Grüne diese Varian­te expli­zit offen lassen, setzt seiner Obstruk­ti­on die Krone auf.»

FDP-Chef Chris­ti­an Lindner bekräf­tig­te in der ARD, auch nach der Aufnah­me von Ampel-Gesprä­chen bleibe ein Jamai­ka-Bündnis «unver­än­dert eine tragfä­hi­ge Option». Aller­dings könne aktuell jeder verfol­gen, «dass die Union gegen­wär­tig selbst disku­tiert, ob sie regie­rungs­wil­lig und regie­rungs­fä­hig ist», sagte er im ZDF.

FDP-General­se­kre­tär Volker Wissing zeigte sich vor den ersten Gesprä­chen mit SPD und Grünen über eine mögli­che Regie­rungs­bil­dung irritiert über den Unions­kurs. Während CSU-Chef Markus Söder einer Jamai­ka-Koali­ti­on mit Grünen und FDP bereits eine Absage erteilt habe, bleibe Unions-Kanzler­kan­di­dat Armin Laschet (CDU) dafür weiter offen. «Das passt ja nicht zusam­men», sagte Wissing am Donners­tag­mor­gen im Deutsch­land­funk. In seiner Partei habe dieses Verhal­ten für Irrita­tio­nen gesorgt. Auch die Grünen hatten zuvor deutlich gemacht, dass ein Jamai­ka-Bündnis für sie noch nicht endgül­tig vom Tisch ist.

CSU-General­se­kre­tär Markus Blume wieder­um kriti­sier­te die Libera­len: Die FDP «entschei­det sich für die Ampel und will anschlie­ßend nicht die Verant­wor­tung für das Schei­tern von Jamai­ka überneh­men. Fakt ist: Wir hätten gern weiter­ge­re­det, Ihr habt Euch gegen paral­le­le Sondie­run­gen entschie­den», schrieb er auf Twitter.

Der Vorsit­zen­de der CDU/C­SU-Gruppe im Europa­par­la­ment, Daniel Caspa­ry, warnte dagegen vor vorei­li­gen Schrit­ten. Die Ampel-Sondie­run­gen seien «keines­falls ein Selbst­läu­fer». Wie man vor vier Jahren erlebt habe, könnten Sondie­run­gen auch schei­tern, sagte das CDU-Präsi­di­ums­mit­glied der Deutschen Presse-Agentur. «Dann sollten wir nicht als unsor­tier­ter Haufen, sondern als geord­ne­te Forma­ti­on bereit stehen.»

Der Vizechef des CDU-Arbeit­neh­mer­flü­gels CDA, Dennis Radtke, kriti­sier­te in den Zeitun­gen der Funke Medien­grup­pe: «Wir haben zuletzt in der Öffent­lich­keit eher das Bild einer Abbruch­ko­lon­ne abgege­ben als einer Partei, die Lust auf Zukunfts­ge­stal­tung hat.» Das gelte es zu ändern.

Kommt die erste Ampel-Koali­ti­on auf Bundesebene?

Sollten sich SPD, Grüne und FDP am Ende von Koali­ti­ons­ver­hand­lun­gen auf eine gemein­sa­me Regie­rung verstän­di­gen, wären dies die erste Ampel-Koali­ti­on auf Bundes­ebe­ne überhaupt. Insbe­son­de­re die SPD bemüh­te sich vor dem ersten Dreier­tref­fen, Optimis­mus zu verbreiten.

«Die Ampel-Koali­ti­on kann sich für Deutsch­land als Glücks­fall heraus­stel­len», sagte SPD-Frakti­ons­chef Rolf Mützenich dem Redak­ti­ons­netz­werk Deutsch­land. So gebe es gemein­sa­me Auffas­sun­gen, was die großen Heraus­for­de­run­gen seien, vom Kampf gegen den Klima­wan­del über den Erhalt indus­tri­el­ler Arbeits­plät­ze bis zur Digita­li­sie­rung. «Auf der anderen Seite setzen alle drei Partei­en program­ma­tisch und aus ihrer Geschich­te heraus unter­schied­li­che Schwer­punk­te. Das mitein­an­der zu verknüp­fen, kann Deutsch­land guttun.»

Die Grünen sehen mit der FDP vor allem in gesell­schafts­po­li­ti­schen Fragen große Gemein­sam­kei­ten. Es gehe darum, «gerade mit Blick darauf, dass wir ein Einwan­de­rungs­land sind, auch wirklich neue Chancen auszu­lo­ten», sagte Partei­che­fin Annale­na Baerbock am Abend im ZDF. In der Verkehrs­po­li­tik seien Grüne und FDP in der Vergan­gen­heit weit ausein­an­der gewesen, und beim Klima­schutz gebe es auch noch «noch Einiges zu überbrücken».

Lindner vertrat die Ansicht, Grüne und FDP würden jetzt zusam­men ein «fortschritts­freund­li­ches Zentrum» bilden. Sie seien gleicher­ma­ßen von den jungen Wählern beauf­tragt worden, das Land zu erneu­ern. Union und SPD stünden eher für den Status quo. Wer auch immer Deutsch­land regie­re, es werde eine Koali­ti­on sein, «die über die tradi­tio­nel­len politi­schen Grenzen hinweg geht». Deshalb müsse sie größer sein als die Summe ihrer Teile.