Die anhal­tend hohen Infek­ti­ons­zah­len lassen aus Sicht der Bundes­kanz­le­rin nach zwei Wochen Teil-Lockdown keine Locke­run­gen zu. Im Gegen­teil — Merkel will mit den Minis­ter­prä­si­den­ten über noch drasti­sche­re Vorga­ben reden. Ob die das mitmachen?

Zudem will der Bund die Masken­pflicht an Schulen auswei­ten, bei zu kleinen Räumen sollen Klassen geteilt werden. Das geht aus dem Entwurf der Beschluss­vor­la­ge des Bundes für die Video-Konfe­renz von Kanzle­rin Angela Merkel (CDU) mit den Minis­ter­prä­si­den­ten an diesem Montag hervor.

In dem Papier, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, heißt es zur Begrün­dung: «Der Verlauf der letzten Tage lässt hoffen, dass die hohe exponen­ti­el­le Infek­ti­ons­dy­na­mik gestoppt werden konnte, ein Sinken der Neuin­fek­ti­ons­zah­len ist jedoch noch nicht abseh­bar. Deshalb sind weite­re Anstren­gun­gen zur Eindäm­mung des Infek­ti­ons­ge­sche­hens erfor­der­lich.» Vorge­schla­gen wird zudem ein weite­res Treffen eine Woche später, am 23. November.

Die Pläne im Überblick:

KONTAKTBESCHRÄNKUNGEN: Der Aufent­halt in der Öffent­lich­keit soll nach dem Willen des Bundes nur mit den Angehö­ri­gen des eigenen und maximal zwei Perso­nen eines weite­ren Hausstan­des gestat­tet sein. «Dies gilt verbind­lich und Verstö­ße gegen diese Kontakt­be­schrän­kun­gen werden entspre­chend von den Ordnungs­be­hör­den sanktio­niert», heißt es im Papier. Darüber hinaus­ge­hen­de Gruppen feiern­der Menschen auf öffent­li­chen Plätzen, in Wohnun­gen sowie priva­ten Einrich­tun­gen seien «angesichts der ernsten Lage in unserem Land inakzeptabel».

PRIVATE TREFFEN: Trotz der bereits gelten­den Bestim­mun­gen zum Infek­ti­ons­schutz würden die Anste­ckun­gen weiter­hin «im priva­ten Umfeld und außer­halb des öffent­li­chen Raumes statt­fin­den», heißt es im Papier. Zur Senkung der Gefahr sollten Kinder und Jugend­li­che angehal­ten werden, sich nur noch mit einem festen Freund in der Freizeit zu treffen. Auch priva­te Zusam­men­künf­te mit Freun­den und Bekann­ten sollten sich generell nur noch auf einen festen weite­ren Hausstand beschrän­ken. Auf priva­te Feiern solle zunächst bis zum Weihnachts­fest ganz verzich­tet werden. Seit dem 2. Novem­ber gilt, dass sich nur Angehö­ri­ge des eigenen und eines weite­ren Hausstands in der Öffent­lich­keit aufhal­ten dürfen, maximal jedoch 10 Personen.

QUARANTÄNE: Der Bund empfiehlt allen Menschen mit Erkäl­tungs­sym­pto­men und insbe­son­de­re bei Husten und Schnup­fen, sich unmit­tel­bar nach Hause in Quaran­tä­ne zu begeben. «Dort sollen sie fünf bis sieben Tage bis zum Abklin­gen der Sympto­me verblei­ben», heißt es. Dort sei darauf zu achten, die Distanz auch zu anderen Mitglie­dern des Hausstan­des und insbe­son­de­re zu Risiko­grup­pen im Haushalt zu wahren. «Die Krank­schrei­bung soll telefo­nisch durch den Hausarzt erfol­gen zunächst ohne Präsenz­be­such in der Praxis.» In Abspra­che mit dem Arzt werde auch geklärt, ob ein Corona-Test erfor­der­lich sei.

