Als junger Mann war Alexan­der Falk einer der reichs­ten Deutschen und Star der «New Econo­my» — jetzt muss er aller Voraus­sicht nach bereits zum zweiten Mal ins Gefäng­nis. Der Bundes­ge­richts­hof (BGH) verwarf am Mittwoch die Revisi­on des Hambur­ger Verle­ger-Erben gegen seine Verur­tei­lung zu einer vierein­halb­jäh­ri­gen Haftstra­fe. Damit ist rechts­kräf­tig festge­stellt, dass Falk Krimi­nel­le auf einen ihm verhass­ten Wirtschafts­an­walt angesetzt hat — um diesen zu überfal­len und anzuschießen.

Die Geschich­te klingt fast schon filmreif. Das Geld aus dem Verkauf des bekann­ten Stadt­plan-Verlags seines Vaters hatte Falk (heute 53) sehr erfolg­reich in Inter­net­un­ter­neh­men inves­tiert. Zwischen­zeit­lich stand er auf der Forbes-Liste der 100 reichs­ten Deutschen. Dann der tiefe Fall: 2008 wird Falk wegen versuch­ten Betrugs zu vier Jahren Haft verur­teilt — weil er den Wert seiner Firma durch Schein­ge­schäf­te geschönt und diese zu einem überhöh­ten Preis verkauft hatte.

Schuss aus nächs­ter Nähe

In der Folge sah sich Falk Schaden­er­satz-Forde­run­gen in Millio­nen­hö­he ausge­setzt. Der später angegrif­fe­ne Anwalt hatte für die Gegen­sei­te gearbei­tet. Als er im Febru­ar 2010 vor seinem Haus in Frank­furt in sein Auto steigen will, schießt ihm ein Unbekann­ter aus nächs­ter Nähe in den Oberschen­kel. Zuvor hatte es schon anony­me Anrufe gegeben, einmal war die Eingangs­tür mit einem Hammer einge­schla­gen worden.

Die Ermitt­ler tappen jahre­lang im Dunkeln — bis 2017 ein Kronzeu­ge auftaucht, der Falk belas­tet. Der polizei­be­kann­te Mann profi­tiert von seiner Aussa­ge, denn die frühe­re Großkanz­lei des Anschlags­op­fers hatte eine Beloh­nung von 100.000 Euro ausgelobt.

Falks Frau hatte im Prozess am Frank­fur­ter Landge­richt ausge­sagt, die Familie sei von dem Mann erpresst worden. Tatsäch­lich stellt sich eine Tonband­auf­nah­me, die als zentra­les Beweis­mit­tel galt, als teilwei­se manipu­liert heraus. Das Landge­richt gelangt in seinem Urteil vom 9. Juli 2020 trotz­dem zu der Überzeu­gung, dass Falk die Tat bei einem krimi­nel­len Brüder­paar aus der Türkei in Auftrag gegeben hat — aus Wut, Rache und gekränk­ter Ehre.

Ominö­se SMS

Eine wichti­ge Rolle spielt dabei eine SMS, die Falk fünf Tage vor der Tat erhal­ten hatte. Der Absen­der teilt ihm mit, dass «die Oma» demnächst ihren «verdien­ten Kurauf­ent­halt» bekom­men werde.

Falk selbst hatte zu Prozess­be­ginn gesagt, er sitze für eine Tat in Unter­su­chungs­haft, die er nicht began­gen habe. «Einen feigen Anschlag in Auftrag zu geben, wider­spricht allem, was mir wichtig ist, meiner Erzie­hung, meinen Werten, meinem Sports­geist.» Er habe nur den Auftrag erteilt, von dem Anwalt oder anderen Kanzlei­an­ge­hö­ri­gen Daten zu beschaf­fen, um damit seine Unschuld bewei­sen zu können.

Die Frank­fur­ter Richter hatte er damit nicht überzeugt. Und auch die obers­ten Straf­rich­ter in Karls­ru­he sehen keinen Rechtsfehler.

Falks Vertei­di­ger hatten vor allem beanstan­det, dass ihr Mandant am Ende wegen einer anderen Straf­tat verur­teilt worden sei als der ursprüng­lich angeklag­ten. Anfangs hatte ihm die Staats­an­walt­schaft Anstif­tung zum Mord vorge­wor­fen. Verur­teilt wurde er am Ende wegen Anstif­tung zur gefähr­li­chen Körper­ver­let­zung. Würde es sich um ein völlig anderes Gesche­hen handeln, wäre das ein Verfahrenshindernis.

Gegen die körper­li­che Integrität

Die BGH-Richter teilten diese Beden­ken aber nicht. In beiden Varian­ten sei es darum gegan­gen, das Opfer als Prozess­geg­ner auszu­schal­ten, sagte der Senats­vor­sit­zen­de Ulrich Franke bei der gut halbstün­di­gen Urteils­ver­kün­dung, der Falk fernblieb. Und beide Straf­ta­ten richte­ten sich gegen die körper­li­che Integrität.

Außer­dem hatten Falks Anwäl­te gerügt, dass die beiden türki­schen Brüder, die sich inzwi­schen in ihrem Heimat­land aufhal­ten, vom Landge­richt nicht wie beantragt per Video­schal­te befragt wurden. Hier zog der BGH zwar die Begrün­dung der Frank­fur­ter Richter in Zweifel. Franke sagte aber, im Ergeb­nis sei davon auszu­ge­hen, dass das nichts an dem Urteil geändert hätte. Die Brüder hätten nicht befragt werden wollen — und als Mit-Verdäch­ti­ge vermut­lich auch nicht viel gesagt.

Falks Anwalt Björn Gercke kriti­sier­te das. «Niemand kann wirklich sicher ausschlie­ßen, dass es jeden­falls bei Verneh­mung der angeb­li­chen Auftrag­neh­mer nicht zu einem Freispruch gekom­men wäre», teilte er mit. Das Urteil sei nun «nur noch einer Überprü­fung auf etwaige Verlet­zung von Verfas­sungs­recht bzw. gegebe­nen­falls der Europäi­schen Menschen­rechts­kon­ven­ti­on (EMRK) zugänglich».

An der Rechts­kraft würde das Einle­gen einer Verfas­sungs­be­schwer­de aber nichts ändern. Falk hatte 22 Monate in U‑Haft geses­sen. Diese Zeit wird auf die Haftstra­fe angerech­net. Eine Ausset­zung der restli­chen Haft zur Bewäh­rung ist norma­ler­wei­se erst möglich, wenn zwei Drittel der Strafe abgeses­sen sind — hier also ungefähr 36 Monate. Damit ist davon auszu­ge­hen, dass Falk, der seit dem Frank­fur­ter Urteil frei war, bald wieder ins Gefäng­nis muss.

Von Anja Semmel­roch, dpa