BERLIN (dpa) — Um eine Blocka­de des Bürger­gelds zu verhin­dern, einigen sich die Regie­rungs­frak­tio­nen auf Änderun­gen am ursprüng­li­chen Entwurf. Doch die Kritik bleibt. Die Opposi­ti­on spricht von «Kosme­tik».

Nach der Vorstel­lung eines Kompro­mis­ses im Streit um das Bürger­geld hat Bundes­fi­nanz­mi­nis­ter Chris­ti­an Lindner (FDP) Kritik der Opposi­ti­on an der Sozial­re­form zurück­ge­wie­sen. «Vor allem beim Schon­ver­mö­gen rate ich ab, in einen Schäbig­keits­wett­be­werb einzu­tre­ten», sagte der FDP-Vorsit­zen­de der «Welt am Sonntag».

Wenn Menschen wegen eines Schick­sals­schlags in den Bezug rutschen, sollten sie nach Lindners Worten nicht das verzeh­ren müssen, was sie sich vielleicht über Jahrzehn­te aufge­baut hätten. Das Schon­ver­mö­gen umfasst bestimm­te Freibe­trä­ge beim Vermö­gen, die man nach dem Sozial­recht nicht zum Bestrei­ten seines Lebens­un­ter­halts einset­zen muss.

Die Ampel hatte sich zuvor auf Änderun­gen am Bürger­geld geeinigt. Entspre­chen­de Pläne wurden am Freitag bekannt. SPD, Grüne und FDP reagier­ten damit auch auf Kritik der Opposi­ti­on an dem Vorha­ben. Die Union hatte mit einer Blocka­de im Bundes­rat gedroht. Mit der Neufas­sung zeigte sich die CDU-Bundes­tags­ab­ge­ord­ne­te Gitta Conne­mann jedoch ebenfalls unzufrie­den. Sie sprach von kosme­ti­schen Änderungen.

Weniger Druck geplant

Das Bürger­geld soll nach den Plänen der Bundes­re­gie­rung zum 1. Januar die bishe­ri­ge Grund­si­che­rung Hartz IV ablösen. Ziel ist es, Betrof­fe­ne in die Lage zu verset­zen, sich stärker auf Weiter­bil­dung und Arbeits­su­che konzen­trie­ren zu können. Sie sollen dafür vom Jobcen­ter weniger unter Druck gesetzt werden. Die Regel­sät­ze der Grund­si­che­rung sollen zudem um rund 50 Euro pro Monat steigen. Bundes­ar­beits­mi­nis­ter Huber­tus Heil (SPD) hatte die Reform als «eine der größten Sozial­re­for­men seit 20 Jahren» bezeichnet.

Wie aus einer der Deutschen Presse-Agentur vorlie­gen­den Formu­lie­rungs­hil­fe an die Fraktio­nen von SPD, Grünen und FDP hervor­geht, soll es nun unter anderem bei der zweijäh­ri­gen Karenz­zeit für Leistungs­emp­fän­ger einige Verschär­fun­gen geben. Vorge­se­hen ist etwa, dass die Heizkos­ten während dieser Zeit nur noch in angemes­se­ner Höhe übernom­men werden sollen. Der ursprüng­li­che Regie­rungs­ent­wurf sah an dieser Stelle kein Limit für die Kosten­über­nah­me vor. Das hatte die Union scharf kritisiert.

Neu ist etwa auch, dass Leistungs­emp­fän­ger künftig neben der Erklä­rung, kein erheb­li­ches Vermö­gen zu haben, auch noch zusätz­lich eine Selbst­aus­kunft beifü­gen müssen. Auch so soll Leistungs­miss­brauch vorge­beugt werden.

Der Kompro­miss­vor­schlag soll nach dpa-Infor­ma­tio­nen am Diens­tag von den Fraktio­nen abgeseg­net werden. Am kommen­den Donners­tag will sich der Bundes­tag in zweiter und dritter Lesung mit der Reform befassen.

Opposi­ti­on bleibt bei Kritik

Vorbe­hal­te der Opposi­ti­on wurden auch nach Bekannt­wer­den der geänder­ten Pläne nicht ausge­räumt. So sagte die Chefin der Mittel­stands- und Wirtschafts­uni­on, die CDU-Abgeord­ne­te Conne­mann, der dpa: «Unsere Kritik bleibt: Das Bürger­geld ist eine Abkehr vom Prinzip Fördern und Fordern.» Die in Aussicht gestell­ten Anpas­sun­gen änder­ten nichts an der Substanz des Bürger­gelds. Der neue Ampel-Entwurf sehe zwar stren­ge­re Regeln für Bürger­geld-Empfän­ger vor. Aber: «Das sind keine ernst­haf­ten Änderun­gen — das ist Kosme­tik», so Conne­mann. «Noch immer gibt es keine ernst­haf­ten Anrei­ze, wieder eine Arbeit aufzu­neh­men. Noch immer soll Geld gezahlt werden, auch wenn keine Leistungs­be­reit­schaft vorliegt.»

Finanz­mi­nis­ter Lindner beton­te dagegen in der «Welt am Sonntag»: «Das Bürger­geld belohnt Hinzu­ver­dienst und Quali­fi­ka­ti­on, Verwei­ge­rung von Mitwir­kung wird sanktio­niert. Das Bürger­geld ersetzt Hartz IV nicht durch Lässig­keit, sondern durch mehr Leistungsprinzip.»

Heil sagte der «Frank­fur­ter Allge­mei­nen Sonntags­zei­tung», die Ampel habe schnell auf die Forde­run­gen des Bundes­rats reagiert und werde im Bundes­tag noch zahlrei­che Änderun­gen vorneh­men. «Die Erstat­tung der Heizkos­ten wird beispiels­wei­se auf Angemes­sen­heit überprüft, um keine falschen Anrei­ze zu setzen. Und die Jobcen­ter haben stärke­re Möglich­kei­ten gegen Leistungs­miss­brauch vorzu­ge­hen.» Damit komme die Ampel den Forde­run­gen der Union entgegen.