SCHULEN: Wie im Teil-Lockdown sollen die Schulen grund­sätz­lich weiter offen gehal­ten werden. Zum Schutz vor Anste­ckun­gen sollen aber auch hier die Maßnah­men verschärft werden, ein beson­de­rer Fokus liegt dabei auf Jugend­li­chen, die älter als zwölf Jahre sind. Bei ihnen sei das Infek­ti­ons- und Übertra­gungs­ri­si­ko vergleich­bar mit dem von Erwach­se­nen. Daher soll nach dem Willen des Bundes das Tragen eines Mund-Nasen-Schut­zes für Schüler aller Jahrgän­ge und für Lehrer auf dem Schul­ge­län­de und während des Unter­richts vorge­schrie­ben werden. Dies ist bisher nicht in allen Bundes­län­dern vorge­schrie­ben. Zudem sollten die Klassen — sofern keine größe­ren Räume zur Verfü­gung stehen — halbiert und in festen Gruppen einge­teilt unter­rich­tet werden. Auch in Schul­bus­sen sei der Mindest­ab­stand von 1,5 Metern sicher­zu­stel­len. Im Falle von Quaran­tä­ne­maß­nah­men solle für alle betrof­fe­nen Schüler Distanz­un­ter­richt angebo­ten werden.

SPD-Chef Norbert Walter-Borjans lehnte Forde­run­gen nach möglichst einheit­li­chen Corona-Regeln in den Schulen ab. «Man kann doch nicht das, was im Berch­tes­ga­de­ner Land nötig ist, eins zu eins auf Mecklen­burg-Vorpom­mern oder Schles­wig-Holstein übertra­gen», sagte er am Sonntag­abend im Politik-Talk «Die richti­gen Fragen» auf «Bild live». Man müsse den Schülern soviel Freiraum wie möglich gewäh­ren. Der Chef der Jungen Union, Tilman Kuban, mahnte in den Partner-Zeitun­gen der Neuen Berli­ner Redak­ti­ons­ge­sell­schaft (Montag): «Wir müssen sehr genau darauf achten, dass auch Kinder aus nicht ganz so gut situier­ten Famili­en eine Chance haben, und die leiden häufig am meisten unter Schließungen.»

SCHUTZ VON RISIKOGRUPPEN: Beson­ders gefähr­de­te Menschen wie Alte, Kranke oder Perso­nen mit Vorer­kran­kun­gen sollen nach dem Willen des Bundes zum Schutz vor dem Corona­vi­rus von Dezem­ber an vergüns­tig­te FFP2-Masken erhal­ten. Um das Risiko einer Infek­ti­on zu reduzie­ren, werde der Bund auf seine Kosten für diese Bevöl­ke­rungs­grup­pe die Abgabe von je 15 dieser Masken gegen eine gerin­ge Eigen­be­tei­li­gung ermög­li­chen. Das ergebe rechne­risch eine Maske pro Winter­wo­che. Zudem wird geraten, Besuche bei beson­ders gefähr­de­ten Menschen nur dann zu unter­neh­men, wenn alle Famili­en­mit­glie­der frei von Sympto­men seien und sich seit einer Woche in keine Risiko­si­tua­tio­nen begeben hätten.

IMPFZENTREN: Die Länder sind gehal­ten, ihre Impfzen­tren und ‑struk­tu­ren ab dem 15. Dezem­ber so vorzu­hal­ten, dass eine kurzfris­ti­ge Inbetrieb­nah­me möglich ist. Bis Ende Novem­ber sollen die Länder dem Bund mittei­len, wie viel Impfun­gen sie am Tag planen.

NACHVERFOLGUNG VON INFEKTIONEN: Da eine vollstän­di­ge Nachver­fol­gung von Kontak­ten oft nicht möglich ist, sollen bei Ausbruchs­ge­sche­hen in einem bestimm­ten Cluster wie einer Schule oder einem Unter­neh­men die Maßnah­men wie eine Quaran­tä­ne auch ohne positi­ves Testergeb­nis angewen­det werden. «Mit Blick auf die Verhält­nis­mä­ßig­keit ist die Isolie­rung von Kontakt- bzw. Ausbruchs­clus­tern im Vergleich zu Beschrän­kungs­maß­nah­men ein milde­res Mittel», heißt es.

