«VeRA» soll bereits vorhan­de­ne Infor­ma­tio­nen aus verschie­de­nen Daten­ban­ken verknüp­fen, die der Polizei zur Verfü­gung stehen. Dazu gehört zum Beispiel das Vorgangs­be­ar­bei­tungs­sys­tem, in dem etwa alle Anzei­gen und die dazuge­hö­ri­gen Sachver­hal­te gespei­chert sind, wie BLKA-Projekt­lei­ter Jürgen Brandl erklär­te. Diese Infor­ma­tio­nen können mit Auszü­gen aus Handy­aus­wer­tun­gen, von sicher­ge­stell­ten Daten­trä­gern oder dem polizei­li­chen Schrift­ver­kehr verknüpft werden. Bisher mussten die Analys­ten das händisch tun. Es sei nicht mehr zeitge­mäß, so zu arbei­ten, sagte Brandl. Neue Daten werden nicht erhoben, wie das BLKA betonte.

Daten­schüt­zer sind dennoch skeptisch: Der bayeri­sche Landes­da­ten­schutz­be­auf­trag­te Thomas Petri sprach von einem massi­ven Eingriff in die Grund­rech­te ganz vieler Menschen. «Das betrifft Millio­nen», sagte er. Es würde akten- und vorgangs­über­grei­fend mit «Big Data» und Datami­ning-Verfah­ren geforscht, das erhöhe die Eingriffs­in­ten­si­tät erheblich.

Brandl vom BLKA beton­te, die Mitar­bei­ter bekämen mit dem neuen System nicht mehr Einblick in Daten­ban­ken als vorher. «An den Sicht­rech­ten ändert sich nichts», sagte er. «VeRA» ist für schwe­re Krimi­na­li­tät gedacht, das System kommt demnach etwa bei der Bekämp­fung von Terro­ris­mus, organi­sier­ter Krimi­na­li­tät oder etwa sexua­li­sier­ter Gewalt gegen Kinder, nicht etwa bei leich­te­ren Delik­ten zum Einsatz.

Andere Bundes­län­der könnten nachzie­hen und sich die Software anschaf­fen: Bayern hat laut BLKA im Rahmen eines Bund-Länder-Vorha­bens, das polizei­li­che Verfah­ren verein­heit­li­chen soll, feder­füh­rend die Ausschrei­bung gemacht und einen Rahmen­ver­trag geschlos­sen. Polizei­en von Bund und Länder könnten ohne zusätz­li­che Verga­be­ver­fah­ren einstei­gen. «Die neue Software kann nicht nur in Bayern zum Einsatz kommen», sagte BLKA-Präsi­dent Harald Pickert.

Ein geson­der­tes Thema sei, ob man dem Unter­neh­men das Vertrau­en schen­ken wolle, sagte Daten­schüt­zer Petri. Der Palan­tir-Mutter­kon­zern arbei­te­te auch schon für US-Geheim­diens­te und das Penta­gon. Die Software, die diver­se Arten von Daten mitein­an­der verknüp­fen kann, soll unter anderem bei US-Geheim­diens­ten wie CIA und NSA sowie der Bundes­po­li­zei FBI im Einsatz sein oder gewesen sein. Palan­tir wurde vom umstrit­te­nen Tech-Milli­ar­där Peter Thiel gegrün­det, der in der US-Politik den Wahlkampf von Ex-Präsi­dent Donald Trump und anderen politisch rechts stehen­den Politi­kern mit großen Summen mitfi­nan­ziert hat. In Hessen («Hessen­da­ta») und Nordrhein-Westfa­len («DAR») hat die Polizei schon Erfah­run­gen mit Palan­tir-Software gesammelt.

Laut Brandl vom BLKA waren die Geheim­dienst­auf­trä­ge «natür­lich ein Thema» in dem europa­wei­ten Verga­be­ver­fah­ren. Es hätten sich keine Belege gefun­den, wonach mit Palan­tir-Software Daten aus Europa abgeflos­sen seien. Man müsse Verga­be­ver­fah­ren rechts­si­cher durch­füh­ren. Auch unter den Mitbe­wer­bern — davon gab es demnach eine «zweistel­li­ge Zahl» — hätten viele schon mit den «Diens­ten» zusammengearbeitet.

««VeRA» wird höchs­te Sicher­heits­an­for­de­run­gen erfül­len», beton­te das BLKA. Die Daten sind auf Servern im Rechen­zen­trum der Bayeri­schen Polizei ohne Verbin­dung zum Inter­net. Vor dem Einsatz soll der Quell­code auf mögli­che Schad­soft­ware überprüft werden. Laut Brandl sind die Palan­tir-Mitar­bei­ter, die das System in den kommen­den Monaten aufset­zen sollen, sicher­heits­ge­prüft. Mit dem System könne frühes­tens ab Ende des Jahres gearbei­tet werden. Über den Preis sei im Vertrag mit Palan­tir Still­schwei­gen verein­bart worden.

Der rechts­po­li­ti­sche Sprecher der SPD-Frakti­on im Landtag, Horst Arnold, sagte: «Diese Art von Daten­ver­knüp­fung ist ein massi­ver Grund­rechts­ein­griff in die infor­mel­le Selbst­be­stim­mung, der dringend einer gesetz­li­chen Regelung bedarf.» Man erwar­te, dass das Thema zum Beispiel im Innen­aus­schuss auf die Tages­ord­nung komme. Der Sprecher der Grünen-Frakti­on für Digita­li­sie­rung, Benja­min Adjei, sagte, es brauche eine saube­re Rechts­grund­la­ge und ganz klar benann­te Kontroll­me­cha­nis­men. Das «fragwür­di­ge Verga­be­ver­fah­ren» sei nie wirklich offen und trans­pa­rent gestal­tet gewesen, kriti­sier­te er.