US-Präsi­dent Trump weigert sich weiter­hin, seine Wahlnie­der­la­ge einzu­ge­ste­hen. Dabei baut sein siegrei­cher Heraus­for­de­rer Biden den Stimmen­vor­sprung sogar noch aus — und kommt nun auf exakt so viele Wahlleu­te wie Trump vor vier Jahren.

Den Berech­nun­gen von CNN, NBC, ABC und CBS zufol­ge kommt der Demokrat Biden bei der US-Wahl nun auf 306 Wahlleu­te, exakt so viele wie der Republi­ka­ner Trump vor vier Jahren hatte — und deutlich mehr als die für einen Sieg erfor­der­li­chen 270. Trump hatte bei seinem Überra­schungs­er­folg 2016 von einem «Erdrutsch­sieg» gesprochen.

ZWEIFELT TRUMP?

Trump ließ am Freitag erstmals Zweifel an der bisher von ihm demons­trier­ten Sieges­ge­wiss­heit erken­nen. «Diese Regie­rung wird keinen Lockdown machen», sagte er bei einem Auftritt im Rosen­gar­ten des Weißen Hauses, bei dem es um einen Impfstoff gegen das Corona­vi­rus ging. Er fuhr fort mit den Worten: «Hoffent­lich wird die», hielt kurz inne — und begann seinen Satz dann noch einmal neu: «Was immer in der Zukunft passiert, wer weiß, welche Regie­rung es sein wird, ich denke, das wird sich zeigen. Aber ich kann Ihnen versi­chern, diese Regie­rung wird keinen Lockdown machen.»

BIDEN BEI LANDESWEITEN STIMMEN WEIT VORNE

US-Sender prognos­ti­zier­ten am Freitag, dass Biden Georgia (16 Wahlleu­te) gewon­nen habe und Trump den Bundes­staat North Caroli­na (15). Das waren die letzten beiden Bundes­staa­ten, in denen noch kein Sieger der Wahl vom 3. Novem­ber ausge­ru­fen worden war. Damit käme Biden auf 306 Wahlleu­te, Trump auf 232. Bei der Wahl vor vier Jahren hatte Trump 306 Wahlleu­te hinter sich gebracht, seine Heraus­for­de­re­rin Hilla­ry Clinton kam auf 232. Trump hatte damals die meisten Wahlleu­te in den Bundes­staa­ten gewon­nen, landes­weit aber knapp drei Millio­nen Wähler­stim­men weniger als Clinton bekommen.

Bei dieser Wahl liegt Biden auch bei den landes­wei­ten Stimmen mehr als fünf Millio­nen vor Trump: Der Demokrat kommt auf knapp 78 Millio­nen Stimmen (50,8 Prozent), der Republi­ka­ner auf 72,7 Millio­nen (47,5 Prozent). Der US-Präsi­dent wird nur indirekt vom Volk gewählt. Die Stimmen der Wähler entschei­den über die Zusam­men­set­zung des Wahlkol­le­gi­ums, das den Präsi­den­ten dann im Dezem­ber wählt. Für einen Sieg braucht ein Kandi­dat die Mehrheit der 538 Wahlleute.

TRUMP NIMMT KEINE FRAGEN AN

Trumps Äußerun­gen am Freitag waren die ersten bei einem öffent­li­chen Auftritt seit Donners­tag vergan­ge­ner Woche, als er im Weißen Haus vor Repor­ter getre­ten war und erneut den Wahlsieg für sich rekla­miert hatte. Der amtie­ren­de Präsi­dent nahm auch diesmal keine Fragen von Journa­lis­ten an.

In den USA ist es üblich, dass die Präsi­den­ten­wahl auf der Basis von Progno­sen großer Medien­häu­ser als entschie­den gilt — norma­ler­wei­se noch in der Wahlnacht. Die amtli­chen Ergeb­nis­se kommen teils erst viel später. Wegen der Corona-Pande­mie hatten Millio­nen Ameri­ka­ner dieses Jahr aber per Brief abgestimmt, weshalb sich die Auszäh­lung der Stimmen hinzog.

