Nach vier Jahren Donald Trump wird bei der US-Präsi­den­ten­wahl eine hohe Betei­li­gung erwar­tet. Umfra­gen sehen seinen Heraus­for­de­rer Biden vorne. Der Amtsin­ha­ber setzt nach dem beispiel­lo­sen Wahlkampf trotz­dem auf Sieg.

Der Amtsin­ha­ber von den Republi­ka­nern gab sich am Diens­tag sieges­ge­wiss. Trump (74) zeigte sich im TV-Sender Fox sogar optimis­tisch, ein noch besse­res Ergeb­nis als bei seinem Erfolg 2016 zu erzie­len. In den Umfra­gen lag jedoch sein demokra­ti­scher Heraus­for­de­rer Biden (77) bis zuletzt vorn — sowohl landes­weit als auch in mehre­ren entschei­den­den «Swing States».

Wegen der ungewöhn­lich hohen Zahl an Brief­wäh­lern und einer damit verbun­de­nen länge­ren Auszäh­lung war unklar, ob der Sieger noch in der Wahlnacht feststeht. Manche fürch­ten eine Hänge­par­tie über mehre­re Tage oder sogar Wochen hinweg, wenn es kein klares Ergeb­nis gibt. Die Amtsein­füh­rung ist für den 20. Januar 2021 angesetzt.

Die ersten Wahllo­ka­le öffne­ten am Diens­tag im Osten des Landes. Mancher­orts bilde­ten sich lange Schlan­gen. Die USA erstre­cken sich über mehre­re Zeitzo­nen. Die letzten Wahllo­ka­le sind bis 7.00 Uhr MEZ geöff­net. Erwar­tet wird eine ungewöhn­lich hohe Wahlbe­tei­li­gung. Fast 100 Millio­nen US-Bürger stimm­ten schon per Brief oder in vorab geöff­ne­ten Wahllo­ka­len ab, wie das «U.S. Elections Project» berich­te­te — viele wohl wegen der Corona-Pande­mie. Das entspricht rund 70 Prozent der Stimmen, die 2016 insge­samt abgege­ben wurden.

Trump zeigte sich in dem Fox-Inter­view zuver­sicht­lich, noch mehr Wahlleu­te als damals hinter sich verei­nen zu können. Zum mögli­chen Szena­rio, er könnte noch vor der Auszäh­lung aller Stimmen seinen Sieg verkün­den, äußer­te er sich unein­deu­tig. «Ich denke, wir werden siegen. Aber nur, wenn es einen Sieg gibt. Es gibt keine Gründe, Spiele zu spielen.» Seine Wieder­wahl ist trotz der Umfra­gen keines­falls ausge­schlos­sen. Trump hat nicht zugesagt, dass er das Resul­tat akzep­tie­ren wird. Zudem beton­te er immer wieder und ohne Belege die Gefahr eines Wahlbe­trugs durch Briefwahl.

Während der Präsi­dent den Wahltag größten­teils im Weißen Haus verbrin­gen wollte, gab First Lady Melania am Diens­tag ihre Stimme in Flori­da ab. Die 50-Jähri­ge ging winkend in ein Wahllo­kal in Palm Beach, wie TV-Aufnah­men zeigten. Mitrei­sen­de Journa­lis­ten berich­te­ten, Trump sei die einzi­ge Person gewesen, die trotz der Corona-Pande­mie keine Maske getra­gen habe.

Unter­des­sen ging Biden in den letzten Stunden noch einmal auf Stimmen­fang im hart umkämpf­ten Bundes­staat Pennsyl­va­nia. Dabei besuch­te er in seiner Heimat­stadt Scran­ton auch das Haus, in dem er seine ersten Lebens­jah­re verbrach­te. Er hinter­ließ dort einen Gruß an der Wand: «Aus diesem Haus ins Weiße Haus mit der Gnade Gottes. Joe Biden 3. 11. 2020». Biden zog mit seiner Familie im Alter von zehn Jahren von Scran­ton nach Wilming­ton (Delaware), wo er bis heute lebt und am Diens­tag­mor­gen noch die Kirche sowie das Grab seines Sohnes besuchte.

