FRIEDRICHSHAFEN — Der Boden­see-Airport Fried­richs­ha­fen hat gemein­sam mit seinen Gesell­schaf­tern einen weitrei­chen­den Finan­zie­rungs­plan erarbei­tet, durch den der Flugha­fen mittel­fris­tig stabil aufge­stellt werden soll. Der entwi­ckel­te Finanz­plan wird im Juni Gegen­stand der Beratun­gen in den Gremi­en der Stadt Fried­richs­ha­fen und des Boden­see­krei­ses sein.

Am Diens­tag infor­mier­ten Claus-Dieter Wehr und Alexan­der Reus, beide Geschäfts­füh­rer der Flugha­fen Fried­richs­ha­fen GmbH (FFG) zusam­men mit dem vom Gericht einge­setz­ten Sachwal­ter, Rechts­an­walt Alexan­der Hubl, im Rahmen eines Presse­ge­sprächs über die Maßnah­men zur Finan­zie­rung des Flugha­fens. Diese wurden gemein­sam mit den Gesell­schaf­tern erarbei­tet und werden in den kommen­den Wochen Gegen­stand der Gremi­en der Stadt Fried­richs­ha­fen und des Boden­see­krei­ses sein. Die Stadt Fried­richs­ha­fen und der Boden­see­kreis sind die beiden Haupt­ge­sell­schaf­ter des Flugha­fens. „Ich bin sicher, dass wir mit dem vorge­schla­ge­nen Maßnah­men­pa­ket den Flugha­fen in diesen heraus­for­dern­den Zeiten finan­zi­ell sanie­ren können“, so Wehr.

Wie alle deutschen und europäi­schen Verkehrs­flug­hä­fen ist der Flugha­fen Fried­richs­ha­fen stark durch die COVID-19 Pande­mie betrof­fen. Die finan­zi­el­len Auswir­kun­gen in der gesam­ten Luftver­kehrs­bran­che sind enorm. Der Flugha­fen Fried­richs­ha­fen musste aufgrund dieser Auswir­kun­gen und einer einge­tre­te­nen Überschul­dung Anfang Febru­ar in ein vorläu­fi­ges Insol­venz­ver­fah­ren in Eigen­ver­wal­tung (Schutz­schirm­ver­fah­ren) eintre­ten. „Die Buchungs­zu­nah­men in anderen europäi­schen Ländern mit einer bereits höheren Durch­imp­fung als in Deutsch­land zeigen, dass sich der Luftver­kehr wieder erholen wird. Das wird nicht von heute auf morgen gesche­hen, aber nach einer langen Zeit der Entbeh­run­gen wird die Reise­lust auch wieder eintre­ten. Wir haben bereits früher in schwie­ri­gen Zeiten gut gewirt­schaf­tet und opera­tiv positi­ve Ergeb­nis­se erreicht. Wir gehen davon aus, dass wir das auch wieder schaf­fen werden.“, so der Geschäftsführer.

Bereits im Herbst 2020 wurde in den Gremi­en der beiden Haupt­ge­sell­schaf­ter ein Maßnah­men­pa­ket erörtert und Beschlüs­se zur weite­ren Finan­zie­rung gefasst. Bestand­tei­le waren damals unter anderem der Ausgleich des finan­zi­el­len COVID-19 Schadens in der Zeit des Lockdowns von März bis Juni 2020 in Höhe von insge­samt 1,9 Mio. EUR sowie eine vorüber­ge­hen­de Umstruk­tu­rie­rungs­hil­fe in Höhe von 6 Mio. EUR. Letzte­re wurde bisher noch nicht abgerufen.

Der Finanz­be­darf in den nächs­ten fünf Jahren (bis 2025) ergibt sich aus dem opera­ti­ven Geschäft, den notwen­di­gen Inves­ti­tio­nen und den Finan­zie­rungs­kos­ten. Im opera­ti­ven Bereich werden aufgrund der COVID-19 Pande­mie, die sich über den Lockdown von März bis Juni 2020 hinaus bis mindes­tens 2024 in niedri­ge­ren Passa­gier­zah­len nieder­schlägt, sowie in gerin­ge­rem Maße durch das Insol­venz­ver­fah­ren in Eigen­ver­wal­tung insge­samt 13,9 Mio. EUR erfor­der­lich. Für die nächs­ten fünf Jahre sind am Flugha­fen außer­dem Inves­ti­tio­nen in die Infra­struk­tur in Höhe von 22,6 Mio. EUR notwen­dig. Hinzu kommen für die Finan­zie­rung Aufwen­dun­gen von insge­samt 7,4 Mio. EUR bis 2025. Daraus ergibt sich für die nächs­ten fünf Jahre ein Finanz­be­darf von insge­samt rund 43,8 Mio. EUR, oder jährlich rund 8,8 Mio. EUR. Spätes­tens ab 2024 wird das opera­ti­ve Geschäft gemäß den Planun­gen wieder schwar­ze Zahlen schrei­ben, sodass in den Folge­jah­ren nur noch Zuschüs­se für Inves­ti­tio­nen von jährlich maximal 3 Mio. EUR erfor­der­lich sein werden.

