BERLIN (dpa) — Vor einem Spitzen­tref­fen zu hohen Energie­prei­sen wird die Stimmung zwischen Bund und Ländern schlech­ter. Der SPD-General­se­kre­tär geht den bayeri­schen Minis­ter­prä­si­dent hart an.

In der Debat­te über die Umset­zung der neuen Entlas­tun­gen zur Abfede­rung hoher Preise knirscht es zwischen Bundes­re­gie­rung und Ländern. SPD-General­se­kre­tär Kevin Kühnert warf dem bayeri­schen Minis­ter­prä­si­den­ten Markus Söder «politi­sche Spiele» vor. Der Deutsche Städte- und Gemein­de­bund (DStGB) rief Bund und Länder auf, in der Krise an einem Strang zu ziehen.

Aus den Bundes­län­dern kommt Kritik an der Auftei­lung der Kosten der von der Ampel verein­bar­ten Entlas­tungs­maß­nah­men zwischen Bund und Ländern. Einzel­ne Länder drohen mit Blocka­den im Bundesrat.

Nieder­sach­sens Minis­ter­prä­si­dent Stephan Weil (SPD) dringt angesichts abseh­ba­rer Belas­tun­gen für Wirtschaft und Verbrau­cher auf eine schnel­le Entschei­dung über ein Ausset­zen der Schul­den­brem­se. Der bayeri­sche Regie­rungs­chef Markus Söder (CSU) fordert eine «finanz­po­li­tisch große Lösung». Bundes­fi­nanz­mi­nis­ter Chris­ti­an Lindner (FDP) will an der Schul­den­brem­se festhal­ten, deren erneu­tes Ausset­zen behält er sich als «Ultima Ratio» vor.

Was passiert mit der Schuldenbremse?

Am 28. Septem­ber kommen die Minis­ter­prä­si­den­ten der Länder mit Bundes­kanz­ler Olaf Scholz zu Beratun­gen über die Energie­kri­se zusam­men. Die Ampel-Koali­ti­on hat ein Entlas­tungs­pa­ket im Umfang von 65 Milli­ar­den Euro beschlos­sen, an dem sich auch die Länder betei­li­gen sollen.

Die im Grund­ge­setz veran­ker­te Schul­den­brem­se sieht vor, dass die Haushal­te von Bund und Ländern grund­sätz­lich ohne Einnah­men aus Kredi­ten auszu­glei­chen sind. Es gibt aller­dings einen Spiel­raum, der für den Bund höchs­tens 0,35 Prozent des Brutto­in­lands­pro­dukts beträgt. Bei Natur­ka­ta­stro­phen oder anderen Notsi­tua­tio­nen kann die Schul­den­brem­se ausge­setzt werden, was 2020 und 2021 wegen der Corona-Pande­mie gesche­hen ist.

SPD-General­se­kre­tär Kühnert sagte der «Rheini­schen Post»: «Während die Menschen in Deutsch­land dringend darauf angewie­sen sind, dass die Entlas­tun­gen der Bundes­re­gie­rung bei ihnen ankom­men, spielt Markus Söder politi­sche Spiele.» Er nehme für seine Privat­feh­de mit der Ampel ein ganzes Entlas­tungs­pa­ket in Geisel­haft. «Das ist politi­scher Größen­wahn auf Kosten von Millio­nen Menschen in Bayern und dem ganzen Land. Deutsch­land hat jetzt keine Zeit für die Launen eines CSU-Mannes, der beim Oktober­fest zu tief ins Glas geschaut hat.»

Kühnert sagte weiter, selbst­ver­ständ­lich gebe es in der Umset­zung der Entlas­tun­gen zwischen Bund und Ländern finan­zi­el­le und techni­sche Fragen zu bespre­chen. Deshalb habe Kanzler Scholz zu dem Treffen mit den Minis­ter­prä­si­den­ten eingeladen.