GESUNDHEITSÄMTER: Bis Ende des Jahres sollen die neuen digita­len Werkzeu­ge zur Erfas­sung der Infek­tio­nen in den Behör­den deutlich stärker genutzt werden. Zudem soll die Corona-Warn-App fortwäh­rend verbes­sert und mit neuen Funktio­nen angebo­ten werden.

MAßNAH­MEN-EVALUA­TI­ON: Das Treffen an diesem Montag — zwei Wochen nach Inkraft­tre­ten der Novem­ber-Kontakt­be­schrän­kun­gen — war zunächst nur für eine Zwischen­bi­lanz gedacht. Wie es ab Dezem­ber bis Weihnach­ten weiter­geht, soll dann in der kommen­den Woche beraten werden. Als Termin­vor­schlag nennt das Papier den 23. November.

Mecklen­burg-Vorpom­merns Minis­ter­prä­si­den­tin Manue­la Schwe­sig mahnte Bund und Länder zur Geduld. «Es ist erst zwei Wochen her, seitdem die Novem­ber-Schutz­maß­nah­men in Kraft getre­ten sind. Ich halte jetzt nichts von vorei­li­gen weite­ren Schlie­ßun­gen oder Locke­run­gen», sagte die SPD-Politi­ke­rin dem Redak­ti­ons­netz­werk Deutsch­land (RND, Montag).

DIE OPPOSITION:

Der Opposi­ti­on im Bundes­tag gehen bereits die bishe­ri­gen Maßnah­men zu weit. Der parla­men­ta­ri­sche Geschäfts­füh­rer der FDP-Frakti­on, Marco Busch­mann, sagte der «Welt»: «Es ist klar, dass Kontakt­be­schrän­kun­gen und Hygie­ne­re­geln weiter­hin gelten müssen. Pauscha­le Schlie­ßun­gen beispiels­wei­se für Hotels, Gastro­no­mie oder Kultur­ver­an­stal­tun­gen, die Hygie­ne­kon­zep­te haben, sind jedoch unver­hält­nis­mä­ßig und stoßen auch bei den Bürgern auf Unverständnis.»

AfD-Frakti­ons­chefin Alice Weidel kriti­sier­te ebenfalls in der «Welt»: «Die Art und Weise, in der hier Grund­rech­te außer Kraft gesetzt werden, unter­gräbt den demokra­ti­schen Rechts­staat.» Dagegen forder­te die Grünen-Gesund­heits­po­li­ti­ke­rin Kordu­la Schulz-Asche in der Zeitung einen «inter­dis­zi­pli­nä­ren Pande­mie-Rat». Darin dürften sich «nicht nur Epide­mio­lo­gen und Ärzte wieder­fin­den, sondern auch weite­re Exper­ten wie etwa Sozial­wis­sen­schaft­ler, Exper­ten für Digita­li­sie­rung, Schulen und Kommunikation.»

Merkel hatte die Bürge­rin­nen und Bürger schon am Samstag erneut auf schwie­ri­ge Monate einge­stimmt. «Der vor uns liegen­de Winter wird uns allen noch viel abver­lan­gen», sagte die Kanzle­rin in ihrem Video-Podcast. Inner­halb eines Tages hatten die Gesund­heits­äm­ter nach Angaben des Robert Koch-Insti­tuts (RKI) vom Montag in Deutsch­land 10 824 neue Corona-Infek­tio­nen gemel­det. Die 7‑Tage-Inzidenz lag demnach am Sonntag bei 143 Fällen in sieben Tagen pro 100 000 Einwoh­ner. Ziel der Bundes­re­gie­rung ist es, an eine Inzidenz von 50 heran­zu­kom­men. Erst dann sei es wieder möglich, dass einzel­ne Kontak­te von Infizier­ten nachvoll­zo­gen werden könnten.