Wenn eine globa­le Pande­mie unsere Gesund­heit bedroht, sollte zumin­dest das Essen möglichst unbelas­tet sein. So dachten 2020 anschei­nend viele Menschen — und kauften so viel Bio wie noch nie.

NÜRNBERG (dpa) — Wegen der Corona-Krise mussten viele Menschen mehr selber kochen — und auf den Tisch kam verstärkt Bio. Im vergan­ge­nen Jahr erziel­ten die Bio-Lebens­mit­tel einen Rekord­um­satz von fast 15 Milli­ar­den Euro — ein Plus von mehr als 20 Prozent. Bio legte damit nach Angaben des Bunds Ökolo­gi­sche Lebens­mit­tel­wirt­schaft (BÖLW) doppelt so stark zu wie der Lebens­mit­tel­markt insgesamt.

«Da ist eine andere Wertschät­zung entstan­den», sagte Bundes­land­wirt­schafts­mi­nis­te­rin Julia Klöck­ner (CDU) am Mittwoch zur Eröff­nung der weltgröß­ten Natur­kost­mes­se Biofach in Nürnberg, die in diesem Jahr aller­dings nur virtu­ell statt­fin­det. Die Corona-Pande­mie habe die Bewegung hin zu mehr Bio verstärkt, sagte Klöckner.

Auf der Biofach und der paral­lel veran­stal­te­ten Natur­kos­me­tik­mes­se Vivaness zeigen bis Freitag rund 1400 Ausstel­ler aus mehr als 80 Ländern ihre Neuhei­ten. Trends sind nach Angaben der Veran­stal­ter unter anderem Fleischer­satz­pro­duk­te, Lebens­mit­tel mit weniger oder gar keinem Zucker, nachhal­ti­ge Verpa­ckungs­kon­zep­te und Natur­kos­me­tik ohne Wasser.

Die deutlich gestie­ge­ne Nachfra­ge nach Bio-Lebens­mit­teln konnte die Branche dem BÖLW zufol­ge dadurch bewäl­ti­gen, dass viele Höfe in den vergan­ge­nen Jahren auf Bio umgestellt hatten. So bewirt­schaf­te­ten 2020 in Deutsch­land mehr als 35 000 Höfe fast 1,7 Millio­nen Hektar Fläche ökolo­gisch. Die Bio-Fläche stieg damit im Vergleich zum Vorjahr um rund 5 Prozent und kommt inzwi­schen auf rund 10 Prozent aller Landwirtschaftsflächen.

Beson­ders die Direkt- und Onlin­ever­mark­tung wie Hoflä­den und Bio-Abokis­ten boomten nach BÖLW-Angaben im vergan­ge­nen Jahr. Ein Grund dafür könnte sein, dass viele Verbrau­che­rin­nen und Verbrau­cher angesichts der Anste­ckungs­ge­fahr größe­re Super­märk­te lieber mieden und statt­des­sen sich die Lebens­mit­tel vor die Tür liefern ließen oder direkt beim Bauern kauften.

Eine weite­re Erklä­rung liefert eine aktuel­le Umfra­ge des Markt­for­schungs­in­sti­tuts AMM zur Glaub­wür­dig­keit von Bio. Danach genie­ßen vor allem die Bio-Bauern großes Vertrau­en. «Eine immer größe­re Zahl von Konsu­men­ten sagt, sie bezie­hen am liebs­ten direkt vom Erzeu­ger», sagte Studi­en­lei­ter Joachim Riedl von der Hochschu­le Hof. An zweiter Stelle folgten Biofach­han­del und danach die Wochenmärkte.

Die Abokis­ten-Betrei­ber brach­te der vom ersten Lockdown ausge­lös­te Boom zum Teil an ihre Kapazi­täts­gren­zen. Der Online-Shop sei unter den vielen Bestel­lun­gen zusam­men­ge­bro­chen, und man habe eine Zeit lang keine neuen Kunden mehr anneh­men können, berich­te­te Franzis­ka Rutscher vom Ökodorf Brodo­win im branden­bur­gi­schen Ebers­wal­de, das mit seinem Ökokorb Berlin und Umland belie­fert. «Wir haben plötz­lich bis in die Nacht Kisten gepackt.»

Auch die rollen­de Gemüse­kis­te aus Augsburg bekommt zurzeit so viele Anfra­gen, dass sie diese nach eigenen Angaben nicht alle sofort abarbei­ten kann. Man sei dabei, die Kapazi­tä­ten zu erwei­tern, heißt es auf der Homepage.

Das hat der Brodo­wi­ner Ökokorb bereits getan. Eine neue Halle, die eigent­lich für Fahrzeu­ge gedacht war, nutzt der Betrieb nun für eine zweite Packstra­ße. Angesichts der großen Bestell­men­gen habe man vermehrt bei Großhänd­lern und anderen Erzeu­gern einkau­fen müssen, zum Teil auch überre­gio­nal, sagte Rutscher. Und es sei auch vorge­kom­men, dass Produk­te nicht mehr liefer­bar gewesen seien.

Diesen Schub auf dem Bio-Markt müsse die Bundes­re­gie­rung nun nutzen, forder­te der BÖLW-Vorsit­zen­de Felix Prinz zu Löwen­stein. Nach deren Plänen soll 20 Prozent der deutschen Agrar­flä­che bis 2030 ökolo­gisch bewirt­schaf­tet werden. Die EU-Kommis­si­on will sogar einen Ökoland-Anteil von 25 Prozent. «Ziele allein reichen nicht», beton­te Löwen­stein. In der EU-Agrar­po­li­tik sei ein Kurswech­sel nötig, der den Bio-Höfen mehr finan­zi­el­le Planungs­si­cher­heit gebe.