Die Bauhaus­stadt Dessau war für Boris Becker bislang ein weißer Fleck auf seiner persön­li­chen Landkar­te. Am Mittwoch­abend zieht das Tennis-Idol auch dort die Zuhörer in seinen Bann. Dass Becker ein unerfreu­li­cher Termin bevor­steht, ist ihm nicht anzumerken.

An einem verreg­ne­ten Mittwoch­abend haben die Fans in Dessau am Einlass gedul­dig gewar­tet, um das deutsche Idol plaudern zu hören. Für Corona-Zeiten ist der Hugo-Junkers-Saal im Golf-Park erstaun­lich gut gefüllt. Mit bis zu 250 Besuchern hatten die Veran­stal­ter geplant, obwohl der dreima­li­ge Wimble­don­sie­ger gerade zwei Wochen lang bei den French Open als Exper­te und Kommen­ta­tor bei Euros­port zu hören und zu sehen war.

Freimü­tig räumt Becker ein, dass er auf seinen Reisen durch die Welt noch nie in Dessau war. Möglich gemacht hat den Besuch ein Verein, der schon Sport­pro­mi­nenz wie Box-Ex-Weltmeis­ter Henry Maske oder die ostdeut­sche Fußball­trai­ner-Ikone Eduard Geyer zu Talkrun­den einlud.
Nun also Becker, ein gesamt­deut­scher Star mit Weltruf.

Mühelos erzählt der 52-Jähri­ge wie gewohnt mit Witz und Selbst­iro­nie zwei Stunden lang über seinen Werde­gang, das deutsche und inter­na­tio­na­le Tennis, seine Liebe zu seinen Kindern, seine Besuche im einsti­gen Ost-Berlin, über das Erleben von Corona-Zeiten an seinem Wohnsitz London und auch, dass die Krise in seiner Heimat Deutsch­land aus seiner Sicht besser gemanagt wird. Auf die Frage nach schwe­ren sport­li­chen Gegnern meint Becker mit Blick auf sich selbst auch: «Der größte Gegner war immer der Mann im Spiegel morgens.»

Das Thema Geld sei für ihn nie ein vorder­grün­di­ges gewesen. «Manch­mal hat man mehr, manch­mal hat man weniger. Ich verdie­ne immer noch zwei Mark fünfzig.» Kein direk­tes Wort aber zu dem, was ihn am kommen­den Donners­tag in London erwar­tet. Becker war 2017 von einem briti­schen Gericht für zahlungs­un­fä­hig erklärt worden. Die Insol­venz­be­hör­de führt nun straf­recht­li­che Ermitt­lun­gen gegen ihn, da er nicht so mit den Behör­den zusam­men­ge­ar­bei­tet haben soll, wie die Aufla­gen es vorse­hen. Am 22. Oktober beginnt die Verhand­lung, in der sich Becker seinem Anwalt zufol­ge energisch gegen die Vorwür­fe vertei­di­gen will.

Über das Thema sprechen zwar anschlie­ßend auch Zuschau­er, doch sie können gut damit leben, dazu während des knapp zweistün­di­gen Inter­views nichts gehört zu haben. Becker selbst erklärt, es werde seit 30 Jahren aller­hand über ihn geschrie­ben, das meiste davon stimme zum Glück nicht. Menschen würden sich ihn oft anders vorstel­len, bevor sie ihn erlebt hätten. So sagt er: «Wir sind alle nur Menschen, wir sind keine Maschi­nen, wir machen Fehler, wir lernen dazu.» Haupt­auf­ga­be seines Lebens werde immer sein, Vater seiner vier Kinder zu sein. «Wenn meine Kinder mich im Alter noch brauchen, habe ich vieles richtig gemacht.»

Becker erzählt auch Geschich­ten aus dem Nähkäst­chen. Weil er vor dem Wimble­don­fi­na­le 1990 gegen Stefan Edberg Schlaf­pro­ble­me hatte, nahm er nachts eine starke Tablet­te und war dann in dem verlo­re­nen Endspiel eigent­lich zu spät wirklich wach.

Seine bislang letzte Unter­hal­tung mit Steffi Graf fand Anfang des Jahres am Rande der Austra­li­an Open hinter einem Baum in Melbourne statt. Denn die deutsche Damen­ten­nis-Ikone, die das Licht der Öffent­lich­keit eher scheut, habe sich eine Mütze aufge­setzt, um nicht erkannt zu werden. Doch Becker sah sie und sprach sie an. «Sag’s keinem, dass ich da bin», habe ihn die mit seinem einsti­gen Rivalen und jetzi­gen Kumpel Andre Agassi verhei­ra­te­te Graf gebeten. So versteck­ten sich laut Becker beide hinter einem Baum und sprachen dort fünf bis zehn Minuten miteinander.