Der Finanz­be­darf kann über die Maßnah­men, die bereits im Herbst 2020 in den Gremi­en der beiden Haupt­ge­sell­schaf­ter erörtert wurden und nochmals auch im Insol­venz­ver­fah­ren bestä­tigt werden sollen, gedeckt werden. Wesent­li­cher Teil sind Finanz­zu­schüs­se in die auch die vorüber­ge­hen­de Umstruk­tu­rie­rungs­hil­fe einfließt. Weite­rer Teil des Finanz­pa­kets soll ein Verkauf der Grund­stü­cke des Flugha­fens an Gesell­schaf­ter oder an Unter­neh­men in deren Umfeld sowie die Rückan­mie­tung durch den Flugha­fen sein. Die daraus resul­tie­ren­den Mietkos­ten sind dann Teil der jährli­chen opera­ti­ven Kosten. Zu dieser Finan­zie­rungs­über­le­gung werden derzeit noch Gesprä­che geführt.

Die von der Bundes­po­li­tik auf den Weg gebrach­te Entlas­tung der Regio­nal­flug­hä­fen von den Flugsi­che­rungs­kos­ten ist eine weite­re wichti­ge Kompo­nen­te, die die Finan­zie­rung stützt und mögli­cher­wei­se den Finanz­be­darf in der Zukunft noch reduziert. Die Umset­zung dieser Kosten­ent­las­tung führt zu einer Gleich­stel­lung mit den 15 von der DFS kontrol­lier­ten Verkehrs­flug­hä­fen, die die Kosten für die Flugsi­che­rung nicht selbst zu tragen haben.

Der Finan­zie­rungs­plan muss beihil­fe­recht­li­chen Anfor­de­run­gen der EU-Kommis­si­on genügen. „In gemein­sa­men Gesprä­chen mit Fachan­wäl­ten und der Kommis­si­on haben wir die wesent­li­chen Eckpunk­te der Finan­zie­rung bespro­chen und können daher davon ausge­hen, dass wir deren Zustim­mung zu diesem Gesamt­pa­ket auch errei­chen können.“, so Wehr.

Im Finanz­plan ist der Insol­venz­plan des Unter­neh­mens berück­sich­tigt, der wieder­um unter anderem unter dem Vorbe­halt der Zustim­mung der EU-Kommis­si­on zum Gesamt­kon­zept stehen wird. „Wir haben in den letzten Monaten sehr konstruk­tiv und konzen­triert an der Sanie­rung des Unter­neh­mens gearbei­tet. Ich bin überzeugt, dass wir mit allen Maßnah­men das Unter­neh­men wieder auf eine solide Basis stellen können.“, sagt Herr Alexan­der Hubl von der Kanzlei SGP Schnei­der Geiwitz & Partner, der als Sachwal­ter das Insol­venz­ver­fah­ren beglei­tet und überwacht.

Das zustän­di­ge Insol­venz­ge­richt Ravens­burg hat das Insol­venz­ver­fah­ren am 1. Juni 2021 in Eigen­ver­wal­tung eröff­net und für Ende Juli die Gläubi­ger­ver­samm­lung termi­niert. Formal beendet wird das Insol­venz­ver­fah­ren in Eigen­ver­wal­tung nach Zustim­mung der Gläubi­ger­ver­samm­lung zum Insol­venz­plan sowie der EU-Kommis­si­on zum Finan­zie­rungs­plan. Dies ist spätes­tens Ende des Jahres zu erwarten.

Der Flugha­fen ist wichtig für die inter­na­tio­nal agieren­den Unter­neh­men der Region, die Messe Fried­richs­ha­fen und die Bürge­rin­nen und Bürger. Er leistet in der Region jährlich eine Brutto­wert­schöp­fung in einem hohen zweistel­li­gen Millio­nen­be­trag. Dem steht ein Finanz­be­darf von jährlich 8,8 Mio. EUR gegen­über. Danach reduziert sich dieser für notwen­di­ge Inves­ti­tio­nen auf durch­schnitt­lich 3 Mio. EUR jährlich. Durch die Übernah­me der Flugsi­che­rungs­kos­ten wird sich der Finan­zie­rungs­be­darf voraus­sicht­lich noch reduzie­ren. „Der aktuel­le Finanz­be­darf des Boden­see-Airports ist hoch, seine wirtschaft­li­che Bedeu­tung für die gesam­te Region aller­dings auch.“, resümiert Wehr.