Hinter den beiden Kontra­hen­ten liegt ein beispiel­lo­ser und hart geführ­ter Wahlkampf, der von persön­li­chen Attacken vor allem von Trump geprägt war. Der Präsi­dent nannte Biden bei seinen letzten Wahlkampf­ver­an­stal­tun­gen einen «korrup­ten Politi­ker», der die Wirtschaft in eine «tiefe Depres­si­on» stürzen würde. Biden warf Trump vor, bei der Eindäm­mung der Corona-Pande­mie völlig versagt zu haben. Er spalte die Nation und spiele Ameri­ka­ner gegen­ein­an­der aus. Trump sei der «korrup­tes­te» und «rassis­tischs­te» Präsi­dent der Geschichte.

Trump hielt Biden vor, die USA mit neuen Corona-Aufla­gen in einen «Gefäng­nis­staat» verwan­deln zu wollen. «Eine Stimme für Biden ist eine Stimme für Lockdowns, Entlas­sun­gen und Elend», sagte der Präsi­dent. Biden hat keine Lockdowns angekün­digt, sondern verspro­chen, im Falle seines Wahlsie­ges bei der Bekämp­fung der Pande­mie auf Wissen­schaft­ler zu hören.

Die Zahl der Corona-Neuin­fek­tio­nen ist zuletzt wieder deutlich angestie­gen, im Schnitt auf rund 80 000 pro Tag. Nach Daten der Univer­si­tät Johns Hopkins gibt es in den USA, einem Land mit rund 330 Millio­nen Einwoh­nern, bislang rund 9,3 Millio­nen bestä­tig­te Infek­tio­nen. Mehr als 231 000 Menschen sind nach einer Anste­ckung gestor­ben — mehr als in jedem anderen Land der Welt.

Die US-Bürger waren aufge­ru­fen, den Präsi­den­ten, die 435 Abgeord­ne­ten des Reprä­sen­tan­ten­hau­ses sowie rund ein Drittel der 100 Manda­te im Senat neu zu bestim­men. Zudem gab es in vielen Bundes­staa­ten örtli­che Abstim­mun­gen. Der US-Präsi­dent wird nicht direkt gewählt. Der Wahlsie­ger in einem Bundes­staat gewinnt dort die Stimmen der Wahlleu­te. Diese wählen dann im Dezem­ber den Präsi­den­ten. Für den Sieg werden mindes­tens 270 Stimmen der Wahlleu­te benötigt.

In den letzten Tagen des Wahlkampfs konzen­trier­ten sich beide Kandi­da­ten auf «Swing States» wie Pennsyl­va­nia, Michi­gan und Flori­da. In diesen Bundes­staa­ten steht nicht fest, ob der Kandi­dat der Republi­ka­ner oder jener der Demokra­ten siegen wird.

Eine Entschei­dung des Obers­ten Gerichts zu den Brief­wahl­fris­ten in Pennsyl­va­nia bezeich­ne­te Trump als «sehr gefähr­lich». Die Entschei­dung, die Auszäh­lung von Brief­wahl­un­ter­la­gen noch bei Erhalt drei Tage nach der Wahl zu erlau­ben, werde zu «ungezü­gel­tem und unkon­trol­lier­tem Betrug» führen, schrieb er auf Twitter. «Es wird zu Gewalt in den Straßen führen. Es muss etwas getan werden.» Twitter versteck­te die Nachricht umgehend hinter einem Warnhin­weis und schränk­te die Möglich­keit der Weiter­ver­brei­tung des Tweets ein.

Trump hat wieder­holt gefor­dert, der Sieger müsse noch in der Wahlnacht klar verkün­det werden. Seine Forde­rung — für die es keine recht­li­che Grund­la­ge gibt — nährt die Befürch­tun­gen, dass sich der Republi­ka­ner vorzei­tig zum Sieger erklä­ren könnte. Er hatte auch signa­li­siert, dass er sich vor Gericht gegen eine Verzö­ge­rung wehren könnte. Umfra­gen legten nahe, dass die in den Wahllo­ka­len abgege­be­nen Stimmen eher zuguns­ten Trumps ausfal­len würden, Brief­wahl­stim­men eher für Biden.