CSU-General­se­kre­tär Martin Huber konter­te scharf: «Kreml-Kevin hat wohl zu tief ins Wodka-Glas geschaut», sagte er am Montag. «Die SPD hat mit dem Kanzler alle Möglich­kei­ten, den Murks-Kurs zu beenden.» Statt­des­sen kündi­ge die Ampel-Koali­ti­on großspu­rig Entlas­tun­gen an, die von den Ländern bezahlt werden sollten. «Das ist sozia­lis­ti­scher Zentra­lis­mus», sagte Huber. Dass sich Bayern gegen diese Unver­fro­ren­heit wehre, sei notwen­dig im Sinne aller Länder. «Es darf nicht heißen: Der Bund bestellt und die Länder zahlen», sagte der CSU-Politi­ker. «Deutsch­lands größtes Problem ist die unfähi­ge Bundesregierung.»

Söder: «Bund sollte sich ehrlich machen»

Söder hatte der «Augsbur­ger Allge­mei­nen» gesagt: «Der Bund sollte sich ehrlich machen: Während den Ländern durch die Schul­den­brem­se die Hände gebun­den sind, hantiert der Bundes­fi­nanz­mi­nis­ter in Schat­ten­haus­hal­ten mit gigan­ti­schen Milli­ar­den­sum­men.» Er beton­te: «Wir befin­den uns in einer ökono­mi­schen Krise, die größer ist als bei Corona, deshalb braucht es jetzt auch finanz­po­li­tisch eine große Lösung — und nicht nur kleines Besteck.» Weil hatte in einem Inter­view der Deutschen Presse-Agentur von einer Notla­ge gesprochen.

Rhein: Geht bei Entlas­tungs­pa­ket nicht um Blockade

Hessen kriti­siert das Verfah­ren beim Zustan­de­kom­men des Entlas­tungs­pa­kets für die hohen Energie­prei­se, will sich den vom Bund geschnür­ten Maßnah­men aber nicht verwei­gern. «Wir werden nicht blockie­ren. Und es geht auch gar nicht um Blocka­de, sondern es geht jetzt darum, ein sinnvol­les Paket zu schnü­ren», sagte Minis­ter­prä­si­dent Boris Rhein am Montag im ZDF-«Morgenmagazin». «Wir sind selbst­ver­ständ­lich dabei, unsere Last zu tragen.»

Anders als einige Minis­ter­prä­si­den­ten­kol­le­gen stellt der CDU-Politi­ker Rhein aber nicht die Schul­den­brem­se infra­ge. Sie legt fest, dass die Haushal­te von Bund und Ländern weitge­hend ohne Kredit­auf­nah­me auszu­glei­chen sind; sie soll nach zwei Ausnah­me­jah­ren infol­ge der Corona-Krise nach den Vorstel­lun­gen von Bundes­fi­nanz­mi­nis­ter Chris­ti­an Lindner (FDP) im kommen­den Jahr möglichst wieder einge­hal­ten werden. «Die Schul­den­brem­se gilt, und ich bin sehr dafür, dass das auch weiter so ist», sagte Rhein.

FDP-General­se­kre­tär Bijan Djir-Sarai konter­te die Kritik der Länder und nahm sie in die Pflicht. Der «Rheini­schen Post» (Montag) sagte er: «Es kann nicht sein, dass die Länder immer nur Forde­run­gen stellen, sich dann aber wegdu­cken, wenn es um die Umset­zung geht.»

Der Haupt­ge­schäfts­füh­rer des Deutschen Städte- und Gemein­de­bun­des, Gerd Lands­berg, mahnte eine frühzei­ti­ge Abstim­mung zwischen Bund und Ländern an. «Erfolg­rei­che Krisen­be­wäl­ti­gung schafft man nur gemein­sam», sagte Lands­berg der «Rheini­schen Post» (Montag). «Dies gilt insbe­son­de­re dann, wenn der Bund auf die Zustim­mung der Länder und die Umset­zung durch die Kommu­nen angewie­sen ist.»