TRUMP-ANHÄNGER WOLLEN DEMONSTRIEREN

Trump hofft jetzt auf verstärk­te Unter­stüt­zung seiner Anhän­ger. Vor geplan­ten Demons­tra­tio­nen an diesem Samstag in der Haupt­stadt Washing­ton gegen vermeint­li­chen Wahlbe­trug kündig­te Trump auf Twitter an, er überle­ge, ob er «vorbei­kommt und Hallo sagt». Er fühle sich ermutigt von «all der enormen Unter­stüt­zung da draußen, beson­ders auf Kundge­bun­gen, die ganz natür­lich überall im Land aufkom­men». Trump wieder­hol­te seinen Vorwurf, die Wahl sei manipu­liert gewesen, blieb Belege dafür aber auch diesmal schuldig.

Unter dem Motto «Stop the Steal» (Beendet den Diebstahl) haben mehre­re Gruppen für diesen Samstag im Zentrum von Washing­ton zu einem «Marsch für Trump» aufge­ru­fen. Ein Demons­tra­ti­ons­zug soll zum Sitz des Obers­ten Gerichts­hofs der USA führen, von dem sich manche Trump-Anhän­ger juris­ti­sche Hilfe bei der Anfech­tung des Wahler­geb­nis­ses verspre­chen. Antifa-Gruppen haben zum Protest gegen die Kundge­bung aufgerufen.

WEISSES HAUS HÄLT AN SIEGESTHESE FEST

Trumps Handels­be­ra­ter Peter Navar­ro sagte am Freitag im TV-Sender Fox News: «Wir im Weißen Haus agieren weiter­hin in der Annah­me, dass es eine zweite Amtszeit von Präsi­dent Trump geben wird.» Auch die Spreche­rin des Weißen Hauses, Kayleigh McEnany, sagte am Freitag im Sender Fox Business: «Ich denke, dass der Präsi­dent bei seiner eigenen Amtsein­füh­rung anwesend sein wird.» Die Frage war, ob Trump zu der Amtsein­füh­rungs­fei­er am 20. Januar 2021 kommen werde — also zur Zeremo­nie für den Wahlsie­ger Joe Biden.

CORONA-ZAHLEN STEIGEN ALARMIEREND

Die Corona-Pande­mie gerät in den USA indes immer mehr außer Kontrol­le. Die USA verzeich­nen täglich neue Höchst­stän­de an Neuin­fek­tio­nen mit dem Corona­vi­rus. Am Donners­tag wurden 153 496 Fälle regis­triert, wie aus Daten der Johns-Hopkins-Univer­si­tät (JHU) vom Freitag hervor­ging. Das waren rund 10 000 mehr als am Vortag. Damit verzeich­ne­ten die USA die höchs­te Fallzahl für Anste­ckun­gen mit dem Virus binnen 24 Stunden seit Beginn der Pandemie.

CHINA GRATULIERT BIDEN

Erstmals gratu­lier­te nun auch Chinas Staats­füh­rung Biden und der künfti­gen Vizeprä­si­den­tin Kamala Harris zum Wahlsieg. Die Regie­rung in Peking hatte sich zuvor mit offizi­el­len Glück­wün­schen zurück­ge­hal­ten. «Wir respek­tie­ren die Wahl der Menschen in Ameri­ka und übermit­teln Herrn Biden und Frau Harris unsere Glück­wün­sche», erklär­te ein Sprecher des Außen­mi­nis­te­ri­ums am Freitag. Man verste­he, dass das Ergeb­nis der US-Wahlen gemäß der US-Geset­ze und der dorti­gen Verfah­ren festge­legt werde. Das Verhält­nis zwischen China und den USA hatte sich während der Präsi­dent­schaft Trumps stark verschlechtert.