RIGA (dpa) — Das hatten sich die deutschen Eisho­ckey-Natio­nal­spie­ler ganz anders vorge­stellt. Frustriert mussten sie zum WM-Abschluss zusehen, wie die US-Profis die Bronze­me­dail­le feiern. Insge­samt war das Turnier in Lettland dennoch ein Erfolg.

Abschied mit Tränen statt Bronze: Deutsch­lands lange famoses Eisho­ckey-Team hat zum Abschluss der WM in Riga eine Demüti­gung erlebt und sich nicht mit der erhoff­ten ersten WM-Medail­le seit 68 Jahren belohnt.

Nur 21 Stunden nach der unglück­li­chen Halbfi­nal-Nieder­la­ge gegen Finnland wurde die müde und mental ausge­brann­te Auswahl von Bundes­trai­ner Toni Söder­holm im Spiel um die Bronze­me­dail­le von den USA beim 1:6 (0:1, 0:4, 1:1) deklas­siert. WM-Debütant Dominik Bittner von den Grizz­lys Wolfs­burg erziel­te das einzi­ge deutsche Tor (50. Minute), als das Spiel längst entschie­den war.

Enttäusch­te DEB-Spieler

«Das tut gerade brutal weh. Es ist schwer, Worte zu finden», sagte der frühe­re NHL-Profi Korbi­ni­an Holzer und musste erst einmal durch­pus­ten: «Wir waren so nah dran ins Finale einzu­zie­hen, heute hat es nicht gereicht», sagte der Vertei­di­ger und bilan­zier­te: «Es wird dauern, bis wir reali­sie­ren, was wir geschafft haben. Es sind kleine Details, die zur Weltspit­ze fehlen. Es war ein Riesenschritt.»

Nach Spielen­de kamen Kapitän Moritz Müller erneut die Tränen, als er schon umgezo­gen die Auszeich­nung des besten deutschen Spielers entge­gen­nahm. Als er sich im zweiten Drittel in einen Schuss gewor­fen hatte, hatte sich der Vertei­di­ger an der linken Hand verletzt. Bei der Medail­len-Überga­be waren die deutschen Spieler nur verbit­ter­te Zuschau­er. «Ich bin einfach stolz. Es war ein sehr starkes Turnier mit einer Mannschaft von ganzen feinen Menschen. Heute war nicht unser Tag», bilan­zier­te Söderholm.

Chris­ti­an Wolanin (6.), Conor Garland (27.), Jack Drury (29.), Jason Robert­son (32.), Trevor Moore (33.) und Ryan Donato (50.) sicher­ten den US-Boys die insge­samt achte WM-Bronze­me­dail­le. Deutsch­land beleg­te wie zuletzt bei der Heim-WM 2010 Platz vier.

Starke Turnierleistung

Was vor elf Jahren indes noch einer Sensa­ti­on glich, fühlt sich nun an wie eine Enttäu­schung — was auch an der Lehrstun­de zum Abschluss lag. Insge­heim hatte sich das Team des Deutschen Eisho­ckey-Bunds (DEB) mehr ausge­rech­net und gar auf den Weltmeis­ter-Titel geschielt. In der Tat hatte zum ersten WM-Finale seit 91 Jahren nicht viel gefehlt. Beim 1:2 gegen die Heimat Söder­holms war Deutsch­land die besse­re Mannschaft, hatte aber kein Glück und leiste­te sich zudem zwei folgen­schwe­re indivi­du­el­le Patzer, die von den effek­ti­ven Finnen gnaden­los ausge­nutzt wurden.

Die Spieler gaben sich nach der bitte­ren Nieder­la­ge entschlos­sen, zumin­dest Platz drei und damit das beste WM-Ergeb­nis seit Silber 1953 zu sichern. Dies gelang nicht, weil auch der menta­le Kraft­akt nicht klapp­te. «Es war nicht einfach, das zu verar­bei­ten», bekann­te Söder­holm vor dem Spiel angesichts der Nieder­la­ge am Samstag. Torhü­ter Mathi­as Nieder­ber­ger, der die schnel­le Fokus­sie­rung auf eine mögli­che Medail­le nach dem 1:2 gegen die Finnen als «Chall­enge» bezeich­net hatte, saß dann auch nur auf der Bank.

Rückstand hinter­her­ge­lau­fen

Ersatz­mann Felix Brück­mann war aber schon nach gut fünf Minuten beim ersten US-Torschuss überhaupt überwun­den. Der starke Vertei­di­ger Wolanin nahm Matthi­as Plach­ta den Puck ab, starte­te ein Solo und vollende­te. Schon wieder musste die deutsche Auswahl in ihrem zehnten Spiel binnen 16 Tagen wie zuvor bereits im Halbfi­na­le gegen die Finnen und im Viertel­fi­na­le gegen die Schweiz einem Rückstand hinter­her­lau­fen. «Wir müssen jetzt langsam aufwa­chen», warnte Vertei­di­ger Moritz Seider in der Drittelpause.

Indes geschah das Gegen­teil. Deutsch­land tat sich in der Offen­si­ve gewohnt schwer, während die USA gnaden­los Chancen nutzte. Mit jedem Gegen­tor wurden die deutschen Beine schwe­rer, selbst in doppel­ter Überzahl wollte kein Treffer mehr fallen.

Positi­ve Entwick­lung im deutschen Eishockey

Ein Erfolg ist die WM in der Gesamt­be­trach­tung dennoch. Die Entwick­lung im deutschen Eisho­ckey mit immer mehr NHL-Leistungs­trä­gern, von denen die besten — Deutsch­lands Sport­ler des Jahres 2020 Leon Draisaitl, Torhü­ter Philipp Grubau­er und Top-Neuling Tim Stütz­le — in Riga gar nicht dabei waren, schrei­tet voran. Nach der sensa­tio­nel­len Olympia-Silber­me­dail­le 2018 begeis­ter­te zumin­dest bis zum Samstag wieder eine leiden­schaft­li­che Auswahl mit bestem Teamgeist und Kampf­kraft. In der Vorrun­de gelang mit dem ersten WM-Sieg seit 25 Jahren gegen Kanada (3:1) zudem Histo­ri­sches. «Ich glaube, dass ganz Eisho­ckey-Deutsch­land stolz ist, wie sich die Mannschaft hier präsen­tiert hat», sagte Söder­holm, der sich selbst fast ergrif­fen über seine Auswahl äußerte. 

Von Carsten Lappe und Kristi­na Puck, dpa