Viele Stürze haben den verreg­ne­ten Auftakt der 107. Tour de France überschat­tet. Der deutsche Radstar Buchmann erreicht unbescha­det das Ziel — im Gegen­satz zu John Degen­kolb, der außer­halb des Zeitli­mits bleibt. Den ersten Sieg und das Gelbe Trikot holt sich Kristoff.

Für Klassi­ker­spe­zia­list John Degen­kolb ist dagegen nach einem Crash die Tour schon beendet. Der frühe­re Paris-Roubaix-Sieger blieb außer­halb des Zeitli­mits und war damit der große Pechvo­gel beim Sturz­fes­ti­val auf der verreg­ne­ten ersten Etappe der Frank­reich-Rundfahrt, die beglei­tet von großen Corona-Sorgen am Samstag die ungewis­se Reise in Richtung Paris aufge­nom­men hat.

Deutsch­lands Tour-Hoffnung Buchmann erreich­te dagegen unbescha­det nach 156 Kilome­tern das Ziel, was schon ein kleines Kunst­stück war. «Das war keine einfa­che Aufga­be. Es war super gefähr­lich, super rutschig. Das Team hat einen guten Job gemacht. Ich bin sicher ins Ziel gekom­men, das ist wichtig», sagte Buchmann.

Immer wieder gingen Fahrer zu Boden. Wenige Kilome­ter vor dem Ziel erwisch­te es Mitfa­vo­rit Thibaut Pinot, der mit zerfetz­tem Trikot ins Ziel trudel­te. Auch Frank­reichs zweiter Liebling Julian Alaphil­ip­pe blieb nicht verschont. Um den Sieg sprin­te­te indes eine kleine­re Gruppe, aus der sich der Norwe­ger Alexan­der Kristoff vor dem dänischen Weltmeis­ter Mads Peder­sen und dem Nieder­län­der Cees Bol vom deutschen Sunweb-Team durch­setz­te. Buchmanns Teamkol­le­ge und Ex-Weltmeis­ter Peter Sagan wurde Fünfter.

Die zwölf deutschen Fahrer spiel­ten auf der ersten Etappe keine große Rolle, sie blieben von den vielen Stürzen aber nicht verschont. Degen­kolb verpass­te dabei das Zeitli­mit um einige Minuten. Lotto-Soudal-Teamspre­cher Philip­pe Maertens bestä­tig­te auf dpa-Anfra­ge das Tour-Aus. Neben Degen­kolb kamen auch André Greipel und Nils Politt auf der ersten Etappe zu Fall. Beide haben die Stürze aber ohne gravie­ren­de Verlet­zun­gen überstan­den und können am Sonntag starten. Greipel wurde am Bein mit vier Stichen genäht, Politt klagte über Rückenprobleme.

Maximi­li­an Schach­mann, der trotz eines Schlüs­sel­bein­bruchs die Tort(o)ur auf sich genom­men hat, kam dagegen ohne weite­re Blessur ins Ziel. «Ich bin 120 Prozent vorsich­tig die Berge runter­ge­fah­ren. Ich war fast der Langsams­te. Es war extrem rutschig. Ich habe viele gestürz­te Fahrer gesehen», sagte der gebür­ti­ge Berli­ner. Die Strecke war derma­ßen rutschig, dass Routi­nier Tony Martin zwischen­durch an die Spitze fuhr und das Feld zur Mäßigung aufforderte.

Von einer Tour-Stimmung vergan­ge­ner Jahre konnte diesmal angesichts der Pande­mie keine Rede sein. Zuschau­er standen zwar am Straßen­rand, aber bei weitem nicht mehr wie einst in Zehner-Reihen oder mehr. Die Region an der Côte d’Azur gehört zur «Roten Zone», wo das Virus beson­ders stark zirku­liert. In den letzten Tagen waren die Infek­ti­ons­zah­len in die Höhe geschnellt. Am Freitag regis­trier­te das franzö­si­sche Gesund­heits­mi­nis­te­ri­um 7379 neue Fälle inner­halb von nur 24 Stunden und sprach von einem «exponen­ti­el­len Anstieg».

Entspre­chend wurden die Maßnah­men rund um die Tour verschärft. Weitaus weniger als die ursprüng­lich angedach­ten 5000 Zuschau­er jubel­ten den Radstars um Vorjah­res­sie­ger Egan Bernal im direk­ten Zielbe­reich zu. Die Topfa­vo­ri­ten hielten sich auf der verreg­ne­ten Auftakt­etap­pe dabei noch zurück. Einigen ihrer Helfer erging es aber ähnlich wie Pinot. So waren Bernals Helfer Pavel Sivakov und Andrey Amador genau­so wie George Bennett aus dem Primoz-Roglic-Team im Sturzpech.

Nicht nur, dass alle Fahrer heil ins Ziel kamen. Es gab auch weite­re gute Nachrich­ten für Buchmann und Co. Ihre Mannschaft verkün­de­te kurz vor dem Start, dass die beiden Haupt­spon­so­ren Bora und hansg­ro­he ihr Engage­ment bis 2024 ausdeh­nen. «Das ist keine einfa­che Zeit für den Sport, für die Wirtschaft. Umso mehr freuen wir uns über die guten News. Das gibt uns Planungs­si­cher­heit», sagte Teamchef Ralph Denk.

Die aktuel­len Planun­gen sehen vor, Buchmann gut durch die ersten Tage zu bringen. Schließ­lich plagen den gebür­ti­gen Ravens­bur­ger noch die Sturz­ver­let­zun­gen aus der Dauphi­ne-Rundfahrt vor zwei Wochen. «Es geht ein ganzes Stück besser. Bei 100 Prozent bin ich nicht, aber ein bisschen optimis­ti­scher als in der Vorwo­che», sagte Buchmann.

Bevor es am Samstag losging, hatte die Tour-Organi­sa­ti­on das Regle­ment wieder verschär­fen müssen. So wird nun doch eine Mannschaft ausge­schlos­sen, wenn es zwei positi­ve Corona-Fälle im gesam­ten Team inklu­si­ve Umfeld inner­halb von sieben Tagen gibt. Erst am Freitag war die Maßnah­me nach einer Entschei­dung des Weltver­ban­des UCI gelockert worden. Demnach wäre ein Team erst bei zwei Positiv­fäl­len unter den jewei­li­gen acht Fahrern ausge­schlos­sen worden. Das direk­te Team-Umfeld umfasst aber rund 20 weite­re Perso­nen wie Physio­the­ra­peu­ten, Busfah­rer oder Sportdirektoren.

Laut Tourchef Chris­ti­an Prudhom­me sei die Entschei­dung vom inter­mi­nis­te­ri­el­len Krisen­stab getrof­fen worden. Hinter­grund sind die seit Tagen steigen­den Neuin­fek­tio­nen in Frankreich.

So wird das Thema Corona die Tour weiter beglei­ten. Auch am Sonntag, wenn es mit Start und Ziel in Nizza erstmals in die Berge geht. Gleich zwei Anstie­ge der ersten Katego­rie, darun­ter der 1607 Meter hohe Col de Turini mit durch­schnitt­lich 7,3 Prozent Steigung, sind zu bewältigen.