Am Montag ziehen Kanzlerin und Ministerpräsidenten eine erste Zwischenbilanz. Für neue Beschlüsse ist es wohl zu früh. Die baden-württembergischen Parteien treten auf die Bremse, der Handel ist nach einer Umfrage alarmiert.
STUTTGART (dpa/lsw) — Vor den Bund-Länder-Beratungen zur Corona-Pandemie am Montag dämpfen die baden-württembergischen Parteien die Erwartungen an neue Beschlüsse. «Wir müssen da vorerst auf Sicht fahren», sagte CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart der Deutschen Presse-Agentur. Er rechne nicht damit, dass bei der Runde der Regierungschefs mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) weitere Verschärfungen oder Lockerungen der Auflagen beschlossen würden. «Wir sollten noch eine weitere Woche warten, bis wir die Auswirkungen der Maßnahmen realistisch beurteilen können. Dann lässt sich besser in den Rückspiegel schauen.»
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) will zwei Wochen nach dem Start der für November angesetzten jüngsten bundesweiten Kontaktbeschränkungen an diesem Montag (14.00 Uhr) mit den Ministerpräsidenten der Länder eine Zwischenbilanz ziehen. Die Bundesregierung hat bereits klar gemacht, dass sie angesichts der bis zuletzt gestiegenen Zahlen derzeit keinen Anlass für Lockerungen sieht. Freizeiteinrichtungen sind derzeit geschlossen, Hotels dürfen keine Touristen beherbergen.
Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz betonte, es sei wichtig deutschlandweit weiter an einem Strang ziehen. «Wir müssen alles dafür tun, die Ausbreitung des Virus in Schach zu halten», sagte er, ohne Details zu nennen. Priorität habe für die Grünen aber der Schutz der Gesundheit und das Offenhalten von Kindertagesstätten und Schulen. Für SPD-Landeschef Andreas Stoch sind die Infektionszahlen noch auf deutlich zu hohem Niveau. «Es ist sicher viel zu früh, schon am morgigen Montag abschließend zu bewerten, ob all die Regeln wirken, die seit dem 2. November gelten», sagte er.
Auch FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke erwartet ein «Weiter so» aus Berlin: «Ich gehe davon aus, dass beschlossen wird, die Maßnahmen einfach fortzuschreiben», sagt er. Diese hätten dazu gedient, der Bevölkerung steigende Infektionszahlen ins Bewusstsein zu rufen. «Das mag einen gering dämpfenden Effekt haben. Aber klar ist, dass das Schließen von Gaststätten, Sporthallen und Kultureinrichtungen mit funktionierenden Hygienekonzepten in dieser Situation nicht weiter hilft», kritisierte Rülke. Den Regierungschefs warf er vor, sie in ihrer Ratlosigkeit einfach weiter machen.
Derweil lobt die Kassenärztliche Vereinigung den bisherigen Weg von Land und Bund. Der Soft-Lockdown sei «ausgesprochen gut und richtig», sagte der KV-Vorstandsvorsitzende Norbert Metke. Die Einschränkungen dämmten die Zahl der Schwererkrankten ein und hielten weite Teile des Wirtschaftslebens und auch Schulbetrieb aufrecht. «Wenn die Zahl der Toten und auch die Zahl der Schwererkrankten allerdings auf diesem Niveau bleibt, dann müssen die Einschränkungen über den November hinaus verlängert werden», forderte Metke. Er schlug vor, in diesem Fall für die Weihnachtsfeiertage darüber nachdenken, die genehmigte Personenzahl insbesondere für familiäre Treffen für einen begrenzten Zeitraum zu vergrößern.
Werden die Auflagen verlängert, müsste die Folgen finanziell abgefedert werden, fordert der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband. Maßnahmen zu Lasten der gastgewerblichen Betriebe über den November hinaus seien nur akzeptabel, wenn es dafür eine nachvollziehbare gesundheitspolitische Begründung und eine angemessene Entschädigung oder Unterstützung für die betroffenen Betriebe gebe, sagte ein Dehoga-Sprecher.
Unabhängig von einer Verlängerung legt der Handelsverband Baden-Württemberg bereits jetzt alarmierende Zahlen vor. Die Geschäfte in den Innenstädten seien durch die Einschränkungen enorm gebeutelt, teilweise seien die Umsätze vor allem von Modeläden und Schuhgeschäften um weit mehr als die Hälfte zurückgegangen. «Da sind alle Reserven aufgebraucht» sagte die Hauptgeschäftsführerin des Verbands, Sabine Hagmann. «Einige Mitglieder sind verzweifelt, weil sich tagelang kein Kunde blicken lässt. Die Händler fühlen sich alleine gelassen.»
Am Mittwoch will der Verband detailliertere Zahlen vorlegen. Der Handel müsse von der geplanten sogenannten Überbrückungshilfe III profitieren, die derzeit als Paket für den Zeitraum Januar 2021 bis Juni 2021 geschnürt wird, forderte Hagmann.
Die Zahl der Corona-Neuinfektionen in Baden-Württemberg steigt seit einigen Wochen kontinuierlich. Der Wert für Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner innerhalb einer Woche liegt schon seit Tagen deutlich höher als 130. Ziel der Bundesregierung ist es allerdings, an einen entsprechenden Wert von bundesweit 50 heranzukommen. Erst dann sei es wieder möglich, dass die Gesundheitsämter einzelne Kontakte von Infizierten nachvollziehen könnten.